Evangelisten halten ein offenes, unbeschriebenes Buch auf dem Schoß, Lukas ist fast frontal, eher etwas nach links gewendet, die übrigen nach rechts, wobei hervorzuheben ist, daß Johannes in Haltung und Kleidung genau dem Johannes des Codex Millenarius in Kremsmünster entspricht. Eine gemeinsame Ableitung ist mit Sicherheit anzunehmen. Die Figuren sind sehr schlank, die Faltengebung in eher plumper Form kann man ohne weiteres den Beispielen anreihen, die sich in den bekannten astronomisch chronologischen Codices der späten Arn-Zeit finden^^. Alle Evangelisten sind hartlos, die beiden letzten mit Tonsur dargestellt. Es ist von besonderem Interesse, daß die Fassung des Textes im wesentlichen der Alkuinschen Rezension folgt, aber noch Spuren der alten Salzburger Tradition erkennen läßt, die in drei sehr bedeutenden Beispielen erhalten ist^^. Text und Miniaturenschmuck zeigen damit eine klare Parallelität, da sie beide die heimische Tradition nur in geringen Resten verraten, während sich sonst die moderne Richtung durchgesetzt hat, die wir sicherlich als fränkische bezeichnen dürfen. Schon seit Swarzenski^® und noch bei Boeckler^® ist diesem Plenarium ein anderes als SchwesterHandsc.hrift an die Seite gestellt worden, was vor allem auf die Ähnlichkeit in der Anordnung der Evangelistensymbole über den Evangelisten und auf ihre außerordentliche ikonographische Ähnlichkeit sowie auf die Parallelen der Formen und des Schmuckes der rahmenden Bogen Stellungen zurückgeht. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Parallelen der Ornamentik und kopienhafte Verwandt schaft der Evangelistensymbole die Werkstattgleichheit belegen, auch wenn manche andere Züge des Pariser Evangeliarium Bat. 8849 sich als selbständig oder abweichend erweisen. Die Pariser Handschrift, die seit dem 10. Ja.hrhundert in Metz nachzuweisen ist, wurde bis zuletzt dorthin lokalisiert 1''. Sie ist ein Unzial-Codex, bei dessen Lokalisierung das wichtige Kriterium der Schrift bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung ohne Aussage bleiben mußte. An der Salzburger Provenienz der Handschrift wird trotzdem nicht zu zweifeln sein, wenn man die eben angeführten Gesichtspunkte und die weiter anzuführenden Verbindungen heranzieht. Ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen beiden Handschriften besteht in der Rustikalität des Maihinger Codex, während der Pariser Codex viel klarer gestaltet ist, eine höhere Qualitätsstufe und stärkere westliche Einflüsse erkennen läßt. Ein Beispiel für die verschiedene Behandlung der Tradition liefern die Canonesseiten, die im Maihinger Codex die traditionelle Form^® beibehalten, sich in der Anordnung aber bemühen, von der zwölfseitigen auf eine kürzere Fassung zu kommen. Der Schreiber ging dabei nicht ganz konsequent vor, indem er größere Spaltenteile für die Incipit- oder Explicit-Zeilen verwendete. Er kam dabei auf elf Seiten. Dem Schreiber des Pariser Codex gelang die konsequente Zusammenziehung auf zehn Seiten; er behielt das alte Schema der einfachen Bogen zunächst bei und zog erst in der zweiten Hälfte (Bl. 13r, 15v—17r) die übergreifende Ordnung heran (Abb. 116), ohne jedoch die Art der schlanken, dünnen Säulen und Bogen zu änderni®. Ähnlich ist es bei den Miniaturen: Während die Evangelisten des Maihinger Codex einheitlich auf einen sicherlich spätantiken Typus zurückgeführt werden können, der etwas früher im gleichen Bereich im Johannes des Kremsmünsterer Millenarius zu finden ist, erscheint im Pariser auch die Ikonographie der Adagruppe viel stärker beobachtet, da alle Evangelisten dem dort vorherrschenden Typus mit Schreihertätigkeit angehören. Matthäus (Abb. 114) und Markus schreiben, die beiden anderen tauchen die Feder in das auf hoher Stütze am Bildrand stehende Tintenfaß, ein weitausholender Gestus und ein Motiv, das bis dahin im Südosten fremd gewesen zu sein scheint (Abb. 115). Vgl. Anm. 7. Cutbei'cht-Codex, Wien, ÖNB. Cod. 1224. — Codex Millenarius, Kremsmünster, Stiftsbibliothek, Schk. 1. — EvangeliarFragmente, New York, P. Morgan Library, M. 564 u. Ni.u'nberg, Germanisches Museum u. Stadtbibl. — Bezüglich einer weiteren Begründung darf auf eine in Vorbereitung befindliche Publikation über den Codex Millenarius in Zusammenarbeit mit dem Stiftsbibliothekar von Kremsmünstor, H. Dr. P. Willibrord Neumüller verwiesen werden. Vgl. Swarzenski, Regensburger Buchmalerei, S. 7, Anm. 17. Vgl. Boeckler, 1. c., S. 122. A. de Bastard, Peintures et ornements, Paris 1835, pl. 105. — L. Weber, .Einbanddecken, Elfenbeintafeln, Miniaturen und Schriftproben aus Metzer liturgischen Handschriften. Metz 1913, Taf. 32—38. — A. Goldschmidt, Die Deutsche Buchmalerei. I. München 1928, S. 46, Taf. 45. — Les manuscrits a peintures en France du VII'" au XII'^ s. Paris, Bibl. Nat. 1954, p. 35, Nr. 78 (Ausstellungskat.). — A. Boeckler, 1. c., S. 121 ff., Abb. 6 (Markus), 19a—d (Symbole). Vgl. den Wiener Codex 1193 aus Mondsee und den Codex Millenarius usw. Auch die andere Art der übergreifenden Bogen war im Südosten schon länger bekannt. Vgl. den Cutbercht-Codex und den München er Clm. 27 270.
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