Josef Zykan INSTANDSETZUNG MITTELALTERLICHER PLASTIKEN IN DER WERKSTÄTTE DES BUNDESDENKMALAMTES Kunstwerke aus dem Waldviertel In der ersten Nummer des ersten Jahrganges der Österreichischen Zeitschrift für Kunst- und Denkmal pflege 1947 wurde über die Instandsetzung mittelalterlicher Plastiken in der Werkstätte des Bundesdenkmalamtes kurz berichtet. Inzwischen ist es gelungen, die Werkstätten entsprechend auszubauen und ihnen eine neue Heimstätte zu geben. Mehr als 100 gotische Bildwerke wurden seither behandelt. Die Fülle der geleisteten Arbeit hat nicht nur Einblick in die Probleme der Restaurierung gegeben, sondern brachte auch eine Bereicherung der kunstgeschichtlichen Kenntnis mit sich. Es besteht ntin die Absieht, in gewissen Zeitabständen über die Ergebnisse zu berichten. Anknüpfend an den ersten Bericht des Jahres 1947 muß gesagt werden, daß nicht jede Behandlung von Kunstwerken zu dem anfangs gestellten Ziel geführt hat. Die schöne frühgotische Steinplastik aus dem Stift Heiligenkreuz, bei der angenommen wurde, daß sie von G. Giuliani durch Hinzufügung einer Figur des Jesusknaben aus Terrakotta zu einer Madonnenfigur adaptiert worden sei, schien für die kultische Verwendung so wichtig, daß eine neuerliche Adaptierung zugelassen werden mußte, bei der die kostbare mittelalterliche Fassung auf Stein beibehalten wurde, während die Figur des Jesusknaben den Proportionen der Plastik entsprechend von akad. Bildhauer Franz Barwig neu komponiert und dem alten Bestand zugefügt wurde. Dieser Kompromiß, welcher nicht ganz im Sinne der Denkmalpflege gelegen war, hat den Vorteil, daß das Kunstwerk allgemein zugänglich bleibt und findet sein Analogen in der Pacherschen Madonna in der Franziskanerkirche in Salzburg, deren heutige Verwendung am Hochaltar der Kirche gewiß den Vorzug vor einer musealen Verwahrung verdient. Auch ist die Ver mutung nicht von der Hand zu weisen, daß die Heiligenkreuzer Figur von Anfang an doch eine Madonna gewesen ist, vielleicht die einzige Marienfigur der Stiftskirche in Heiligenkreuz, ein bedeutendes plastisches Kunstwerk, welches in den Türkenstürmen seine Beschädigung erfahren haben und später durch G. Giuliani ,,rekonstruiert" worden sein könnte. Eine ähnliche Lösung wurde auch für das Problem der Madonnenstatue von Loosdorf gefunden. So schön die plastische Arbeit nach Entfernung aller Zutaten des 17. und 19. Jahrhunderts erschien, so war sie doch weder für museale noch für kultische Zwecke verwendbar. Durch das Abbeizen der mittel alterlichen Fassung war das Holz bei der Restaurierung des Jahres 1854 oder früher stark hergenommen worden, wodurch der museale Wert beträchtlich herabgemindert war. Die Rekonstruktion einer ikonographisch umschriebenen Gestalt durch Anfügung eines Attributes und Gestaltung einer neuen rechten Hand verbat sich von selbst. Der Denkmalpfleger kam zur Überzeugung, daß es das Beste wäre, dem gewachsenen Zustand zum Rechte zu verhelfen; die Figur war eben einem Schicksal unterworfen, das nicht mehr widerrufen werden kann. Die vorhandenen Teile wurden zusammengefügt, an Stelle der entfernten neugotischen Fassung eine schlichte farbige Behandlung in handwerklicher Art vor genommen. Die dem heutigen Geschmack wenig zusagende Krone des Jesusknaben wurde entfernt und für die Madonna eine Krone geschaffen, die nach Gutdünken der Pfarre mit der an und für sich gut wirkenden neubarocken Krone ausgewechselt werden kann. Im ganzen genommen hatte sich gezeigt, daß die durch das Schicksal bedingte Umwandlung der Figur eine Restaurierung nicht zuließ und daß der Konservierung des gewordenen Bestandes der Vorzug zu geben war. Diese beiden Fälle, welche als Ausnahmen gewertet sein wollen, zeigen, daß es wohl überlegt sein muß, wenn der überlieferte Zustand eines Kunstwerkes verändert werden soll. Die Erwähnung des endgültigen Ausganges dieser beiden Restaurierungsvorhaben war notwendig, da in dem seinerzeitigen Bericht noch an die Möglichkeit einer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gedacht worden ist.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2