Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Volkskunde, zu ihren lebenden Denkmalen in Sitte und Brauch, Lied und Spiel, Tracht und Wirtschaft, sind durch Geramb wieder aufgenommen worden. Sie spielten auch in der praktischen Volksbildung in dem von Josef Steinberger 1914 begründeten Bildungswerk von St. Martin als historische Volkskunde neben der wichtigen Erfassung der gegenwärtigen Vorhältnisse eine sehr wichtige Rolle und haben ihren Vorläufer in Wilh. Heinr. Riehl, dessen Leben und Wirken Geramb in seinem letzten, 1954 erschienenen Werk dank tiefgründiger Einfühlung erschöpfend geschildert hat. Geramb darf als der wichtigste Testamentsvollstrecker nach W. H. Riehl und nach Erzherzog Johann bezeichnet werden. Die Vorarbeiten zur Gründung des Steirischen Volkskunde museums reichen in das Jahr 1911 zurück und sind mit dem damals in Graz abgehaltenen ,.Deutschen Historikertag" eng verbunden; ein besonderer Gönner dieses Planes war der damalige Landeshauptmann, Edmund Graf von Attems, ein Edelmann in des Wortes bestem Sinn. Eine von ihm in der Stille eingeleitete Geldsammlung gestattete den Aufbau der neuen Abteilung in einer für die Denkmalpflege bedeutungs vollen Tat. Angeregt durch die Museumsfahrten Georg Hagers, des Generalkonservators der Kunstdenkmäler und Altertümer Bayerns, erbat sich Geramb den alten Komplex des mit der Geschichte der Gegenreformation unter Erzherzog Ferdinand (später Kaiser Ferdinand II., 1619—1637) eng verbundenen Kapuzinerklosters ,,an der Stiege" vor dem Inneren Paulustor. Das 1600 gegründete Kloster war unter Kaiser Josef II. aufgehoben und dem von ihm errichteten, den Stadthof des ebenfalls aufgehobenen Stiftes St. Lambrecht benutzenden ,.Allgemeinen Krankenhaus" zugewiesen worden. Bei dieser neuen Verwendung blieb die Klosterkirche als Spitalskirche erhalten; für den Seelsorger (Benefiziaten) des Spitals wurde an der südlichen Langseite ein Stöckl angebaut. Das einen stillen Brunnenhof umschließende Klostergebäude selbst ent hielt bis zur Übersiedlung in die Großanlage des neuen Krankenhauses zuletzt die Infektionsabteilung. So nahm dann das Kloster während der Jahre des ersten Weltkrieges die von Geramb auf den alten, von ihm 1911 ermittelten volks kundlichen Museumsbestand in Kürze weitgehend aufge stockte Sammlung auf, deren Hauptstück die im Winter 1914/15 von Rohrbach auf der Pack (Weststeiermark) an läßlich des Abbruches eines alten Bauernhauses nach Graz übertragene ,,Rauchstube" bildete. Bei der Aufstellung bemühte sich Geramb nach dem Beispiel zahlreicher bay rischer Heimatmuseen mit bestem Erfolg, vom realen Zu sammenhang der ausgestellten Dinge auszugehen und ge schlossene, dem Lebensablauf entsprechende Gruppen zu bilden. Seine von Anfang an eingehaltene Leitlinie, ein wahres Bild schlichten Bauerntums zu geben, begründet die allseits tiefe Wirkung des Museums und läßt dabei den fundamentalen Unterschied gegenüber dem vielfach aus reichen Südtiroler Quellen stammenden Tiroler Volkskunstmuseum in Inns bruck eindringlich erleben. Hier die reichen Kulturleistungen eines freien adelsnahen Bauerntums, dort die drückende Enge ständiger Grenz- und Kriegsnot, elementarer Katastrophen und steter Abhängigkeit von der ,,Grundherrschaft". Beson dere Sorgfalt wandte Geramb auch der dem hl. Antonius von Padua geweihten Kirche zu. Ihr Hauptstück ist das Hochaltarbild des Grazer Hofmalers Giovanni Pietro de Pomis, eine Apotheose der Gegenreformation. Dort erklingen seit 1917/18 alljährlich die altsteirischen Krippen- und Hirtenlieder — einst vom Cäcilianismus aus den Kirchen vorwiesen, heute wieder selbstverständliches volksnahes Musikgut, ein Dauererfolg musikalischer Denlcmalpflege. Im früheren Benefiziatenhaus fand Geramb selbst eine geruhsame Wohn- und Arbeitsstätte. Zu dieser dem kulturellen Leben zurückgegebenen Stätte kam seit 1934 ein großzügiger Ausbau. Hatte besonders einer der ,,Landesherren" in den Zwanziger)ahren für diese ganze volkstümliche Arbeit nur lächerliche Bemerkungen übrig — es war die gleiche Persönlichkeit, die den Ausverkauf des LandesZeughauses empfahl, weil dort ,,lauter gleiche Stücke zu Tausenden" vorhanden seien —, so erwuchs in der Persönlich keit dos 1934 berufenen Landeshauptmannes Dr. Karl Maria Stepan den Bestrebungen Gerambs ein überaus verständnis voller Förderer. Schon 1931 hatte Geramb durch den Grazer Architekten Wilhelm Jonser ein großzügiges Projekt aus arbeiten lassen, das die Ergänzung der alten Baugruppe durch ein Stöckl für das ,.Heimatwerk" — Gerambs eigenste Grün dung als Verkaufsstelle für den bäuerlichen Hausfleiß und für gutes Gerät, heute in den anderen Bundesländern nach dem Grazer Beispiel eingerichtet und zum großen ,,Österreichischen Heimatwerk" zusammengefaßt —, durch einen Hallenbau für bäuerliches Ackergerät im Erdgeschoß und der großen Trachtengalerie darüber und den Heimatsaal vorsah. Dem wertvollen Buch Konrad Steiners ,,Vom alten Graz" (1951) hat Geramb unter dem Titel ,,Ein Zukunftstraum vom Grazer Schloßborg" eine phantasievolle Schilderung beigegeben, die, eine zeitgemäße Erneuerung der alten Stadtkrone, den alten Sinn des Berges wieder erwecken könnte. In anderen Teilen des zum Schloßberg ansteigenden ehe maligen Krankenhausgartens sollten verschiedene Objekte aufgestellt werden und ein richtiges Freiluftmuseum ergeben. Dieser im architektonischen Hauptteil verwirklichte Museurnsgedanke hatte seinen Vorläufer in dem Vorschlag Viktor Gerambs, das 1927 von der Stadtgemeinde Graz angekaufte Gelände des bisher der Öffentlichkeit nicht zugänglichen ,,Rosenhaines", einst Sommerresidenz des Grazer Jesuiten kollegs, für ein umfassendes Freilichtmuseum zu widmen. Der Vorschlag wurde damals nicht durchgeführt und die meisten Altbauten für neue Zwecke (Altersheim, Tagesheimstätte, Freiluftschule usw.) ausgestaltet. Nur das Refektorium, ein sehr charakteristischer Saalbau mit Stuckdecken aus der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, fand trotz vielfacher Bemühungen keine Gnade und verfiel. In den letzten Kriegs jahren bestand Aussicht, daß die Stadt das Bauwerk dem Land Steiermark zur Errichtung eines Modellmuseums über lassen werde. Kaum waren die allerdringendsten Sicherungen an der Bedachung durchgefühlt, warf die Sturmkatastrophe vom 1. September 1944 schwere Bäume auf den Bau und vereitelte damit weitere Maßnahmen zur Rettung. In den letzten Jahren wurden Teile des Gebäudes abgebrochen und ein verkleinertes Dach aufgesetzt, so daß wenigstens der Raum inhalt (ohne die eingestürzten Stuckdecken) bewahrt erscheint. Wenn wir dem Rahmen unserer Zeitschrift entsprechend das große museale Werk Gerambs in den Vordergrund gestellt haben, so mag der Verzicht auf viele Einzelheiten seines umfassenden, in die Tiefe dringenden Wirkens auf dem Gebiet formender Kulturarbeit damit begründet sein, daß eigentlich alle Wege, einschließlich des wissenschaftlichen (von der Habilitation 1924/25 und der Berufung zum Ordinarius 1949), und auch der erzwungenen Pause zwischen 1938 und 1945, die mit verschämter Förderung ,,von oben" zur Ordnung und

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