In der Pfarre Neukirchen am Ostrong, etwa 10 km nördlich der Donau und 25 km südlich von Zwettl, fanden sich Fragmente zweier spätgotischer Altärchen^, die nun zu einem Schrein vereinigt wurden (Abb. 21). Als Stifter dürfen wir zwei Grundherren annehmen, die im südlichen Seitenschiff der Kirche begraben liegen. Der eine ist Wolfgang von Arndorf, gestorben am ,,ertag laetare" des Jahres 1500®, der andere, Hans Schauchinger,gestorben am ,,tag Erhardi" 1522^. Das Geschlechtderer von Arndorf (Erendorfer) hatte das südliche Seitenschiff dem ursprünglichen Kirchenbau angefügt (1428) und als Bernhardinikapelle sich später zur Grabstätte bestimmt. Wolfgang hat in jüngeren Jahren sein Porträt in einem Glasgemälde anbringen lassen, in welchem er als knieender Kitter den hl. Bernhardin (von Siena) anruft. Auch dieses Glasgemälde zeichnet sich stilistisch durch relativ hohe Qualität und fortschrittliche Kunstgesinnung aus®. Diesem Stifter ist es wohl zuzutrauen, daß er auch bei der Gestaltung der Figuren eines Schreines hohe Qualität forderte und den Heiligengestalten porträtähnliche Züge geben ließ. Die Mittelfigur gilt nach der Beschreibung in der Österr. Kunst topographie, Band IV, S. 28, als Bischof Nikolaus, ohne daß eindeutig bezeichnende Attribute vor handen wären®. Es hat vielmehr den Anschein, als ob es sich um den Namenspatron des Stifters Wolfgang handle, der auch seine Gesichtszüge angenommen hat. Ein Vergleich mit dem Glasgemälde legt dies nahe. Auch die jugendlichen Figuren des hl. Johannes Evangelista und des Ritterknappen Pankratius dürften die Porträtzüge von Angehörigen des Stifters tragen. Das Wappen Schauchingers, zwei bewurzelte Reiser und ein Stamm mit drei Eicheln auf rotem Grund, sowie das Wappen der Warbra Galerin, ein Hirschkopf in blauem Schild, kommen nun in der Predella vor, welche heute den Wolfgangschrein trägt. Es handelt sich demnach um Reste eines zweiten Schreines, von dem eben nur die Predella mit der Darstellung des Stifters und der Stifterin mit drei Söhnen und zehn Töchtern sowie die Predellentür mit der Darstellung des hl. Johannes Evangelista als Namenspatron des Stifters und des hl. Jakob major und eines weiteren Apostels (Simon?) sowie die beiden kleinen Figuren des hl. Christophorus und des hl. Petrus stammen. Die mehr volkskundlich interessante Darstellung des Stifters mit seiner Familie, welche nach der Datierung des Grabsteines wohl vor 1522 geschaffen sein muß, beweist, wie frühzeitig manieristische Malerei im Sinne der Donauschule, wenn auch nicht in hoher Qualität, bis in die entlegensten Dörfer des Waldviertels gelangt ist. So interessant diese späteren Fragmente des Schreines sind, so fallen sie nicht in den Kreis der heutigen Untersuchung. Die Vereinigung der zerstreut in der Kirche und im Pfarrhof gefundenen Fragmente zu einem Altärchen in der jetzigen Form, wie dies durch die amtliche Werkstätte des Bundesdenkmalamtes vorgenommen wurde, folgt einem tatsächlichen späteren Zustand und hat den Vorteil der Geschlossenheit. Der noch in der Österr. Kunsttopographie, Band IV, S. 26, erwähnte Zierat des Aufsatzes ist inzwischen verlorengegangen. Die geschnitzten Ornamente (Schleierbretter) im Schrein sind eine neue Zutat, die sich an Ornamente eines Schreines in der Pfarrkirche in Weiten anschließen und den Zweck verfolgen, die schönen gotischen Figuren unter einander zu verbinden und eine störende Lücke zu schließen. Dieser Lösung wurde nach vielen anderen mißglückten Versuchen der Vorzug gegeben. Die Figuren wären ohne eine solche Einbindung in den Schrein nicht zur Wirkung gekommen. Aber zurück zu den wesentlichen Figuren dieses Schreines, über deren Restaurierung schon im Heft 1/1947 unserer Zeitschrift berichtet wurde. Die Behandlung der Draperie läßt uns eine unmittelbare Verwandtschaft mit der gotischen Madonnenfigur aus Flachau annehmen, wenn auch das Physiognomische hier viel bedeutender ist und ins ausdrucksvolle Porträt gesteigert wird (Abb. 23). Gleichartig ^ Erwähnt in Ö. K. T. Bd. IV., S. 26. Die Restaurierung der Hauptfiguren siehe ÖsterroiohiseVie Zeitschrift für Denfimalpfloge, I. Jahrgang, Heft 1—3, S. 48fl. ® Der Grabstein zeigt in Ritzung die Figur eines Ritters und eines Wappens mit Egge. Die Umschrift lautet:, ,Nach Christi gepurdt anno dui MCCCCLXXXXX am ertag laetare ist gestorben der edel Wolfgang Ernndorffer dem got genadig sey und leyt hyr begraben." Die Ö. K. T. liest fälschlich MCCCCLXXXIV, weil die Gründe nicht bedacht wurden, die zu der eigenartigen Schrei bung führten. Der Grabstein ist ohne Zweifel bei Lebzeiten des Ritters angefertigt worden, was der Anlaß dafür war, daß erst die Jahre des 15. Jahrhunderts gezählt wurden und später durch Zufügung von weiteren X auf 1500 ergänzt werden mußten. ^ Der Grabstein zeigt das Wappen der Schauchinger, darüber Stechhelm und Federbusch mit der Inschrift: ,,Hie ligend begraben der edl und vest Hanns Schauchinger und Warbra (Barbara) Galerin sein gernahl den beeden got genedig .seij und ist geschtorben anno in M5XXI (1521) am tag Regine und der herr am tag Erhardi 22." Siehe Ö. K. T. Bd. IV, Tafel I. ® Die Bezeichnung als Bischof Nikolaus lag nahe, da Neukirchen zur Pfarre St. Nikolaus in Münichreith gehörte, welche dem Nikolaistift in Passau inkorporiert war. Es liegt aber kein Grund vor, warum auch die Filialkirche dem gleichen Heiligen einen Altar weihen sollte.
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