Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Fkanz Jtjraschek „JANUA VITAE", DAS TITELBLATT EINER FRÜHEN AUGUSTINUS-HANDSCHRIFT Das Kreuz unter einer Arkade füllt die Titelseite einer frühen Augustinus-Handschrift (Abb. 87), die um die Mitte des 8. Jahrhunderts in einer Schreibstube des nordöstlichen Prankreich, vielleicht in Laon entstand. An dem Bildmotiv als solchem ist nichts, was auffällig erscheinen möchte. Begegnet uns doch die rahmende Arkade immer wieder in den Dedikationsbildern, den Evangelisten-Seiten, den Kanon-Tafeln usf. in unerschöpflichen Variationen, die dem Frühmittelalter nach spätantiken Vor bildern besonders angelegen gewesen sein müssen; ihre Aufgabe ist es offensichtlich, das Dargestellte hervorzuheben, ihm besonderen Ton zu verleihen. Und man wird sich auch nicht wundern, wenn wir hier an Stelle einer menschlichen Gestalt, des thronenden Christus etwa, das Kreuz eingestellt finden, wie auch sonst häufig statt der Evangelisten ihr Symboltier allein unter dem Bogen auftritt. Haben doch die frühen Illustrationen in jenen Kunstgehieten, denen die Handschrift angehört, das Menschen bild ganz allgemein, erst recht aber anthropomorphe Darstellungen Gottes gemieden. Nicht minder wird das knappe Aneinanderstoßen aller Teilflächen, die dichte Füllung derselben durch Tierleiher, das Mosaikartige im Nebeneinander kleinteiliger Farbparzellen und im Zerschneiden jeder größeren Farbfläche, etwa im Federkleid oder in den dekorativen Strichen der Mähnenhaare und Muskellinien, natürlich auch die starke, isolierende Bahmung jeder Teilfläche dem Zeitstil durchaus gemäß erscheinen. Wenn dann in den Füllungen aber der Tierkörper selbst stärker hervortritt als das Liniengefiecht, wenn ferner an die Stelle beweglicher Flächenumrisse nach Art der nordischen Ornamentik die Strenge der geometrischen Begelform tritt, so sind das Einzelzüge, die eher individuell anmuten. Was aber sagt uns das Kreuz unter der Arkade? Auf den Sarkophagen frühchristlicher Zeit dominiert es nicht selten in zentraler Stellung, dort also, wo oft auch das Lamm steht; schon auf den ältesten Denkmälern bereichert sich seine Symbolik, sei es, daß Auferstehungsgedanken hinzugenommen sind (Abb. 79), sei es, daß es auf dem Berge steht, den die vier Flüsse als mons Sion zeichnen (Abb. 80), oder daß es auf Stufen (Berg und Stufen kommen auch gemeinsam vor; Abb. 80, 81) erhöht, sich der Thronidee nähert. Im Fortschreiten seines Gebrauches in der Liturgie finden wir es später manchmal als Zeichen für den Altar, den Altarraum, das Kirchengebäude oder das Meßopfer in ihr, wie es um 728 etwa zwischen Nischen mit Krongehängen auf dem Felix-Sarkophag in Classe (Abb. 83) an die Altar wand erinnern mag. Flechtwerkknoten und anderen Symbolen zugeordnet, selbst an den Balkenflächen auch mit geflochtenen Bändern überzogen, begegnet es dann in karolingischer Zeit häufig genug unter Dreiecksgiebeln oder Arkadenbogen. Unter jenen Steinplatten, welche auf österreichischem Boden bekannt sind, sehen wir auf dreien auch ein Kreuz. Keine der Platten ist mehr in originaler Verwendung. Wohl selbst einst giebelförmige Krönung (Abb. 84), ist das kleinste der Stücke heute im Westgiebel der Kirche in St. Peter am Bichl, das andere in Millstatt (Abb. 85) in einer Durchfahrt des ehemaligen Klosters eingemauert, das dritte aus Lauterach bewahrt das Landesmuseum in Bregenz. Hier steht der Lebensbaum unter der Arkade und daneben das Kreuz (Abb. 86), größer als der Baum und einst — vor der Beschädigung — wohl die Mitte der nur zum Teil erhaltenen Komposition. Von den Anfängen im Kreise der unmittelbaren Heilswahrheiten (Abb. 79) verschiebt sich die Symbolik mehr und mehr in kosmologische Richtung. Auch auf Reliquiaren und sonstiger Kleinplastik begegnet uns das Kreuz unter dem Bogen, kaum dagegen — fast auf wenige Codices einer eng begrenzten Gruppe beschränkt — in Miniaturhandschriften. Ist dies ein Zufall? Führt eine Brücke von der Augustinusminiatur zum skulpturalen Großornament in den Kirchen, wie später etwa zweifellos eine unmittelbare Linie den Bilderschatz der Handschriften mit monumentalen Wandmalereien verbindet? So sehr man dies zunächst erwarten würde, so natürlich es wäre, die in ihrem Motivenreichtum vereinzelte Bildseite mit Arkadenkreuz in die Entwicklungsreihe der gemeißelten ,,Kreuze unter Bogen" einzuordnen, vor allem sie der nur wenig späteren Schicht dekorativer Formen auf Chorschranken oder 8 Denkmalpflege

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