Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

15. Palermo. Cappella Palatina, Detail aus dem Mosaik ..Petrus erweckt Tabitha", überarbeitet von Domenico Gaggini, 1460^ hat um 1480 dann auch lombardisch geschulte Krätte nach Ungarn berufen, wie die im Osttrakt des Schlosses zu Buda ausgegrabenen Reliefplatten erweisen (vgl. Acta Historiae Artium Acad. Scient. Hungaricae I, 1954). Der besterhaltene Renaissancebau Ungarns, die Baköcz-Kapelle an der Kathedrale von Esztergom (1506—1507) zeigt schon die reifen Formen des frühen Cinquecento, wobei sich wieder Toskanisches mit Lombardischem verbindet (vgl. Acta Hist. Art. Ac. Sc. Hung. III, 1956). In Polen durchläuft die Entwicklung ganz ähnliche Stadien, setzt jedoch erst um 1500 ein. Wieder ist ein Florentiner, der sich ,,Franciscus Italus murator" nannte, Wegbereiter des italienischen Kunstimportes (Wawelschloß in Krakau, ab 1502), während in der dekorativen Ausstattung der Jagellonen-Kapelle beim Krakauer Dom (erb. 1519—1530 unter Leitung des Bartholomeo Berecci aus Florenz) bereits die charakteristischen Stilmerkmale des Lombardi-Kreises überwiegen (vgl. Belvedere V, 1924, S. 166ff.). Zum fortifikatorischen und künstlerischen Ausbau des Kreml berief Großfürst Ivan III. in rascher Folse oberitalienische — meist mailändische — Architekten nach Rußland: 1474 Aristotele Fieravanti o (Abb. 13), 1481 Marco Ruffo, 1490 Pietro Antonio Solari (Abb. 14) und 1494 Aloisio da Milano, gen. Frjasin (= Italiener, Abendländer). Der ,,frjaskische Stil" der von diesen Meistern und ihren Werkleuten in Moskau errichteten Kathedralkirchen, Paläste und Torbauten bezeichnet eine aus altrussischbyzantinischen und lombardisch-renaissancistischen Elementen zusammengesetzte Formensprache. Gleichzeitig haben auch im westlichen Europa Comasken Fuß fassen können. Der Aufenthalt des vorher in Neapel tätigen Francesco Laurana am Hofe Renes I. von Anjou (gesichert 1461, 1466) ebnete ihnen die Wege nach Frankreich, wo sie im letzten Quattrocento-Drittel in vielen Städten zwischen Rhone und Alpen nachzuweisen sind, ohne jedoch eine allgemeine Vorherrschaft zu erlangen. Im beginnenden 16. Jahrhundert wanderten sie in Spanien ein (1510—1512 Dekorationen im Schloß La Calahorra unter Leitung von Michaele Carlone); Sevilla und Granada waren die Brennpunkte dieses lombardischen Kunstimportes, dessen Hauptanteil die Luganesen Pace und Bernardino Gaggini, Giovanni Antonio, Pietro und Antonio Maria di Aprile sowie Pier Angelo della Scala bestritten haben. Zahlreiche Kontrakte über die Lieferung von Prunkepitaphien für den Sevillaner Adel sind in Genua unterzeichnet worden, wobei die großen Bankhäuser der Cattaneo und Grimaldi als Vermittler fungierten. Der in Varenna gewonnene Überblick führt zwangsläufig zur Frage nach den Ursachen des so auffallend späten Eindringens italienischer Wanderkünstler nach Österreich und Deutschland. Ein erklärendes Argument liegt nahe: Hier, im örtlichen Zentrum der Spätgotik, war der Pulsschlag einer boden ständigen Entwicklungnoch ungebrochenund kräftiger als im östlichen RandgebietEuropas an oder 1 Prof. Meli erkannte in der Kuppelarchitektur des Hintergrundes motivische Anlehnungen an Brunelleschis Florentiner Dom kuppel (1420—1436; Zustand vor Aufbau der Laterne 1444—1467, Inkrustierung des Tambour-Oktogons 1451—1460 und Errichtung des Umganges über dem Kranzgesims 1508—1515). Die noch umstrittene Identität dieses Gaggini mit dem Brunelleschi-Schüler ,,Domenioo del Lagho di Logano" gewinnt damit ein neues Argument.

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