Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

DIE MITTELALTERLICHE BAUFORSCHCNG IN POLEN Von Zygmunt Swiechowski In ganz Europa sind im letzten Jahrzehnt die Forschimgen zur Baukunst des frühen und hohen Mittelalters intensiviert worden. Auch in Polen sind Entdeckungen gelungen, die den Kreis der Denkmäler bedeutend erweitert haben^. Die polnischen Ergebnisse unterscheiden sich vom Großteil der in Mittel- und Westeuropa gemachten Entdeckungen dadurch, daß die zutage getretenen Bauwerke Lösungen darstellen, die entweder für unser Land neu oder viel reicher ausgestaltet sind als die bisher bekannten, wodurch die Auffassung über Charakter und Bedeutung der frühesten Monumentalbaukunst unserer Heimat eine grundsätzliche Wandlung erfährt. Die Möglichkeiten, Forschungsarbeiten durch zuführen, waren auch in Polen, genau so wie in vielen anderen europäischen Ländern, durch Kriegs verwüstungen gegeben. Neben manchen sich aus der Baunotwendigkeit ergebenden, somit zufälligen Entdeckungen gab es viele Funde, die dank der verschärften Aufmerksamkeit der Leiter der Aufbau arbeiten zustande kamen. Mit den Arbeiten des Wiederaufbaus konnten auch besondere Forschungen verbunden werden. Die Wiederaufnahme der einige Jahre hindurch fachmäßig geführten Ausgrabungen und, nach deren Beendigung, eine dauernde Sicherstellung der aufgefundenen lf,elikte zur weiteren Erforschung wurde an zahlreichen Orten ermöglicht^, und zwar dank dem Verständnis, das die General direktion für Museumswesen und Denkmalschutz den Denkmälern der mittelalterlichen Baukunst entgegenbrachte, sowie durch die tätige Mitarbeit des Komitees zur Erforschung der Anfänge des polnischen Staates, das in sich Vertreter der Geschichts- und Altertumsforschung vereinigt. Gleichzeitig wurde eine Bestandsaufnahme der romanischen Baudenkmäler begonnen. Die Generaldirektion für Museumswesen und Denkmalschutz gab als Ergebnis dieser Maßnahme bisher zwei Bände mit der Zusammenstellung des historischen Quellenmaterials, einer ausführlichen Beschreibung sowie mit Vermessungs- und photographischen Aufnahmen heraus®. Der Umstand, daß die rasche Zusammenstellung eines solchen Urkundenmaterials für alle Denkmäler unmöglich war, hat den Verfasser zur Vorbereitung eines gekürzten Verzeichnisses veranlaßt. Erscheinen wird dieser Katalog dank der hervorragenden Hilfe des Instituts für Geschichte der materiellen Kultur an der polnischen Akademie der Wissen schaften als Nachfolger der Komiteeleitung zur Erforschung der Anfänge des polnischen Staates. In der vorliegenden Berichterstattung wurde das während der Inventarisationsarbeiten noch eingegangene Material berücksichtigt. Die vorromanische Baukunst. Bis vor kurzem gehörten Denkmäler der vorromanischen Bau kunst in Polen zur Seltenheit. Bekannt waren nur der im Jahre 1917 auf dem Wawelschloß zu Krakau (Krakow) entdeckte Tetrakonchos sowie die Zentralkapelle auf dem Oströw Lednicki. Zu diesen gesellten sich noch weitere Objekte in Krakau, Teschen (Cieszyn), Posen (Poznan), Trzemeszno und Giecz. Die im Jahre 1955 erfolgte Festlegung des ursprünglichen Planes der St. Salvator-Kirche zu Krakau (Krakow) gehört wohl zu den interessantesten Ergebnissen (Abb. 106 d). Die archäologischen Forschungen haben die eindrucksvolle Wiederherstellungshypothese von J. Hawrot^ vollauf bestätigt. Es hat sich gezeigt, daß der rechtwinkelige Chor der gegenwärtigen einschiffigen Kirche ehemals den Chor einer größeren Anlage gebildet hat. An seinen Seiten befanden sich zwei rechtwinkelige, etwas zurückgenom mene Räume, die mit dem Chor durch zwei schlanke Arkadenöffnungen mit stark betonten Kämpfern und Biforien verbunden waren. Die weiteren Forschungen werden vielleicht feststellen lassen, ob sich in der Westpartie, die einen fast quadratischen allgemeinen Grundriß aufweist, noch weitere Arkaden befanden und ob sie auch das Gepräge eines Einraumes hatte. In der Erwägung, daß der festgestellte Typus der Raumanordnung in Westeuropa zur Zeit der Karolinger verbreitet war und erst im späten ^ Über die Forschungsergebnisse der fünf ersten Nachkriegs jähre berichteten J. Zachwatowicz, Nowe odkrycia w dziedzinie architektury romahskiej w Polsce: Ochrona Zabytkow 1, 1948, 14—27. — Ders., Nowe odkrycia w dawnej architekturze: Architektura 4, 1949, 239—242. —■ Z. Öwiechowski, Polska architektura romahska w swietle nowych odkryc: Architektura 6, 1951. 2 Mit großem Aufwand wurden die Eisenbetondecken über den Überresten der ältesten vorromanischen und romanischen Bauten der Kathedralen in Poznan und Wroclaw aufgebaut sowie in der ehemaligen Klosterkirche zu Trzemeszno. ® Z. Swiechowski, Koscielec Opatöw. Warszawa 1954. — Ders., Architektura na SHsku do polowy XIII wieku, Warszawa 1955. ^ J. Hawrot, Odkrycie w kosciele sw. Salwatora w Krakowie: Kwartalnik Historii i Teorii Architektury 1, 1956, H. 2 (in Druck). Ausführlicher Bericht über die bisherigen Grabungen, ausgestattet mit einer erschöpfenden Dokumentation. 11 Denkmalpilege

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