Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Störung, der durch das 19. Jahi'hundert geprägte Zustand der Kirchen, in dem sie sich vor der Katastrophe befanden, und schließlich die Forderung der Seelsorge, den Kirchen ihren ,.Gebrauchswert" in vollem Umfang wieder zu verleihen, haben Tempo und Gang des Wiederaufbaues bestimmt. Der ,,Gebrauchswert" war in vielen Fällen sogar zu erhöhen, da die Gelegenheit benutzt wurde, um Heizungsanlagen einzubauen und andere technische Einrichtungen zu ver bessern oder neu einzuführen. Der Totalverlust der meisten Einrichtungen erforderte ferner den Aufbau neuer Altäre und Kanzeln, kurz die Schaffung neuen Kirchenmobiliars, neuer Fenster, neuer Gemälde, Plastiken, Geräte, was eine weit gehende Beteiligung der zeitgenössischen Kunst beim Wieder aufbau bedingte. Unter diesen Voraussetzungen haben die meisten der Kirchen ihre innere und äußere Erscheinung völlig verändert. Der Schock ist bei jenen Tagungsteilnehmern, deren Er innerung sich auf das Jahr 1939 stützte, nicht ausgeblieben. Er konnte auch gar nicht ausbleiben, da viele Maßnahmen mit der geläufigen Auffassung einer denkmalpflegerischen Tätigkeit nicht in Einklang zu bringen schienen. Die Spannung ließ nach, sobald man sich über den Umfang des Schadens und über den Zustand vor der Zerstörung Rechenschaft gegeben hatte. Dieser Zustand hatte vielfach mit dem ursprünglichen gotischen oder romanischen Zustand nur mehr die Form gemein. Die Erneuerungen des 19. Jahrhunderts hatten die historisch gewordenen Oberflächen längst beseitigt und an die Stelle der Originale oft deren Abbild gesetzt. Der Denkmal pfleger, dessen Ideal der Erhaltung jedes ursprünglichen Zustandes gilt, gerät angesichts dieser Situation aus dem Konzept, weil ihm das gewohnte Objekt fehlt. Die Situation ist in der Tat mehr als kompliziert (sie war es bei diesen Denk mälern schon vor dem Kriege) und es ist ebenso schwierig, ihr in der Beurteilung der denkmalpflegerischen Konsequenzen gerecht zu werden. Es ist W. Bader unbedingt zuzustimmen, wenn er die Aufgabe in der Erhaltung der Idee sieht; die Idee erscheint jedoch dem, der nicht selbst in den Pro blemen steckt und sie im Laufe der Jahre täglich durchdacht hat, durch die Vielfältigkeit der Gestaltungsversuche ver schleiert und muß über neuen Musikemporen, neuen Decken und Fenstern, neuen Einzelheiten der Architektur und der Einrichtung immer wieder luid aufs neue ins Bewußtsein gerufen werden. Die Berirteilung der denkmalpflegerischen Tat wird erschwert, weil zuerst das ästhetische Urteil heraus gefordert und im Widerstreit der Empfindungen sodann die positive Seite — eben die denkmalpflegerische — leicht übersehen wird. Die technischen Leistungen verdienen — von der komplizierten Sicherung des nördlichen Pfeilers im Dekagon zu St. Gereon bis zur Freilegung des Westwerkes von St. Pantaleon — uneingeschränkte Bewunderung. Die Ausfüh rungen des bewähi'ten Statikers Oberbaurat Dr. Schorn enthielten auch zahlreiche Einzelheiten über mittelalterliche Bautechniken, die besonders dankbar aufgenommen wurden. Die lesenswerte Abhandlung R. Wesenbergs im obzitierten Band des Jahrbuches über den Verputz der Kirche von Schwarzrheindorf, wird über kurz oder lang auch füi' die Kölner Kirchen Aktualität erlangen^. Als Lösung, die keinen Wunsch übrig läßt, wurde die Adaptierung der Oäcilienkirche ^ R. Wesenberg, Zur Wiederherstellung des Äußeren der Kirche zu Schwarzrheindorf. Über das Verhältnis von Putz, Wandgliederung und Bauzier, op. cit. S. 16ff. — Ferner: r W/i /Mim'M 125. Köln, 8t. Aposteln, Langhaus nach dei'Wiederherstolluiig zur Aufnahme der Sammlungen des iSchnütgen-Museums empfunden, während die Anlehnung der Halle des neuen Gürzenich an die nackten Ziegelmauern der St. AlbansKirchen-Ruine nur geteilte Zustimmung fand. Daß der Einfall der Architekten höchst originell ist und dem alten wie dem neuen Bauwerk durch die Beziehung aufeinander gewisse Reize abgewonnen wurden, kann nicht bestritten werden. Dem denkmalpflegerischen Grundsatz, bestimmte Ergän zungen nicht in historischer Weise zu tarnen, sondern sie auch im künstlerisch-stilistischen Bereich als der Gegenwart angehörig in Erscheinung treten zu lassen, folgte Dombau meister W. Weyres bei den Instandsetzungen der Bauplastik am Kölner Dom. >So richtig der Grundsatz auch zu sein scheint: die im vorliegenden Fall entstehenden Konsequenzen führen zu einer Art Horror vacui; nichts rvird im Laufe der Zeit ,,unfertig" bleiben'. Ähnlich der Eindruck, den der Besuch des ehrwürdigen Aachener Münsters hinterließ. Bewunderungswürdig, wie über all im Rheinland, die Aufbauleistung; die ungeheure Energie, der Einsatz außerordentlichen historischen und technischen Wissens, ganz abgesehen vom finanziellen Einsatz, mit denen die Leistung vollbracht worden ist. Von hohem Interesse die Publikation des verstorbenen Dombaumeisters J. Buchkremer H. Beseler, Der Wiederaufbau der Kölner Kirchen 1953 bis 1956, op. cit. 8. ISSff. ' W. Weyres, Wiederherstellungsarbeiten am Kölner Dom, op. cit. 8. 143ff.

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