Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Stifterin, die ihm ja offenbar ein eigenes Heiligtum errichten wollte; und drittens die wahrscheinliche Herkunft unseres Bogeiifeldes von einem an der Westwand der Kaj^elle gelegenen Portal. Die sich hieraus ergebenden Folgerungen betreffen nicht nur die Ludwigskapelle selbst, sondern ebenso Lage und Aus maße des ersten, noch aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirchenbaues der Wiener Minoriten. Daß ein solcher tatsäch lich bestand, hat Donin nachgewiesen; ebenso ist es sehr wahr scheinlich, daß die Südwand dieses Baues an der gleichen Stelle lag, wo sich die analoge Außenmauer der heutigen Kirche erhebt^^. Seine Längs- und Breitenerstreckung möge aber doch geringer gewesen sein, als man bisher annahm; Donin (S. 237f.) ermittelt die Maße dieses Baues ja ausdrücklich in der Annahme, die Ludwigskapelle sei mit dessen Langchor identisch gewesen. Die von ihm solcherart erschlossene erste Kirche — er vermutet eine Basilika — hätte ungefähr jene Fläche eingenommen, die heute von Mittel- und Südschiff ihrer Nachfolgerin bedeckt wird — sie wäre also nur um etwa ein Drittel kleiner gewesen als diese. Damit aber hätte der Neubau im Grunde gar keine radikale Beseitigung der RaumVor allem durch die Lage der 1317 geweihten Johaimeskapelle belegt; vgl. Donin, »S. 237. not (die man meist als Hauptgrund für seine Errichtung anführt) bringen können, sondern in erster Linie einer An passung an die veränderte Baugesinnung des 14. Jahrhunderts gedient. Dies scheint wenig wahrscheinlich, und so bekräftigt auch diese Überlegung unsere Meinung, der erste Bau sei nur ein Provisorium relativ kleinen Ausmaßes gewesen, dessen West-Ost-Erstreckmig ein unmittelbares, chorartiges An schließen der Ludwigskapelle nicht unbedingt erforderte. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, den vielen Fragen nach zugehen, welche die dunkle und zugleich sehr fesselnde Bau geschichte des Wiener Minoritenklosters und seiner Kirchen an die Forschung stellt. Wohl aber mußten wir unsere Meinung, das besprochene Marientympanon stamme von der ehemaligen Ludwigskapelle, mit mehr- als bloßen Vermutungen belegen. Wenn unsere an diesen Punkt anknüpfenden Überlegungen zugleich dem Architekturhistoriker nützlich sein sollten, wäre dies ein schöner Beweis dafür, daß auch auf einzelne Objekte beschränkte SpezialUntersuchungen über ihre zunächst engen Grenzen hinauszuwirken vermögen. Siehe Nachtrag S. 1.50. G. Schmidt Abbildungsnachweis: Bildarchiv der Österreichischen Natio nalbibliothek: Abb. 157. ZUM JOHANN BERNHARD FISCHER VON ERLACH-SCHRIFTTUM IM JUBILÄUMSJAHR 1956—1957 Österreich hat die Wiederkehi' des 300. Geburtstages seines größten als historische Persönlichkeit faßbaren Architekten, des kaiserlichen Oberinspektors sämtlicher Hof- imd Lust gebäude, Johann Bernhard Fischer von Erlach (geb. vor dem 20. Juli 1656 in Graz, gest. am 5. April 1723 in Wien), in würdiger Form und unter beachtlichem Einsatz an geistigen und materiellen Kräften auf dreifache Weise gefeiert: Erstens hat das Bundesdenkmalamt, insbesonders die damit unmittelbar befaßten Landeskonservatoren in Wien, Nieder österreich, Steiermark und Salzburg, sich offensichtlich und mit Erfolg bemüht, eine große Anzahl von Fischers Werken bis zum Jubiläumsjahr instand zu setzen. Zweitens gelang es nach Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten, die auch zu Terminverzögerungen führten, der eigens für diesen Zweck gegründeten Johann Bernhard Fischer von Erlach-Gesellschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Handel und Wieder aufbau und des Bundesministeriums für Unterricht eine umfassende Fischer von Erlach-Gedächtnisausstellung zu stande zu bringen; und drittens fand die erneute, intensive Beschäftigung mit dem Leben und Werk Fischers von Eilach in mehreren bedeutenden Veröffentlichungen in Buchform und in einer Reihe von Aufsätzen und Besprechungen ihren wissen schaftlichen Niederschlag. Über die Arbeiten der Denkmalpflege an Bauten Johann Bernhard Fischers von Erlach berichtet zusammenfassend O. Demus®* in der Österreichischen Zeitschi'ift für Kunst und * Die hochgestellten Ziffern beziehen sich auf die Nummern im anschließenden Schrifttumsverzeichnis. Denkmalpflege, 1957. Dem instruktiven Bericht, der eine Übersicht über die letzten 50 Jahre gibt, sind 22 Abbildungen und zahlreiche Hinweise auf das einschlägige Schrifttum bei gefügt. Das Beiblatt zum Katalog der Fischer von ErlachAusstellung in Salzburg, in welchem Th. Hoppe^^ die Arbeiten der Denkmalpflege an den Salzburger Werken Fischers zusammengefaßt hat, wird nicht erwähnt. Die mit großem Erfolg im Spätherbst 1956 in Graz, im Frühjahr 1957 in Salzburg und im Sommer in Wien gezeigte Fischer von Erlach-Ausstellung — sie geht anschließend nach München, Stuttgart und Zürich — hat, abgesehen von den Besprechungen in der Tagespresse, kritische Würdigungen durch H. Reuther (Das Münster, 1957; Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 1957)®^' und H.Keller (Kunstchronik, 1957)®® gefunden. Zu den E'ragen der wissenschaftlichen Planung der Ausstellung selbst hat H. Aurenhammer, dem der innere Auf bau der Ausstellimg und vor allem der Katalog, der weiter unten besprochen werden wird, zu danken ist, Stellung genommen (Mitteilungsblatt der Museen Österreichs, 1956)®. Unter den wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Buch form ist an die erste Stelle die große Monographie von Hans Sedlmaju'® zu setzen. Mit diesem schon format- und aus stattungsmäßig großangelegten Werk zieht der derzeitige Ordinarius in München die Summe aus einer dreißigjälirigen Beschäftigung mit einem zentralen Thema des österreichischen Barocks. Aber nicht sosehr dadurch, daß in diesem Werk die Fülle des Wissens um Leben, Werk und kunsthistorische Ein ordnung des großen Architekten gesammelt ist, scheint mir 15 Denkmalpflege

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