Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

der Fläche mit Medaillons, die andere mit einer Gliederung gemäß der Gestaltung des Holzkernes. Es muß also einmal eine Umarbeitung der Rückseite erfolgt sein. Durch die beiden Adlerdarstellungen ergibt sich dafür als genauer Anhaltspunkt das 12. Jahrhundert, näherhin vermutlich seine zweite Hälfte. Es ist wohl angebracht, diese Restaurierung des alten Reliquiars mit der Besiegelung des Wormser Domkapitels in Verbindung zu bringen, die im gleichen Jahrhundert erfolgt sein muß. In diese Zeit fällt die erneute Blüte der Verehrung Kaiser Karls des Großen. Sie erreicht ihren Höhepunkt in der Heiligsprechung des Kaisers über Betreiben Friedrich Barbarossas. Es erscheint wohl möglich, daß bereits damals auch die Stephansbursa mit der Person des großen Karl in Verbindung gebracht wurde, wie ja zu dieser Zeit der Säbel und das Reichsevangeliar mit ihm verknüpft wurden^®. Vielleicht wäre dann auch aus diesem Karlskult heraus die Restaurierung der Stephansbursa just zu dieser Zeit zu erklären. Daß damals auch die Schließung von Vertiefungen der Vorderseite einsetzte, wäre immerhin möglich. Jedenfalls muß die Ausdehnung des Holzkernes nach diesem Zeitpunkt erfolgt sein, wie die Abdrücke auf den beiden jüngeren Buchenholztäfelchen erweisen. Eine weitere Restaurierung betraf den Kamm der Bursa (Abb. 108). Schlosser datiert seine heutige Form richtig ins 15. Jahrhundert und deutet das mittlere Fischblasenmuster als ein S, das sich vielleicht auf St. Stephanus beziehen könnte, dessen Blut ja der Tradition zufolge die Bursa barg^®. Nun ist anderseits aber eine ähnliche Ornamentik auf einem Johannesevangeliar in St. Michael (AachenBurtscheid) zu finden, das der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehört^®. Die Gleichartigkeit solch einer Lösung mag für eine Identität der Werkstatt herangezogen werden, in der das eben genannte Reliquiar entstand und die Stephansbursa repariert wurde. Bei ihr allerdings wurde anscheinend der karolingische Steinbestand wieder verwendet, nur aber neu angeordnet, wobei auch in den neuen Fassungen man das Alter dieser Teile geschickt berücksichtigte. Als letzte entscheidende Restaurierung ist die der Empire-Zeit faßbar, die doch wohl am ehesten mit der erstmaligen Ausstellung der Reichskleinodien in der Wiener Schatzkammer zu verbinden ist (1828). Ob nun dieser Goldschmied erst die defekte alte Rückseite entfernte und nur wenige Fragmente davon zum Unterlegen der ebenfalls stark beschädigten Seitenteile verwendete oder ob die Entfernung der alten Rückwand und die Ausflickung der Seitenverkleidungen schon früher erfolgte und der EmpireGoldschmied sich in seiner Gliederung nur an den Holzkern anlehnte, entzieht sich unserer Kenntnis. Zwischendurch muß wohl die Ausflickung mit den feuervergoldeten Kupferplatten erfolgt sein, wie auch die Auslegung der Vertiefungen des Holzkernes mit Eichenholzspänen. Diese Aufspaltung der Entwicklungsstufen der Stephansbursa zu ihrer heutigen Gestalt hilft vielleicht wohl die Probleme klären, die dieses kunstgeschichtlich wie historisch so bedeutsame Werk stellt. Vor allem schien es mir wichtig, die durchgreifende Restaurierung des 12. Jahrhunderts nachweisen zu können, die die ursprüngliche Platte der Rückwand anscheinend nicht nur überarbeitete, sondern auch kompositioneil veränderte. Es konnte auf Grund der heutigen Forschungslage nicht meine Absicht sein, Ergebnisse hier vorzulegen, sondern nur über Beobachtungen zu berichten, die genaue Unter suchungen der genannten Werke ermöglichten, in der Hoffnung, daß sie durch neue Funde und die Zusammensicht mit anderen Objekten vielleicht eine Klärung erfahren können. Diese Nachricht geht auf die Chronik von Novalese und eine Textvariante der Chronik des Ademar von Chabannes zurück. " Julius von Schlosser, a. a. O., S. 40. Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 10/11. Die Kirchen der Stadt Aachen, 1922, S. 561 und 562, Fig. 151. Abbildungsnachweis: Kunsthistorisches Museum, Wien: Abb. 99—102, 104—108; Bildarchiv, Rhein. Museum, Köln: Abb. 103.

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