Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Salomonis gegeben und das Stifterpaar (mit Kirchenmodell) höchst unscheinbar in der rechten unteren Ecke dargestellt. Trotz gemüthafter Züge, die auch hier nicht fehlen (das Lächeln der Tugenden oder die Kostümierung des Christkindes mit einem Dominikanerhabit), bleibt doch die große Distanz fühlbar, welche zwischen den Stiftern und der Gottesmutter liegt. Es ist charakteristisch für die Lösungen des späteren 14. Jahrhunderts, daß sie diese Distanz immer mehr vermindern; zunächst wird im Rahmen andachtsbildartiger Darstellungen eine immer stärkere Annäherung erreicht^^, bis schließlich die anachronistische Einbeziehung der Stifter auch in historische Szenen aus dem Leben Christi, Mariae oder der Heiligen möglich sein wird. Zugleich fällt auf, daß die Stifter aus dem Bogenfeld heraus und auf den Betrachter blicken; ihre Kopfwendung ist entschiedener als die der im Halbprofil gegebenen Engel. Dadurch wird der Eindruck intimer Anbetung, der doch hier im übrigen ganz offenbar angestrebt wurde, wieder bis zu einem gewissen Grade aufgehoben. Dieser Widerspruch erklärt sich aus dem Sinn der Kopfwendung, die eine Beziehung zwischen den Stiftern und den Besuchern ,,ihrer" Kirche herstellt; diese werden gleichsam von jenen empfangen und zugleich zur Nachahmung ihres Beispieles, nämlich zur Anbetung Mariae, aufgefordert. Die Wurzel einer derartigen, dem zentralen ,,Andachts-Motiv" behutsam integrierten Selbstverherrlichung der Stifter liegt zweifellos im erwachenden individuellen und dynastischen Selbst bewußtsein des späten Hochmittelalters. Dieses manifestiert sich zunächst in den vollplastischen Figuren der Gründer und Donatoren, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts an den Portalgewänden und in der Binnenplastik (Naumburg) gleichberechtigt neben die Heiligen treten, wird aber im 14. Jahrhundert häu fig ™ jener Form ausgedrückt, die — wie unser Beispiel — Repräsentation und Devotion verbindet^®. Die in unserem Bogenfeld vorliegende Lösung verbindet also traditionelle und zukunftweisende Elemente: Die kultbildartige, von Engeln gekrönte Madonna ist aus älteren westlichen Vorstufen abzuleiten und weist zugleich auf jene Tympana des mittleren 14. Jahrhunderts voraus, die ein reines Andachtsbild in den Mittelpunkt stellen werden (vgl. Anm. 22); das Stiftermotiv seinerseits wird zwar in einer sehr modernen, verinnerlichten Form vorgetragen, bewahrt aber doch noch Spuren jener repräsentativen Haltung, die dem monumentalen Stifterportal des 13. Jahrhunderts eigen war. Die verschiedenen französischen Anregungen, auf die wir im einzelnen hingewiesen haben, können in einer Epoche, da die Habsburger besonders enge dynastische Beziehungen zum Westen pflegten, nicht weiter wundernehmen. Hingegen dürfen wir den gemüthaften Gesamtcharakter des Bogenfeldes wohl als spezifisch süddeutsch ansprechen; er entspricht in hohem Maße den ganz ebenso auf zarte Verinnerlichung gerichteten Stiltendenzen, die sich hier im frühen 14. Jahrhundert beobachten lassen. Ausgangspunkt dieser ganzen Richtung scheint zunächst der Oberrhein gewesen zu sein, wo man (in Freiburg und Basel) das betont ,,asketische", den Ausdruck übersteigernde Vorbild der Straßburger Propheten, Tugenden und Jungfrauen nach und nach ins Anheimelnde und Liebliche übersetzt hatte. Das an unserem Relief so fühlbare Nachlassen der plastischen Energie schließlich, das trotz unleugbarer Fülle doch keine räumliche Ausstrahlung mehr zuläßt, sondern nur noch die Ausbildung einer flach profilierten Schauseite anstrebt, läßt sich im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts allenthalben belegen. Allerdings wird man zögern, unser Beispiel einer spezifisch wienerischen Stilentwicklung ein zuordnen. Weder zu der Klosterneuburger Madonna und ihrer Nachfolge^« noch zu der Chorplastik von St. Stephan^® bestehen unmittelbare und überzeugende Beziehungen. Die nächsten Verwandten des " Vgl. den Türstein des Würzburger Bürgerspitals (Mitte des 14. Jahrhunderts), wo eine Gnadenstuhl-Trinität sowohl von den Figuren der Deesis (Maria und Johannes d. T.) als auch von einem Stifterpaar angebetet wird (W. Finder, Die deutsche Plastik des 14. Jahi'hunderts, München 1925, Taf. 4.5), oder die eigenartige Darstellung über dem Friedhofsportal von Maria-Schnee in Prag (um 1360, Abb. bei J. Opitz, Die Plastik in Böhmen zur Zeit der Luxemburger, I, Prag 1936, S. 8). Hier nehmen die Stifter an einer Marienkrönung teil, aus der ein Gnadenstuhl gleichsam herauswächst. Vgl. ferner zwei schlesische Beispiele um 1350: das Tympanon der Breslauer Kreuzkirche (Gnadenstuhl und Stifter) und jenes der Schloßkapelle zu Lüben (Schmerzensmann und Stifter), beide bei A. Grisebach u. a., Die Kunst in Schlesien (Berlin 1927), Abb. 21, 96. So die in Anm. 22 angeführten Beispiele oder das in den Gewänden knieende und die zentrale Pfeilermadonna anbetende Herzogspaar an Sinters Portal der Karthause von Champmol. Daneben lebt freilich auch die stehende Stifterfigur weiter: vgl. die ,,Herzogsportale zu St. Stephan in Wien oder die Statuen Karls V. und seiner Gemahlin im Louvre, die aus dem Hospice des Quinze-Vingts stammen. Zu dieser zählt man namentlich einige Statuen aus Wiener Neustadt (vgl. K. Garzarolli, Mittelalterliche Plastik in Steier mark, Graz 1941, S. 24f., Taf. 12—14). Siehe Österr. Kunsttopogr. Bd. 23 (Wien 1931), S. 235ff., und Ernst/Garger, Die früh-und hochgotischo Plastik des Stephans doms (München o. J.).

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