Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

BERICHTE EIN KELCH J. KANISCHBAUERS NACH ENTWURF DES ÄLTEREN FISCHER VON ERLACH? Unter den liturgischen Gefäßen des Stiftes St. Lambrecht fällt ein Kelch in Form und Schmuck aus dem gewohnten Schema heraus. Er besitzt neben dem Wiener Beschauzeiohen von 1695 das Meisterzeichen IK B, das ihn als Werk des Wiener Goldschmieds Johann Kanischbauer er kennen läßtt (Abb. 184). Daß es sich um diesen Meisterhandeln müsse, vermutete ich schon aus besonderen Gründen, die aus seiner Tätigkeit für den Hochaltar in Mariazell abzuleiten sind. Er befand sich unter der Schar von Künstlern, deren sich Fischer bei der Erbauung dieses großen Werkes bediente, und es war ihm die Verfertigung einer silbernen Engelstatue zugefallen^. Da Kanischbauer hiezu bereits eine über den Wert der Statue hinausgehende Summe in Geld und Silber erhalten hatte, mußte er den Überrest nach und nach zurück erstatten. Er war jedoch genötigt, einen Teil davon in Ware abzugelten und übergab dem Abte Franz von St. Lambrecht als Bauherrn im Jahre 1700 einen Kelch im Werte von SOOfl. Da das Stift sonst keinen Kelch Kanischbauers besitzt, liegt es nahe, daß der eine vorhandene mit dem erwähnten identisch ist. Daß es sich nicht um einen alltäglichen Kelch handelt, ergibt sich aus seiner künstlerischen Aufmachung, die ins besondere in der großen Zahl der verwendeten Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament zum Ausdruck kommt. Der Sechspaßfuß ist fast vollkommen bedeckt mit je sechs in den Fuß selbst getriebenen bzw. ihm aufgelegten Reliefs. Die auffällig hohen Wölbungen des Fußes werden von sechs Vorbildern des Erlösungswerkes, namentlich der Eucharistie und ihrer Wirksamkeit, nach bekannten Szenen aus dem Alten Testament eingenommen. Zwischen den einzelnen Bildern ist als Trennungslinie je eine silberne Perlenschnur verwendet, während oberhalb ein durchbrochener Steg den Fuß horizontal durchschneidet, wobei sich letzterer nach oben hin verflacht und sechs weitere Silberappliken mit Reliefdarstellungen aus dem Neuen Testament aufweist. Diese sind mit je einer Kar tusche gerahmt, die, in Laubwerk sich fortsetzend, zum Schaft überleitet (Abb. 185). Der Schaft samt dem flachen Nodus ist in altertümelnder Weise mit den Namen JESVS und MARIA und sechs Engelköpfchen verziert. Ein geschlossenes Kunstwerk für sich ist der Cuppakorb, dessen Gestaltung der anderer Kelche der Zeit gleicht. Um rahmt sind die drei Reliefbilder mit je einer Kartusche, die an den Flanken von je einem Engel gehalten wird (Abb. 186). Es wurde schon im angeführten Bande der Österreichischen Kunsttopographie darauf hingewiesen, daß an dem Kelch die konservative Form des Aufbaues und teilweise auch der ' O. Wonisch, Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes St. Lambrecht (Österreichische Kunsttopographie XXXI), S. 102, Nr. 5. — H. Tietze in Thieme-Becker, Allgemeines Künstlerlexikon, 19, S. 421. — Rosenberg, der Goldschmiede Merkzeichen, 2. Aufl., 5133. — Das Petschaft Kanischbauers an einigen Originalquittungen des Meisters im .Stiftsarchiv St. Lambrecht zeigt die gleiche Buchstabenteilung: I K B. ^ O. Wonisch, Der Hochaltar J. B. Fischers von Erlach in Mariazell, in: St. Lambrechter Quellen und Abhandlungen I, 1, S. 72ff., besonders S. 78. Dekoration für den Ausgang des 17. Jahrhunderts auffällig ist. Dies ist für die Beurteilung der rms gestellten Frage wichtig, da der Kelch in dieser späten Zeit wohl als schon früher ent standenes Meisterstück des Kanischbauer verstanden wei-den kann. Daß es ein solches sein konnte, beweisen die Umstände, daß der Künstler im Jahre 1696 Meister wurde® und daß er den Kelch noch im Jahre 1700 vergeben konnte; man darf daraus schließen, daß der Kelch nicht auf Bestellung gemacht worden war. Die Fähigkeiten des jungen Kanischbauer wurden von Fischer gewiß frühzeitig erkannt, sonst hätte er ihn nicht schon so bald zu seinem Mitarbeiter am Mariazeller Hochaltar berufen. 1696 stellt der neue Meister auch schon eine Quittung für empfangenes Silber zu dem bestellten Engel aus, den er 1698 fertigstellte. Fischer und Kanischbauer scheinen öfters zusammengearbeitet zu haben. So kann nach der Meinung H. Tiotzes angenommen werden, daß jener den Entwurf für die berühmte Monstranz Kanischbauers im Schatze von ® Thieme-Becker, a. a. O. r ßrjt184. Stift St. Lambrecht, Kelch von Kanischbauer, 1695

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