91. Hochromanisches Parallelbeispiel; Kruzifix am Pfeiler des Westlettners in Naumburg 92. Lindauer Evangeliar; The Pierpont Moi'gan Library, New York Die vier Tiere in den Kreuzarinen sind ebenso in Bewegung. Wie jene zum Licht und zum Lebensbaum aufsteigen, tendieren diese zum Mittelpunkt des Kreuzes, zu Christus also; denn hier in der Mitte des Kreuzes zeugen die auf die Spitze gestellte Raute und die achtstrahlige Rosette als Zeichen der Königswürde und Königsmacht für Christi Gegenwart im Mittelpunkt, wie es etwa die Beischrift DNS NOS IHS XPS für den an gleicher Stelle angebrachten und gleicherweise in ein Quadrat mit eingeschriebener Raute gefaßten Edelstein auf dem Buchdeckel des Lindauer Evangeliars in New York beweist (Abb. 92). In unserer um 50 Jahre älteren Handschrift ist die Beischrift im Genitiv XPI IHU gegeben und auf das A und O zu Seiten des Kreuzes bezogen. Auch hier wird uns klar genug, wie das Transitorische in der Transzendenz Ziel und Ende findet. Ist doch Christus, die Rosette im Mittelpunkt, das einzig Ruhende im dynamischen Kräftespiel, das sonst das Blatt füllt. East noch auffälliger ist, wie das Mysterium auch in der Gestaltung der Buchstaben A und 0 zur Darstellung gebracht ist (Abb. 89 und 82): Anfang und Ende werden nur durch die Blickrichtung vom Menschen aus zum Gegensatz, während sie für Gott ein und dasselbe, Ewigkeit, sind; als ein und dasselbe Zeichen hängt hier das ineinander verschränkte AO links und — dort nur verkehrt zu lesen als OY — rechts an den Kreuzarmen herab. Ähnlich unmißverständlich, wie das Buchstabenpaar Erkenntnisse über die ,,Letzten Dinge" des Lebens auszusprechen hat, tritt auch die Zahl hervor, und so eindringlich ist sie, daß man an ihrer Aussage nicht vorübergehen kann. Gleich leuchtenden Perlen teilen viermal je drei Kugeln die Felder der Arkade, und an Feldern gibt es in ihr vier Rechtecke und drei Bogenstücke; vier Dreiecke und drei Vierecke zählen wir in der violetten Schicht; vier sind der Buchstabensigel AO, XPI, IHU, OV; daß sie wirklich als Gruppe zusammengesehen sein wollen, sagt nicht nur ihr Inhalt, sondern vor allem ihre regelmäßige Anordnung an vier Ecken eines die Kreuzmitte umschreibenden größeren Quadrates; in Dreizahl treten die großen Tiere auf. Vier, Drei, Vier, Drei, Vier, Drei. Augustinus weist an zahlreichen Stellen darauf hin, wie 7 und 12 durch das Gemeinsame der Bestandteile aus 3 und 4 zueinander gehören: ,,Auf Grund der zwei Teile der Zahl Sieben, mit der meistens eine Gesamtheit bezeichnet wird, wird auch durch die Zahl Zwölf in gewisser Weise eine Gesamtmenge bezeichnet. Denn die zwei Teile der Sieben, die Drei und die Vier, ergeben multipliziert zwölf; denn viermal drei und dreimal vier ist zwölf." Mit den viermal drei Ecken der vier Dreiecke und daneben mit den dreimal vier Ecken der drei Quadrate übersetzen die sieben (4+3=7) regelmäßigen Figuren der violetten, an der Schwelle zur Transzendenz stehenden göttlich-königlichen Schicht das Augustinus-Zitat wortwörtlich in die sichtbaren Form.^en der Geometrie. An anderer Stelle und in breiterem Zusammenhang soll versucht werden, die Fülle dessen zu untersuchen, was in dieser Miniatur als unverkennbare Bildersprache noch heute verstanden werden kann. Uber
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