Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Kurt Holtee DREI EVANGELIEN- HANDSCHRIFTEN DER SALZ BURGER SCHREIBSCHULE DES 9. JAHRHUNDERTS In einer kürzlich erschienenen Studie über die Alkuin-Bibel hat P. Bonifaz Fischer den Entwicklungs ablauf der Verbreitung dieser Textrezension in überzeugender Weise in eine weitreichende geistige Bewegung eingegliedertEr hat dabei erneut darauf hingewiesen, daß Alkuin in der Schule von Tours zwar einen maßgebenden Ausgangspunkt darstellt, aber keineswegs den Höhepunkt der buchkünst lerischen Leistungen erreicht hat. Erst unter seinen Nachfolgern sind die späterhin so bewunderten malerischen und ornamentalen Schöpfungen dieser Handschriften erreicht worden. Es braucht demnach nicht zu überraschen, wenn nachgewiesen werden kann, daß auch in dem südöstlichen Bereiche seines Freundes Arn, des ersten Erzbischofs von Salzburg^, eine ähnliche Entwicklung zu beobachten ist. Was man bisher als karolingische Salzburger Buchmalerei bezeichnet hat®, geht im wesentlichen und in den stilistisch kennzeichnendsten Beispielen auf vor-arnonische Traditionen zurück, deren Grundlagen sehr verschiedene Ursprünge aufweisen. Das Buchwesen in seiner Zeit, von 785 bis 821, dessen bedeutende Zahlen ausdrücklich überliefert sind'', ist bisher noch keineswegs klar überschaubar geworden. Im Gegenteil, je mehr man in die Materie eindringt, um so mehr Fragen erheben sich. Die Beziehungen zu dem französischen Kloster von St. Am.and, wo Arn einige Zeit als Abt wirkte, sind vielfach so außerordentlich enge, daß es eingehender paläographischer Untersuchungen und Dar stellungen bedarf, um die Grenzen herauszuarbeiten®. Die Frage, wie weit ein Wandern und Geben in beiden Richtungen festgestellt werden kann, bleibt noch durchaus offen. Wie aber diese Scheidung des erhaltenen und weit verstreuten Handschriften-Bestandes auch immer ausfallen möge, das eine kann schon jetzt überblickend gesagt werden: die buchkünstlerische Leistung der eigentlichen Arn-Handschriften ist im Durchschnitt gering. Der Text, die Verbreitung des Buches scheint so sehr im Vordergrund gestanden zu sein, daß darüber die Qualität der Codices, die künst lerische Ausstattung stark zurücktreten mußte. Wie in den frühen Handschriften der später so berühmten Schule von Tours® sind nicht wenige Handschriften ohne Schmuck geblieben oder höchstens mit einfärbigen Initialen verziert worden'. Für die folgende Zeit fehlte bisher jede Vorstellung von einer qualitätvollen Buchausstattung, weil es nicht möglich war, zu Gruppierungen zu gelangen, die eine hochstehende Schreibschule hätten belegen können. Und dennoch vollzog sich im Salzburger Kreis die gleiche Entwicklung wie in der Schule von Tours; als die neu herangebildete Generation in die führenden Positionen nachrückte, zeigte sich das Ergebnis der vorausgegangenen Bemühungen. Es ist dabei kennzeichnend, daß die Chronologie, die zeitliche Einordnung der als Ausgangspunkt dienenden Hairdschriften, ganz auf die Paläographie angewiesen ist, da die Kunst- und Zierformen den Zusammenhang mit der Zeit vor Arno entweder verloren haben, oder so einfach gehalten sind, daß man sie bisher meist übersehen hat. Wenn im folgenden von einer Gruppe von Handschriften die Rede sein soll, deren Entstehungszeit unter Erzbischof Adalram (821—836) angenommen werden darf, so gründet sich diese Datierung vor wiegend auf paläographische Beobachtungen, die an dieser Stelle nicht vorgebracht werden sollen. Sie werden freilich durch den Stilvergleich etwa mit der Mondseer Entwicklung bestätigt und durch andere Parallelen gestützt. ^ B. Fischer, Die Alkuinbibel (Aus der Geschichte der lateinischen Bibel, 1.) Freiburg i. B. 1957. ^ Vgl. H. Zeissberg, Alkuin und Arno (Zeitschrift f. d. Österr. Gymnasien, 13, Wien 1862, S. 85—98). — Ders., Arno, erster Erzbischof von Salzburg (785—821) (Sitzungsber. d. phil.-hist. 01. d. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften 43, Wien 1863, S. 305—381). ' G. Swarzenski, Die Salzburger Malerei von den ersten Anfängen bis zur Blütezeit des romanischen Stils, Leipzig 1913. * Zeissberg, Alkuin und Arno, S. 90. ® Wir erhoffen eine solche Darstellung von Bernhard Bischoff, München, dem der Verf. für eine Keihe wesentlicher Hinweise zum Material dieser Studie zu größtem Dank verpflichtet ist. ® Vgl. Fischer, 1. c., Taf. 1, S. 10. ' Die Ausnahme der Kalender-Handschi-iften in Wien, Cod. 387, und München, Olm. 210, dürften diese Beobachtung kaum widerlegen, da in diesen die Malerei thematisch begründet ist. 11 Denkmalpflege qk

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