Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Links: 144. Ausschnitt aus Abb. 142, linke Hälfte des Bogenfeldes Unten: 145. Regensburg, Dom, Verküiidigungsaltar. Gabriel (Detail) 4 in das dritte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, vielleicht dürfte man sogar — aus den erwähnten Baudaten — auf eine Anfertigung um 1325—1328 schließen. Ikonographisch sind an diesem Tympanon zwei Motive bemerkenswert: einmal die im Mittelpunkt thronende und von Engeln verehrte Madonna, dann aber auch das an dieser Verehrung teilnehmende Stifterpaar. Hinsichtlich der Madonna wird man an den analogen Typus vollplastischer Kultbilder denken müssen, der gerade zu Beginn des 14. Jahrhunderts in unseren Gebieten Eingang fand und dessen bemerkenswertestes erhaltenes Beispiel die um etwa zwanzig Jahre ältere ,,Iilosterneuburger Madonna darstellt. Die Vorstufen dieses Typus in Frankreich und Südwestdeutschland sind bekannt, und auch sein Nachleben in einigen der Chorplastiken von St. Stephan zu Wien wurde schon aus führlich untersucht^". Die Spezifizierung des Typus als ,,Vogelmadonna" entspricht der Tendenz des späten 13. und des frühen 14. Jahrhunderts, die psychologische Beziehung zwischen der Mutter und dem göttlichen Kind durch Einführung eines symbolisch-bedeutungsvollen ,,Spielzeuges" (Apfel, Blume, Vogel) zu motivieren. Das Vogelmotiv als solches weist nach dem Westen, besonders nach Nordfrankreich und England, wo es seit etwa 1300 nachweisbar ist^'^. Ob schon die Klosterneuburger Figur das Vogelmotiv aufgriff, ist nicht mit Sicherheit zu sagen; jedenfalls tritt es uns auf einem Siegel des dortigen Propstes Stephan von Sierndorf (1317—1335) entgegen^^. Wenig später begegnet es uns neuerlich an der sitzenden Mutter Anna im Nordchor von St. Stephan, wobei hier (wie an unserem Bei spiel) die Mutter den Vogel hält, während das Sierndorf-Siegel den flatternden Vogel rechts neben dem stehenden Kind auf der Kante des Thronsitzes zeigte. Vgl. R. Emst, Die Klosterneuburger Madonna (Belvedere 5, 1924/1, S. 97ff., sowie als Sonderdruck, Wien o. J.). die (unpublizierte) Statuette im Musee lapidaire zu Reims, die sehr ähnliche Miniatur im Psalter des Robert de Lisle (Bntish Museum, Arundel Ms. 83; abgebildet bei Millar, La miniature Anglaise du 14® et du 15® siede, Paris-Bruxelles 1928, pl. 10), sowie die Elfenbeinstatuetten Koechlin Nr. 86 und 125 (R. Koechlin, Les ivoires gothiques Frangais, Paris 1924). Sämt liche Beispiele vom Anfang des 14. Jahrhunderts. Abgebildet bei Ernst, a. a. O. Ernst glaubt in dem Siegelbild eine Kopie der Statue erkennen zu dürfen, was angesichts der Häufigkeit von Madonnen-Siegeln und ihrer typologischen Variationsbreite kaum zulässig erscheint. Auch seiner Datierung der Statue in das 2. Jahrzehnt wird man sich kaum mehr anschließen können, seitdem das (nur in Abbildungen erhaltene) Grabmal der Herzogin Bianca (flSGä) als Werk des gleichen Meisters erkannt wurde (vgl. K. Oettinger, Das Wienerische in der bildenden Kunst, Salzburg 1948, S. 43).

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