Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

WIEN '9 Palais Erzherzog Rainer. Wien IV, Schönburg straße 1 — Wiedner Hauptstraße 63. Baugeschichte: Ehemaliges Palais Engelskirchner, erbaut 1710/11, oberstes Stockwerk und seitliche Zubauten 1845 durch Franz Bell. Das Gebäude wird 1711 im Grundbuch das erste Mal erwähnt, und zwar als ,,Lustgebäude" im Eigentum des Niederlägers (Großhändlers) Leopold von Engelskirchen. 1724 geht es in das Eigentum der Familie Garelli über (Pius Nicolaus Garelli war Leibarzt Kaiser Karls VI.). 1739 wird es durch Kaiser Karl VI. angekauft und von Kaiser Franz I. von Lothringen zum kaiserlichen Lustschloß erhoben. Es bleibt viele Jahre in kaiserlichem Besitz, 1767 verbringt Kaiserin Maria Theresia einige Zeit während ihi'er Erkrankung an den Blattern im Schloß. 1770 veräußert der Kaiser den Besitz an Josef Graf von Windischgraetz, 1824 gelangt das Schloß in das Eigentum des Freiherrn Johann Heinrich Geymüller, der es wesentlich aus bauen und umgestalten läßt. Es hat als erstes Wiener Gebäude durchwegs Gasbeleuchtung (1832). 1854 kommt es in den Besitz Erzherzog Rainers. Künstlerische Wertung: Das ursprüngliche barocke Palais war durch die späteren An- und Umbauten völlig verändert worden (Abb. 73), auch die Dekoration der Räume stammte aus dem 19. Jahrhundert. Von Bedeutung waren nur die Attikaplastiken von Lorenzo Mattielli, die unter Schutz gestellt mirden und auch erhalten geblieben sind. Das Gebäude selbst war in einem sehr schlechten und vernachlässigten Zustand, das Dach wies zahlreiche Schäden auf, dadurch waren auch die Fußböden zum großen Teil zerstört. Die Instandsetzung hätte unverhält nismäßig hohe Kosten verursacht. Von wesentlich größerer Bedeutung war die gartenseitige Fassade des ehem. Reitschulgebäudes an der Wiedner Haupt straße (Abb. 74). Der langgestreckte Bau wies einen schwach vorspringenden Mittelrisalit auf, der architektonisch überaus reich gegliedert war (sechs über beide Geschosse reichende Säulen auf hohen Sockeln, bekrönt von Volutenkapitellen, leicht vorgeschwungenes Mittelfeld, reich profiliertes Gesimse, Fensterumrahmungen und Fensterverdachungen, Putten gruppen). Die anschließenden Flügel waren in ihren Schmuck motiven wesentlich zurückhaltender, die Fenster wiesen nui* im Erdgeschoß reicher ausgebildete Umrahmungen auf. Die Seitenflügel stellten eine einfache Folie für den reich aus gebildeten Mittelrisalit dar. Das Gebäude war nicht in schlechtem baulichem Zustand, die Fassade des Mittelrisalites aber wies bedeutende Schäden auf und hätte einer durchgrei fenden Instandsetzung bedurft. Für das Reitschulgebäude wurde die Unterschutzstelluiig ausgesprochen (während der Aussendung des Unterschutzstellungsbescheides war der Verkauf an die Firma Semperit durchgeführt worden, die sofort mit Demolierungsarbeiten einsetzte). Die Beschwerde der Firma gegen die Unterschutz stellung wurde vom Bundesministerium für Unterricht ab gelehnt. Die Firma »Semperit stellte daraufhin einen Antrag auf Demolierung, der vom Bundesdenkmalamt ebenfalls abgelehnt wurde. Der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde durch das Bundesministerium für Unterricht stattgegeben. Der noch 73. Wien IV, Palais Erzherzog Rainer, »Schönburgstraße 1 0M■11 Ii"* 74. Wien IV, Palais Erzherzog Rainer, Schönburgstraße 1, Gartenfassade des ehem. Reitschulgebäudes unangetastet verbliebene Teil des Gebäudes wäre überaus schwierig zu erhalten. Literatur: Dehio-Handbuch, Wien; Richard Groner: Wien wie es war, S. 94f.; Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten, Wien 1895, 2. Band, S. 80.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2