Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Hebmann Vettebs DAS GRAB IN DER MAUER Anläßlich der Grabungen im Bereich der barocken Vierung des Salzhurger Domes, die 1957 unter meiner Leitung durchgeführt wurden, fanden wir beim ältesten Domhau, der mit guten Gründen dem hl. Virgil zuzuschreiben ist, an der Südostecke einen interessanten und ungewöhnlichen Befund. Der Dom Virgils dürfte nach den ergrabenen Mauerresten eine dreischiffige querschifflose Basilika gewesen sein^. An das südliche Schiff ist mit deutlicher Baufuge eine 5,4 x 13,5 m große Kapelle angefügt (vgl. Abb. 95), deren Bodenniveau rund 421 m beträgt. Der Boden dieser Kapelle schloß direkt an die verputzte Außenseite des Virgildomes an. Von der 1,7 m breiten Südmauer desselben waren noch 3,05 m erhalten. Darauf folgt eine breite, die ganze Nord-Süd-Erstreckung sich hinziehende Störung aus barocker Zeit. Nahe der Abbruchsteile der Südmauer stießen wir beim schichtenmäßigen Freilegen auf eine vermutlich barocke gewölbte Gruft (Abb. 97). Ihre Nordwand bildete die Südmauer des Virgildomes, das Gewölbelager formte hier ein Mauervorsprung (vgl. Abb. 95) mit dem Niveau von 421,79 m. Diese Gruft war leer. Ihr Ziegelboden lag tiefer als der Estrich der angebauten Kapelle (421 zu 420,72 m). Die Kapelle wird durch eine an der Südwand aufgemalte Inschrift — ein Bibel zitat — in das 9. Jahrhundert datiert^. Nachdem wir die späte Grabstätte abgetragen hatten, zeigte sich, daß die Südmauer der Basilika an dieser Stelle im Fundament eine andere Konstruktion besitzt als wir sie sonst, vor allem beim tief verlegten Fundament der Ostmauer, gefunden haben. Während nämlich diese anderen Teile des Virgilbaues im Fundament — vom Aufgehenden ist ja fast nichts mehr erhalten — durchwegs aus gut behauenen, ziemlich gleichmäßigen Handsteinen aufgeführt sind und nur vereinzelt opus spicatum vorkommt bzw. an den tektonisch und statisch wichtigen Ecken große Quadern versetzt sind®, konnten wir hier nebeneinanderliegende große Tuffquadern beobachten. Die genaue Untersuchung ergab, daß der bei den Quadern verwendete Mörtel eine andere Zusammensetzung und Farbe aufwies^ als die übrigen Teile der Südmauer der Basilika. Nachdem wir den Ziegelplattenhoden der späten Gruft abgehoben hatten, präsentierte sich die Süd mauer wie Abb. 95, 96 (Grundriß, Aufriß) zeigt. Ungefähr in der Mitte des noch erhaltenen Mauer stückes fanden wir, durch einige Steine lose geschlossen, eine ungefähr rechteckige Öffnung (50 x 60 cm), die in das Innere der Mauer führte (Abb. 98). Im Osten bildeten zwei Steine eine dromosartige, rund 25 cm breite und 75 cm lange Mauer, im Westen zog unter der Virgilsüdmauer eine schlecht gemörtelte, römische Fundamentmauer gegen Süden. In ihren oberen Teilen war sie gestört; dort lagen parallel zu den östlichen Steinen zwei 0,6 m lange und 0,15 m breite Quadern. Es schien, als ob eine Einfassung zu der oben beschriebenen Öffnung bestanden hätte. Das Fundament der Virgilmauer bildeten die oben genannten Tuffquadern, die auf einem Mörtelbett aufsaßen. Die öberkante der quadratischen Öffnung liegt etwas tiefer als das Bodenniveau der im Süden angebauten Kapelle, die wahrscheinlich dem Erzbischof Liupram zuzuweisen sein wird®. Da das Schwellennniveau der Öffnung ebenfalls tiefer liegt als der Boden der Kapelle, muß diese Anlage vor dem Bau der Südkapelle entstanden sein®; sie gehört also in das späte 8. oder frühe 9. Jahrhundert. Innerhalb der Südmauer fanden wir, aus dieser herausgehauen und zwar sekundär, einen 2,3 X 1,1 m ^ Vgl. den Vorbericht über die Ausgrabungen im Salzburger Dom, Mittig. d. Gesellsehft. f. Salzbg. Landkde. 98, 1958, S. 274f.; dort auch den Plan. Bei diesem ist durch ein Versehen beim Reinzeichnen die Apsis des Virgildomes etwas zu steil gezeichnet worden, die richtige Kurve gibt Abb. XX. 2 A. a. O., S. 275. ^ Manchmal hat es sich dabei um Spolien gehandelt, vgl. z. B. a. a. O., S. 276 und Abb. XX bzw. XXI, 1, 2. ' Die Verschiedenheit der Mörtelzusammensetzung kann nur sehr bedingt zur Untersuchung von Bauperioden herangezogen werden. Vor allem bei Großbauten besteht die Gefahr, daß dieses Kriterium ohne Einschränkung angewandt wird. Jede neue Bereitung von Mörtel bringt naturgemäß auch eine andere Zusammensetzung mit sich. Jede Fuhi'e Sand, auch aus der gleichen Sandgrube, kann eine neue Korngröße mit sich bringen. Man bedenke nur, welche Mengen an Mörtel für die Gußkerne der Mauern des romanischen Domes benötigt wurden! = A. a. O., S. 175, Anm. 28. ® Das Niveau beträgt 420,14 m.

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