Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Weltanschauungen, welche den Gedanken des Throntahernakels gebar, seine wesentlichen Bestimmungs elemente ausbildete. Auch das Brüllen der thronhütenden Löwen gehört in diesen Gedankenkreis der Abwehr aller Unruhe außen zur Verherrlichung der Ruhe im Wesen des Thronenden. Dynamisch hingegen ist von vornherein die Urvorstellung des Tores, das vor uns liegt, damit wir es durchschreiten. Mit dem Tor ist implicite schon ein besseres Etwas hinter ihm gegeben. Die ewige Sehnsucht nach dem Paradies ist Urgrund und letzter Ausdruck aller dynamischen Weltanschauung. Mag das Tor verschlossen sein als Ausdruck der Unerreichbarkeit des Jenseits, mag es offen sein und einladen zum Blick, zum Gang über die Schwelle hinweg, immer ist es Sinnbild für den Weg von hier nach drüben. Ganz selbstverständlich ist dem Christen, und gerade schon in der Frühzeit, die janua, das Zeichen für die ,,via vite". Eine reizvolle und ergebnisreiche Studie ergäbe sich daraus, würde man die Umwandlung der Toridee im Denken der Griechen, der Humanisten, der Künstler unserer Gegen wart in ihren weltanschaulichen Voraussetzungen untersuchen. Vergleichen wir nun nochmals die Kreuzesdarstelhmgen der Flechtbandsteine mit unserer Miniatur, dann wird uns bewußt werden, wie aus scheinbar geringfügigen Unterschieden im Typus die Kluft zwischen beiden unüberbrückbar wird. In den Steinen (z. B. Abb. 80) liegt der Querbalken des Kreuzes in der Kapitellzone; das Kreuz ragt in den Halbkreis des Bogens hinein, ist von diesem gerahmt; gerne ist die Zierung des Rundes durch perlende Volutenreihen von den Flechtbandfüllungen in den Kreuzbalken oder Arkadenpfeilern deutlich geschieden; immer steht das Kreuz fest auf dem Boden, sei es, daß dieser nur einfach die Grundlinie ist oder daß Sockel oder Stufen den Standort des Kreuzes (im Thron-Gedanken) erhöhen. Nichts ist da, was die beherrschende Erscheinung des Zeichens vom Weltkönigtum beeinträchtigen könnte. Was neben dem Kreuze Platz findet, ist wirklich das unter geordnete Neben-Ihm. Ganz anders ist die Miniatur disponiert (Abb. 87). Das Kreuz, so betont es auch in seiner zentralen Stellung sein mag, ist nicht das Allein-Herrschende. Die drei großen Tiere rundherum sprechen ebenso stark mit, am stärksten vielleicht der Adler im Bogenfeld. Vor allem aber: Das Kreuz steht nicht für sich; es ist gewissermaßen eingespannt in ein ausgewogenes System geometrischer Regelfiguren, inner halb derer es nur ein Teil ist; es steht auch nicht auf einer Bodenfläche oder einem Podest, sondern es schwebt gewissermaßen; und der kleine Schaft, mit dem es in die Tragstange oder in den Kreuzfuß eingesenkt werden kann, ist liebevoll betont, um ja keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, daß wir hier nicht das Kreuz auf dem Altar, nicht das ,,thronende" Kreuz vor uns haben. Nicht weniger ist auch die Arkade in die Ganzheit der ,,Bilderzählung" einbezogen. Zu beachten ist, wie ihr unterstes Feld gegen den Rücken des Löwen keine rote Rahmenborte hat; obwohl aus Einzel feldern zusammengesetzt, wirkt sie nicht wie aus Quadern ,,gebaut", sondern wächst einer Pflanze gleich aus den beiden Tierrücken; ausladende Quadrate bilden ihre Kapitelle, die dennoch wieder nicht — auch hier keine roten Rahmenborten — restlos zur Arkade gehören. So wenig das Ganze ein Bauwerk zu nennen ist, so wenig erschöpft sich sein Sinn etwa darin, nur Rahmen zu sein. So sehen wir, daß nicht die architektonischen Gestalten, Arkade und Kreuz, den Zusammenhalt des Ganzen gewährleisten, sondern das vielfach ineinander verschränkte System farbig gesonderter Schichten; deren eine setzt sich aus den sieben rotgeränderten, rechteckigen oder sphärischen Feldern zusammen; die andere hat violette Umrisse, wodurch (violett = Purpur!) höhere Wertigkeit angedeutet ist; eine dritte endlich verbindet offensichtlich als höchste Steigerung Rot und Purpur nebeneinander für doppelte Rahmung oder — nur in den drei Tierköpfen — zur Flächenfärbung. Es entsteht jenes farbige Kräftespiel, wie solches die frühmittelalterliche Goldschmiedekunst in der Setzung verschiedenfarbiger Edelsteine oder in Glasflüssen so meisterhaft anzuwenden wußte. Ja man kann zwischen der Anordnung der Teilgestalten hier und der Anordnung reicher Edelsteinplatten geradezu überraschende Parallelen feststellen. Zwei Dreiheiten verschränken sich (Abb. 89) über und um das Kreuz; die eine der Dreiheiten bilden die drei violett und rot gerahmten (also königlichen) Quadrate mit dem mittleren Glied als Zentrum; die andere umfaßt die drei großen königlichen Tiere und hat das mittlere Glied als Spitze. Gleiche Verschränkung etwa zeigen auf der Stirnplatte der Kaiserkrone in Wien (Abb. 90) die beiden Dreiheiten der drei Smaragde und der drei Aquamarine. Und da wie dort, im Juwelenschmuck wie in

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