Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Muschelgold auch in den Canonesarkaden zu finden ist. Die großen Initialen werden von etwa zwei zeiligen, gleichfalls farbigen Kapitalbuchstaben begleitet, der Grund dieser Zeilen ist teilweise farbig untermalt. Die Prologinitialen zeigen die gleichen einfachen Formen, aber bescheidenere Farbigkeit, der Text ist dort in Kapitalis rustica geschrieben, wie wir dies auch aus dem Codex Millenarius in Kremsmünster kennen. Bei der Qualität dieser Handschrift in Schrift und Ausstattung müssen wir annehmen, daß der Verzicht auf den Bildschmuck einer bestimmten Absicht entsprang und nicht einem Mangel an Kunstfertigkeit. Eine Fortsetzung dieser Buchkunst und Kunstgesinnung über diese Handschrift hinaus zu verfolgen, ist bisher nicht möglich. Vielleicht kann aber die Textbestimmung und die vergleichende Schrift forschung die Fragmente eines vierten großen Evangeliars in dieser Reihe einordnen: Ein Stilvergleich ist bisher nicht möglich, da zunächst nur Schriftseiten bekannt geworden sind^^. Auch hier hat B. Bischoff den Hinweis auf Salzburg gegeben, ein Hinweis, der im Zusammenhang mit den vorerwähnten ähnlich großen und bedeutenden Evangeliaren wegen der gesicherten Provenienz dieser vierten fragmentarischen Handschrift besonders interessant ist. Der Rang des Skriptoriums wäre allein mit diesem einzigen Beispiel gesichert. Wie weit kann man nun die drei genannten Augustinus-Handschriften und die Plenar-Evangelien in den Ablauf der Salzburger Kunst zeitlich einordnen? Wenn wir annehmen, daß die ersteren und der Maihinger Codex ornamentgeschichtlich und paläographisch unmittelbar aus der Tradition der Schreibschule unter Erzbischof Arn hervorgewachsen sind, was paläographisch zu belegen ist, dann wäre ihre Datierung in die zwanziger Jahre des 9. Jahrhunderts vorzuschlagen. Der nicht unbeträchtliche Abstand der beiden anderen Evangeliare setzt eine gewisse Entwicklung und damit einen Ansatz in das vierte Jahrzehnt voraus. Wenn das Tegernseer Evangeliar an dessen Ende entstanden ist, so bleibt es offen, ob es noch der Zeit des Erzbischofs Adalram oder schon dessen Nachfolger Liupram zugehörig sei. Wir wissen viel zu wenig von den örtlichen Verhältnissen, um auch nur vermuten zu können, ob dieser Wechsel im Skriptorium ebenfalls einen Wechsel hervorgerufen habe. Es muß abschließend nochmals hervorgehoben werden, daß diese Datierungsversuche lediglich auf stilistischen Kriterien des Buch schmuckes beruhen, und daß eine gründliche paläographische und codicologische Durcharbeitung des erhaltenen Salzburger Bestandes Modifizierungen als möglich erscheinen läßt. Eine Fortsetzung der buchkünstlerischen Leistung, die aus den vorgeführten Plenar-Evangelien zu uns spricht, ist bisher nicht nachzuweisen gewesen. Es gibt einige Handschriften, die der Zeit von Erzbischof Liupram zugewiesen werden können, weil sie z. T. Widmungen an diesen enthalten^®. Der Qualitätsabfall ist aber ein beträchtlicher, und es wäre zu untersuchen, ob dafür lediglich der Inhalt der Codices maßgebend war. Wenn wir noch einmal auf die Schule von Tours zurückkommen, mit welcher wir diese Zeilen begonnen haben, so sehen wir dort in eben jener Zeit den Aufschwung zur höchsten Blüte und reichsten Zierkunst, die erst unter den Einfällen der Normannen verebben sollten. Für Salzburg wissen wir keine Begründung für einen Verfall in dieser Epoche anzugeben. Vielleicht ist aber auch für diese Stufe der Entwicklung noch ein bisher unbekanntes oder falsch eingereihtes Material namhaft zu machen? Wir nehmen an, daß die nächsten Jahre einer schriftgeschichtlichen und handschriftenkundlichen Forschung auch in dieser Frage Klarheit bringen werden. Wien, ÖNB. 15216, München, Clin. 29155. — Vgl. Bischoff, 1. c., S. 162 in Verbindung mit Clm. 19101. 23 Vgl. Wien, ÖNB. Cod. 458, 921, 991 u. 988, Hermann, 1. c., Nr. 60—63, S. 167—173 u. München, Clm. 15 815 u. 15 821. Vgl. Chroust, 1. c., I. Lief. VII., Taf. 7. Abbildungsnachweis: Landesbiidstelle Salzburg: Abb. 109; Bayer. Staatsbibliothek, München: Abb. 110—113, 117, HS; Bibliotheque Nationale, Paris: Abb. 114—116.

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