OSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR RUNST UND DENKMALPFLEGE t % IM X. JAHRGANG • 1956 • HEFT 3/4 • HERAUSGEGEBEN VOM ÖSTERREICHISCHEN BUNDESDENKMALAMT VERLAG VON ANTON SCHROLL 6< CO • WIEN-MÜNCHEN
ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE (Jahrgang 1/1947—V/1951 ist als „Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege" erschienen) In Nachfolge der einstigen „Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien" Herausgeber: Österreichisches Bundesdenkmalamt • Redakteure: Otto Demus und Walter Frodl X. JAHRGANG 1956/HEFT 3/4 INHALT Zygmunt Swiechowski: Die mittelalterliche Bauforschung in Polen / Waltee Feodl: Die romanischen Wandgemälde in der Stiftskirche am Nonnherg in Salzburg / Josef Zykan : Die Fresken der Pfarrkirche Michelstetten, N.-Ö. / Uleioh Ocherbauer; Zur Innenrestaurierung des Mausoleums in Graz / Egon Krauss und Norbert Wibiral: Die Orgel der Stiftskirche zu Waldhausen, O.-Ö. / Waltraud Blauensteiner; Die Restaurierung des Prunksaales der Nationalbibliothek / Siegfried Troll; Peter Krafft und die Universitätskirche in Wien / Otto Demus: Gefährdete Denkmale ,,Die Apsidenfresken des Gurker Domes" / Othmar WoNiscii; Ein Kelch J. Kanischbauers nach Entwurf des älteren Fischer von Erlach? / Erwin Heinzle: Denkmalpflege im Jahre 1955 in Vorarlberg / Siegfried Hartwagnbk; Neue Beiträge zur Baugeschichte der Pfarrkirche von Kötschach im Gailtal / E. Frodl-Kraft : Mittelalterliche Glasmalerei / Buchbesprechungen Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften Es wird gebeten, Einsendungen an die Redaktion der Zeitschrift im Bundesdenkmalamt, Wien I, Hofburg, Schweizerhof, Säulenstiege, zu richten Bezugspreis: Jährlich 4 Hefte S 80.—. Anzeigenannahme durch den Verlag • Printed in Austria VERLAG VON ANTON SCHROLL & CO. IN WIEN V., SPENGERGASSE 37
DIE MITTELALTERLICHE BAUFORSCHCNG IN POLEN Von Zygmunt Swiechowski In ganz Europa sind im letzten Jahrzehnt die Forschimgen zur Baukunst des frühen und hohen Mittelalters intensiviert worden. Auch in Polen sind Entdeckungen gelungen, die den Kreis der Denkmäler bedeutend erweitert haben^. Die polnischen Ergebnisse unterscheiden sich vom Großteil der in Mittel- und Westeuropa gemachten Entdeckungen dadurch, daß die zutage getretenen Bauwerke Lösungen darstellen, die entweder für unser Land neu oder viel reicher ausgestaltet sind als die bisher bekannten, wodurch die Auffassung über Charakter und Bedeutung der frühesten Monumentalbaukunst unserer Heimat eine grundsätzliche Wandlung erfährt. Die Möglichkeiten, Forschungsarbeiten durch zuführen, waren auch in Polen, genau so wie in vielen anderen europäischen Ländern, durch Kriegs verwüstungen gegeben. Neben manchen sich aus der Baunotwendigkeit ergebenden, somit zufälligen Entdeckungen gab es viele Funde, die dank der verschärften Aufmerksamkeit der Leiter der Aufbau arbeiten zustande kamen. Mit den Arbeiten des Wiederaufbaus konnten auch besondere Forschungen verbunden werden. Die Wiederaufnahme der einige Jahre hindurch fachmäßig geführten Ausgrabungen und, nach deren Beendigung, eine dauernde Sicherstellung der aufgefundenen lf,elikte zur weiteren Erforschung wurde an zahlreichen Orten ermöglicht^, und zwar dank dem Verständnis, das die General direktion für Museumswesen und Denkmalschutz den Denkmälern der mittelalterlichen Baukunst entgegenbrachte, sowie durch die tätige Mitarbeit des Komitees zur Erforschung der Anfänge des polnischen Staates, das in sich Vertreter der Geschichts- und Altertumsforschung vereinigt. Gleichzeitig wurde eine Bestandsaufnahme der romanischen Baudenkmäler begonnen. Die Generaldirektion für Museumswesen und Denkmalschutz gab als Ergebnis dieser Maßnahme bisher zwei Bände mit der Zusammenstellung des historischen Quellenmaterials, einer ausführlichen Beschreibung sowie mit Vermessungs- und photographischen Aufnahmen heraus®. Der Umstand, daß die rasche Zusammenstellung eines solchen Urkundenmaterials für alle Denkmäler unmöglich war, hat den Verfasser zur Vorbereitung eines gekürzten Verzeichnisses veranlaßt. Erscheinen wird dieser Katalog dank der hervorragenden Hilfe des Instituts für Geschichte der materiellen Kultur an der polnischen Akademie der Wissen schaften als Nachfolger der Komiteeleitung zur Erforschung der Anfänge des polnischen Staates. In der vorliegenden Berichterstattung wurde das während der Inventarisationsarbeiten noch eingegangene Material berücksichtigt. Die vorromanische Baukunst. Bis vor kurzem gehörten Denkmäler der vorromanischen Bau kunst in Polen zur Seltenheit. Bekannt waren nur der im Jahre 1917 auf dem Wawelschloß zu Krakau (Krakow) entdeckte Tetrakonchos sowie die Zentralkapelle auf dem Oströw Lednicki. Zu diesen gesellten sich noch weitere Objekte in Krakau, Teschen (Cieszyn), Posen (Poznan), Trzemeszno und Giecz. Die im Jahre 1955 erfolgte Festlegung des ursprünglichen Planes der St. Salvator-Kirche zu Krakau (Krakow) gehört wohl zu den interessantesten Ergebnissen (Abb. 106 d). Die archäologischen Forschungen haben die eindrucksvolle Wiederherstellungshypothese von J. Hawrot^ vollauf bestätigt. Es hat sich gezeigt, daß der rechtwinkelige Chor der gegenwärtigen einschiffigen Kirche ehemals den Chor einer größeren Anlage gebildet hat. An seinen Seiten befanden sich zwei rechtwinkelige, etwas zurückgenom mene Räume, die mit dem Chor durch zwei schlanke Arkadenöffnungen mit stark betonten Kämpfern und Biforien verbunden waren. Die weiteren Forschungen werden vielleicht feststellen lassen, ob sich in der Westpartie, die einen fast quadratischen allgemeinen Grundriß aufweist, noch weitere Arkaden befanden und ob sie auch das Gepräge eines Einraumes hatte. In der Erwägung, daß der festgestellte Typus der Raumanordnung in Westeuropa zur Zeit der Karolinger verbreitet war und erst im späten ^ Über die Forschungsergebnisse der fünf ersten Nachkriegs jähre berichteten J. Zachwatowicz, Nowe odkrycia w dziedzinie architektury romahskiej w Polsce: Ochrona Zabytkow 1, 1948, 14—27. — Ders., Nowe odkrycia w dawnej architekturze: Architektura 4, 1949, 239—242. —■ Z. Öwiechowski, Polska architektura romahska w swietle nowych odkryc: Architektura 6, 1951. 2 Mit großem Aufwand wurden die Eisenbetondecken über den Überresten der ältesten vorromanischen und romanischen Bauten der Kathedralen in Poznan und Wroclaw aufgebaut sowie in der ehemaligen Klosterkirche zu Trzemeszno. ® Z. Swiechowski, Koscielec Opatöw. Warszawa 1954. — Ders., Architektura na SHsku do polowy XIII wieku, Warszawa 1955. ^ J. Hawrot, Odkrycie w kosciele sw. Salwatora w Krakowie: Kwartalnik Historii i Teorii Architektury 1, 1956, H. 2 (in Druck). Ausführlicher Bericht über die bisherigen Grabungen, ausgestattet mit einer erschöpfenden Dokumentation. 11 Denkmalpilege
11. Jahrhundert erlosch, kann das Entstehungsdatum der Krakauer Salvatorkirche auf dieses oder das vorangegangene Jahrhundert angesetzt werden. Einer früheren Datierung steht die im frühen Mittel alter herrschende geschichtliche Situation Kleinpolens im Wege; die obere Zeitgrenze aber erhärtet der terminus ante quem in Gestalt von Quellennotizen des K^rakauer Kapitels: 1148 dedicatio ecdesiae sancti Salvatoris^, eine Bemerkung, die sich auf den durch die Kirchenmauern bis zum heutigen Tage bezeugten romanischen Umbau bezieht. Im Arkadenhof des Krakauer Wawelschlosses stieß man im Jahre 1949 auf Reste bisher unbekannter vorromanischer Bauten® (Abb. 106 c). Die erhalten gebliebenen Fundamente bilden den Grundriß eines vierseitigen Baus, zu dem ein kleiner, enger Gang führt. Da das Innere durch einen Abbau des felsigen Untergrunds vertieft wurde, mußte der Unterschied im Verhältnis zum ursprünglichen äußeren Niveau durch eine Reihe von Stufen ausgeglichen werden. Die obere Zeitgrenze bildet der Münzenfund aus der Ära Boleslaw des Kühnen (Ende des 11. Jhs.). Die Ausführungstechnik der aus Bruchsteinen errichteten Mauer, dem WawelerTetrakonchos nahe verwandt', berechtigt uns zur Annahme eines ähnlichen Datums, das im Wege einer Diskussion auch allgemein angenommen wurde, d. h. ungefähr das Ende des 10. Jhs. Außer der allgemeinen Feststellung, daß der vierseitige Bau ein weltliches Gepräge aufweist, konnte seine Bestimmung bisher nicht geklärt werden. Während die vereinzelten Forschungen auf der Wawel-Anhöhe, die das erste Stadium eines lang jährigen Arbeitsplanes bilden, bislang nicht imstande waren, die Zusammenhänge der bisher ausgeson derten Elemente der ältesten Bebauung zu erfassen, ist dieses Ziel in Teschen (Cieszyn) erreicht worden. Die auf dem Schloßberg angestellten Untersuchungen haben einen Bestand aufgedeckt, zu dem die aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts stammende Rotunde gehört® (Abb. 106e). Diese Kapelle, in der die 1940/41 durchgeführten Forschungen die Überbleibsel einer auf Säulen gestützten Empore zutage gebracht haben®, war, wie sich herausgestellt hatte, der einzige Steinbau unter den hölzernen Wohn häusern gewesen. Viel neues und wichtiges Material haben uns die Forschungsarbeiten in Großpolen, der Wiege des polnischen Staates, geliefert. Nicht klar deutbar ist das Gemenge der Überbleibsel von Bauten, die unter dem Niveau der gegenwärtigen, im Jahre 1945 durch Brand zerstörten Kathedrale von Posen (Poznah)i" entdeckt wurden (Abb. 106 i). Von der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert stammt, wie aus der Stratigraphie ersichtlich, eine Fülle von Resten aus verschiedenen, aufeinander geschichteten oder neben einander errichteten Gebäuden, die von einer großen Intensivierung des Bauprozesses zeugen. Wahr nehmbar ist die Ersetzung der frisch ausgeführten und den veränderten Bedürfnissen nicht mehr ent sprechenden Gebäude durch neue Bauten. Bei diesen Relikten scheint es sich ohne Ausnahme um Spuren von sakralen Gebäuden zu handeln. Zum ältesten Bestand gehört der Bau eines runden Beckens von etwa 4 m Durchmesser, gemauert mit Kalkmörtel. Dieses Bassin wurde von einem auf Holzpfosten ruhenden Dach überdeckt; die Pfostenlöcher sind erhalten geblieben. Zweifellos konnte es sich hier nur um eine riesige Piscine, im Zusammenhang mit der ersten Periode der Christianisierung, handeln. Aus den un deutbaren Rückständen der späteren Bebauung lassen sich nur Bruchstücke des Grundrisses der äußeren Umfassungsmauern eines — wie nach den Maßen zu entnehmen ist — dreischiff igen Gebäudes feststellen. Es sind dies die Überbleibsel der ältesten Kathedralkirche zu Poznan. Dieses dreischiffige Gebäude hatte ein ausgebautes Westwerk mit Empore. Die früher versuchte phantastische Rekonstruktion der ver meintlichen Grabeskirche Mieszkos I. von Z. Kepihski hat sich als nicht stichhaltig erwiesen^^. ^ Monumenta Poloniae Historica (ed. seit 1864) II, 798. ® A. 2aki, Nowo odkryte ruiny budowli przedromanskiej na Wavvelu: Studia do dziejöw Wawelu 1, 1955, 71—III. ' Der Krakauer Tetrakonchos ist meist in der unzulänglichen Maßaufnahme bei J. Strzygowski, Altslawische Kunst, Augsburg 1929, Abb. 74—76, bekannt. Genaue Maßaufnahmen bei A. iSzyszko-Bohusz, Rotunda .sw. Feliksa i Adaukta (N. P. Marii) na Wawelu: Rocznik Krakowski 18, 1918. ® Vgl. A. Kietlihska, Sprawozdanie z prac wykopaliskowych na görze zamkowej w Cieszynie (1949): Materialy Wczesno- .sredniowieczne 1, 1951, 59—71. ® Vgl. G. Raschke, Ausgrabungen an der frühromanischen Burgkapelle von Teschen: Mitteilungen des Schlesischen Altertums vereins, Breslau 1941, 146. — Z. Swiechowski, s. o. Anm. 3 (Architektura . . .), 38—39. Einen Bericht über die Entdeckungen in der Posener Kathedrale mit Maßaufnahmen und photographischer Dokumentation enthält der Aufsatz von K. Jözefowiczöwna und Z. Kepihski, Grobowiec Mieszka Pierwszego i najstarsze budowle grodu poznahskiego: Przegifvd Zachodni 8, 1952, 370—397. 11 Vgl. K. Jözefowiczöwna und Z. Kepihski, s. o. Anm. 10. Berichtigungen dazu bei K. Jözefowiczöwna, Pierwsza katedra Poznaüska, kwartalnik Architektury i Urbanistyki 1, 1956, 186—191.
k* Mohrin rAETZE Ostrow Lednicki kkrusiVwiCQ. ^ ir\.r Md^wniT •• <;tK7Pik^n^N^Czerwmsk POSEN®! ®. _ ,e TrzeMeszno Ciecz • Lubin e Tuiti GLOgatJ^^!^ Swlejow (^^BRESLAU lobten» Strehlen» CMokrsU.o * Gozlice , »MlechoM^*^ Prandocm » Teschen 105. Deiikmälerkarte Die 1949/50 im Mittelteil der ehem. Klosterkirche zu Trzemeszno ausgeführten Grabungen haben einen weiteren vorromanischen Bau zutage gebrachfi^ (Abb. 106 h). Mauerfragmente aus unbehauenen großen Granitfindlingen, verbunden durch Kalkmörtel, bilden den Grundriß einer einschiffigen, durch das Apsishalbrund abgeschlossenen Kapelle. Der Innenraum, sorgfältig ausgelegt mit glatt behauenem Granitquaderstein, hatte einen mit buntglasierten Keramikplatten belegten Boden, deren Ornamentik geometrische und Tiermuster aufweist. Die Entdeckung der Kapelle ist insoferne bedeutungsvoll, als sie einen langwierigen wissenschaftlichen Streit über die Lokalisierung des vom hl. Adalbert gegründeten Klosters der Benediktinereinsiedler, von der Regel des hl. Romuald, erwähnt in der Urkunde des Kaisers Otto III. vom 4. April 1001 für Pomposa, beendet hat^^ Die Forschungen auf dem Ostrow Lednicki^^ haben neue Einzelheiten an der von der Wende des 10. zum 11. Jahrhundert stammenden Kapelle und dem Palas gezeitigt (Abb. 106 a); sie sind den deutsch sprechenden Lesern aus der letzten, nicht allzu gründlichen und stellenweise phantastischen Bearbeitung von Weidhaas bekannt^®. Die im Jahre 1955 erfolgte Aufdeckung der Fundamente bei der nordwestlichen Ecke der Kapelle, an der Stelle ihres Zusammentreffens mit der Ringmauer des Palas, hat die Gleich zeitigkeit dieser Bauten erwiesen. Für die genetische Frage war die Feststellung besonders wichtig, daß die Ostapsis von außen, von den rechtwinkeligen Eckstücken, ihren Anfang nahm und dreiseitig umVgl. K. Jözefowiczowna, Prace baclawczo-naukowe w kosciele parafialym w Trzemesznie: Ochrona Zabytköw 8, 1955, 34—49. Vgl. T. Wojciechowski, Szkice historyczne jedenastego wieku. Warszawa 1951 (Erstausgabe 1904), 79—85. Geführt von A. Holas und K. Zurowski, unveröffentlicht. H. Weidhaas, Ein Denkmal karolingisch-wikingi.scher Baukunst im piastischen Kernland, Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 7, 1940, 225—248.
mantelt gewesen ist^®. Auf diese Weise wurde die kreuzförmige Anlage klarer herausgearbeitet, als dies auf Grund der bisherigen Vermessungsarbeiten möglich war. Der in Giecz entdeckte Bestand (Abb. 106 b) hat Ähnlichkeit mit den Bauten von Lednica^'. Man stieß hier, im Bereich der Burgwälle, auf Über bleibsel einer im großen Maßstabe ausgestalteten Anlage. Der mächtige Fundamentunterbau, bestehend aus mit Lehm verbundenen Findlingen, steckt den kreisförmigen Grundriß des Zentralbaues und des mit ihm gekoppelten Rechtecks ab, das sicherlich die Außenmauer des Vorhofs mit dem Wohngebäude bildete. Dies weist daraufhin, daß das große Bauvorhaben bereits im Anfangsstadium unterbrochen wurde. Die neueste Veröffentlichung von W. Dalbor'® über die nach dem Kriege entdeckten Fundamente eines Zentralbaues in der Nähe der Kathedrale von Gnesen (Gniezno), nach der diese Grundmauern im 10. Jahr hundert entstanden sein sollen, beruht wohl auf einem Mißverständnis. Dieser im ersten Viertel des 16. Jahr hunderts errichtete Tetr akonchosbau, bestimm t als Grabkapelle für den ErzbischofJan Laski^®, ist eine in ter - essante, wenn auch in Mitteleuropa nicht vereinzelte Erscheinung, als Beispiel einer Anknüpfung der lokalen Frührenaissance an dieromanischeRaumform. Auch die Annahme von Z. Kepihski®®, daß ein Trikonchos Vor läufer des romanischen Baus der Kathedrale von Gnesen gewesen wäre, entbehrt j eder sachlichen Grundlage. Die romanische Architektur. Der verwüstende tschechische Einfall im Jahre 1038, verbunden mit der heidnischen Reaktion und dem Verschwinden vieler kirchlicher Institutionen sowie der für diese unter den Piasten um die Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert errichteten Bauwerke, hatte einen Stillstand in der Entwicklung des jungen polnischen Staates zur Folge. Damals wurden die Reliquien des hl. Adalbert aus Gnesen nach Prag entführt, und nach den Worten des Chronisten diente die verlassene Kathedrale als Zufluchtsort für Tiere. Mit diesen Ereignissen ist sicherlich auch die Unterbrechung der Bauarbeiten in dem Palas zu Giecz sowie die Feuersbrunst der ersten Kathedrale von Poznan, die während der letzten Ausgrabungsarbeiten festgestellt wurde, verknüpft. Die Stabilisierung der inneren Verhältnisse unter Kazimierz dem Erneuerer (1039—1058) und die endgültige Restitution des Christentums hat sich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts durch eine gesteigerte Baubewegung dokumentiert. Zu dieser Zeit entstand in Posen (Poznan) die große querschifflose Pfeilerbasilika der Kathedralkirche mit einer zweitürmigen Westfront, deren Seitenmaizern sich mit dem Plan des vorigen Baus genau deckten®i (Abb. 106i, 107). Die Untersuchungen haben nur den Verlauf aller Mauern, mit Ausnahme der Gestaltung der Ostpartie, festgestellt. Hingegen wurden Raumanordnung mit Konstruktionseinzelheiten der Klosterkirche zu Trzemeszno restlos aufgeklärt®® (Abb. 106 h). Dieser Bau umschließt mit dem Qizadrat der Vierung die Stelle der ehemaligen Benediktinereinsiedler-Kapelle vom Ende des 10. Jahrhunderts und wurde nach dem Jahre 1145 durch die zur Kongregation Arrovaise gehörigen Augustiner-Chorherren errichtet. Bekannt waren bis zum letzten Krieg nur die Türme der Westfassade; von den weiteren, in den Mauern steckenden Elementen wußte man hingegen nichts. Die Auffindung von Relikten der Grundmauern und von Wand bruchstücken hat nun den gesamten Grundriß des dreischiffigen Baus, mit Querschiff und einem recht eckigen Chor sowie einer Empore zwischen den Türmen, rekonstruieren lassen. Und noch viel mehr: Im ersten W^estjoch des Mittelschiffs haben sich die ummauerten Monolithsäulen erhalten (Abb. 109). Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Kirche zu Trzemeszno mit einer Plananlage, wie sie im System der Säulenbasilika in Erscheinung tritt und mit den kennzeichnenden Einzelheiten der Würfelkapitelle mit Schildunterteilung durch Halbkreise®®, dem mitteleuropäischen Reformbaukreis angehört, der mit der größten Durchschlagskraft durch die Klöster der Hirsauer Kongregation vertreten wird. Dies wurde festgestellt während der (unveröffentlichten) Grabungen von W. Kieszkowski (durchgeführt im Jahr 1948, Mitteilung von J. Zachwatowicz) und dank den Forschungen von W. Dalbor. Anmerkung der Redaktion: Neuerdings zeigt sich jedoch, wie der Verfasser der Redaktion im Oktober mitteilte, daß es sich um eine halbrunde Ostapsis und nicht um einen dreiseitig ummantelten Raum handelt. Die in Abb. 106a wiedergegebene Grundrißskizze wäre demgemäß richtigzustellen. Vgl. B. Kostrzewski, Na sladach dawnej swietnosci Giecza: Frzeglf^d Zachodni 8, 1952, 405—409. W. Dalbor, Wczesnosredniowieczny grod w Gnieznie: Swiatowit 21, 1955, 161—246. Vgl. H. Zeissberg, Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen. und sein Testament. Akademie der Wissenschaften in Wien, Sitzungsbericht der phil.-hist. Klasse, Bd. 77, 1874. Z. K^pihski, Analiza wykopalisk architektonicznych w katedrze gniezniehskiej: Sprawozdania Poznanskiego Towarzystwa Przyjaciöl Nauk 13 (1945—1946), 1947. Vgl. K. Jözefowiczöwna und Z. K^pihski, s. o. Anm. 10. Vgl. K. Jözefowiczöwna, s. o. Anm. 12. Ähnliche Kapitelle befinden sich unter den Überresten der Benediktinerabtei zu vSt. Vinzenz in Wroclaw sowie in der Stiftskirche von Tum bei L^czyca.
□ Q I HL ^•10 mo^ Ca iUHnnnynn■ 106. a Ostr()w Lednicki, Grundriß der Kaiicllc und Palas, nach W. Dalbor — b Giecz, Fimdamentplan — t; Krakau, Grundriß des Baus liu Arkadenhot des Wawelschlosses, nach W. Zaki — d Krakau, Rekonstruktion des Grundrisses des Ostteiles der Salvatorkirclie, nacii J. Hawrot — e Teschen, Grundriß der Burgkapelle, nach Z. Swiechowski — f Htrclilen, St. Gotthards-Rotunde — g Glogau, rundamentplan der Stiftskirche, nach T. Zagrodzki — h Trzeineszno, Klosterkirche, Fundameutplan (Fundamente von I schwarz, von II scliraffiert), nach K. Jözefowiczdwna — i Posen, Kathedrale, Fundamentplan (l'undamente von vorromanischen Relikten schwarz, von romanischen schrafliert), nach K. Jözefowiczdwna — j Zobten, Grundriß der Pfarrkirciie, nach .1. Hawrot — k Breslau, Kathedrale, Fundamentplan der Krypta von I, nach Z. Swiechowski.
kirche''dCT AugustiMr-Chor^ Czerwinsk^ 107. Posen, Kathedrale, Pfeilerbasis des II. Baues brachten Aufschluß Über gewisse bisher unbekannte Einzelheiten von grundsätzlicher Bedeutung. In dieser querschifflosen ungewölbten Basilika befin det sich, wie sich zeigte, ein durch Umbau verwischter Stützenwechsel. Pfeiler von quadi-atischem Querschnitt wechseln mit Rundpfeilern ab. Die an den Turmmauern sichtbaren Spuren weisen darauf hin, daß zwischen ihnen, dicht unterhalb des unteren Stockwerks mit Biforien, das Querdach verlief, das dem Westwerk seinen geschlossenen Charakter verlieh^'^. Besonders große Bedeutung besitzt eine anläßlich des Wiederaufbaus^®^ gemachte Entdeckung in der frühgotischen Kathedrale zu Breslau (Wroclaw)^®. Hier wurde eine sorgfältig bearbeitete Basis vom zerstörten Bau des Bischofs Walter aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aufgefunden. Die erwähnte Basis befand sich auf ihrem ursprünglichen Platz, und die peinlich genau geführten Erhebungen ließen die Feststellung des Verlaufes der Mauern zu, die teilweise samt den Fundamenten entlernt worden waren; als Endergebnis konnte der Grundriß der viersäuligen Krypta zeichnerisch wiederhergestellt werden (Abb. 106 k). Dieser Fund erlaubt es, die Vermutungen über Lage und Gestaltung der romanischen Kathedrale zu Breslau zu präzisieren®®. Bemerkenswert sind auch die weiteren Entdeckungen in Schlesien. Unter anderem wurden die Grundmauern der großen querschifflosen steinernen Pfeilerbasilika aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in dem wichtigen MarkzentrumZobten (Sobötka)®i freigelegt (Abb 106 j) sowie der Ostteil einer ähnlichen gleichzeitig errichteten, doch aus Ziegeln bestehenden Anlage, der Stiftskirche von Glogau (Glogöw)®® (Abb. 106 g). Einen merkwürdigen Typus bildet die aufgefundene St. Gotthards-Rotunde zu Strehlen (Strezelin)®® (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts), wo sich der runde Gemeinderaum mit den Fenster- und Portal Öffnungen in voller Höhe (!) erhalten hat und die beim Bau der gotischen Kirche zerstörten Apsis-Fundamente aufgedeckt wurden (Abb. 106 f). Außerdem konnten in Breslau der spätromanische Keller im Gebäude am Marktplatz (um 1250)®^ sowie der bischöfliche Palast vgl. T. Poklewski und Z. Tomaszew!?ki, Slady starszej budowli w holegiaoie romanskiej w Tumie pow. teczyca, Acta Archaeologica Universitatis Lodziensis 4, 19,81—93. Durch den Verfasser. Durch Z. Tomaszewski. Vgl. einen Bericht vom Verf. und von Z. Tomaszewski in Sprawodamie zaktadu Arehitektury Polskiej Politechniki Warszawskiej, Kwartalnik .Vrchitektury i Urbanistykij, lO.ie, 208—210. Im Jahre 1949. Vgl. W. Kocka und E. 0.strowska, Prace wykopaliskowe we Wroclawiu w latach 1949—19.51; Studia Wczesnosredniowieczne 3, 19.5.5, 272. — Z. Swiechowski s. o. Anm. 3 (Architektura . . .), 74—78. Z. B. W. Schulte, Geschichte des Breslauer Domes und seiner Wiederherstellung, Breslau 1907. — A. Szyszko-Bohusz, Studia nad katodrq wawelskq: Prace Komisji Historii Sztuki 8, 1948. Vgl. ,1. Hawrot, Odkrycie budowli romanskiej w Sobotce; Ochrona Zabytköw 2, 1949, 155—159. — K. Maleczyhski, Sprawozdanie z prac wykopaliskowych w kosciele sw. Jakuba we wsi Sobötka w latach 1948—1949: Materialy Wczesno.sredniowieczne 2, 1950, 23—27. — Z. Swiechowski, s. o. Anm. 3 (Architektura . . .), 63. Vgl. T. Zagrodzki, Wj'niki badan kolegiaty w Glogowie: Ochrona Zabytköw 8, 1955, 102—108. — Z. Swiechowski, s. o. Anm. 3 (Architektura . . .), 40—41. Vgl. T. Kozaczewski, Rotunda w Strzelinie: Sprawozdania Wroclawskiego Towarzystwa Przyjaciöl Nauk 8 (1953) dodatek 7, Wroclaw 1955. — Z. Swiechowski s. o. Anm. 3 (Architektura . . .), 60—61. Vgl. 0. Czerner, M. Przyl^cki, J. Winkledt, Dwie kolumny romahskie odnalezione we Wroclawiuj Sprawozdania Wroclaw skiego Towarzystwa Przyjaciöl Nauk 8 (1953) dodatek 5, Wroplaw 1955. — Z. (Swiechowski s. o. Anm. 3 (Architektura . . .), 88.
I -^:|. fm ». a Links: 108. Krakau, Andreaskirche, Westfassade Rechts: 109. Trzemeszno, Kloster kirche, Säule des II. Baues zutage gefördert werden. Teilweise haben sich die Palastmauern, die in dem gotischen, im 18. Jahr hundert umgestalteten Erweiterungsbau verborgen sind, in voller Höhe erhalten. Dieser eingeschossige und, wie aus den früheren Forschungen ersichtlich, rechteckige Ziegelbau hatte Räume, die zu beiden Seiten einer Diele gelegen sind. Es haben sich ferner im Erdgeschoß noch ein massiver Pfeiler und Ge wölbeansätze des großen quadratischen Saals sowie im Obergeschoß Bruchstücke des romanischen Portals erhalten. Dieser Bau dürfte vom Ende der Regierung des Bischofs Wawrzyniec (1207—1232) oder aus den Anfängen seines Nachfolgers Tomasz I. (1232—1268) stammen®®. In Tyniec, der ältesten und wichtigsten polnischen Benediktinerabtei, haben die aufgefundenen Architekturfragmente und die Überreste von Grundmauern eine eigenartige Bedeutung®®. Bei den unvollendeten archäologischen Arbeiten verblieb zwar der Plan der Kirche (11. Jahrhundert) weiterhin unklar, doch wurde immerhin die Anlage der Klostergebäude geklärt. Die aufgeRxndenen Zwillings kapitelle und -basen zeugen von dem Bestehen eines Kreuzganges mit offenen Triforien. Das zarte Relief der Kapitelle weist auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts als Entstehungsdatum. Ein in ganzer Höhe erhaltenes Schiff mit ursprünglichen Fensterleibungen, das der ersten Benediktinerkirche in Lubin gehört (Ende des 11. Jahrhunderts), wurde im gotischen und barocken Baubestand dieser Kirche festgestellt. Auf eine ausgezeichnet erhaltene Pfarrkirche ist man in Mokrsko gestoßen®'. Diese Klein kirche aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts mit dem rechteckigen Chorraum ist ein typischer Bau der burgundischen Zisterziensermönche aus dem nahen Kloster in J^drzejöw. In der Kirche zu Gozlice (zweites Viertel des 13. Jahrhunderts), die durch ihren bedeutenden Skulpturenrest bekannt ist, wurde eine Herrschaftsempore entdeckt. Die Wirkung der gut erhaltenen einschiffigen St. Johannes-Burgkirche Forschungsergebnisse unveröffentlicht, ein Bericht in: Ochrona Zabytkow (Jg. 1956) vorgesehen. Einen Plan mit eingetragenen Grabungsergebnissen hat G. Lehczyk veröffentlicht, s. seinen Bericht, Baclania Wykopalis kowe w Tyhcu \v latach 1948—1951: Studia Wczesnosredniowieczne 3, 1955, 260—270. Zu den Architekturfragmenten vgl. J. Lepiarczyk, Powiat krakowski: Katalog Zabytkow Sztuki w Polsce I, Warszawa 1953, Abb. 35, 36, 38. Vgl. T. Przypkowski, Pierwsze wyniki prac inwentaryzacyjnych w powiatach kieleckim i j^drzejowskim: Biuletyn Historii Sztuki i Kultury' 8, 1946, 60—65.
X C^- ■ \ iWt.SÄ 110, Jll. Strzelno, Klosterkirche. Links: Blick aus dem Südschiff gegen Westen Rechts: Detail des Schaftes der nördlichen Säule zu Prandoein aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts wurde durch die Entdeckung eines Portals in der Südwand dieses merkwürdigen zweiapsidialen Bauwerkes gesteigert®®. Die vorzüglich erhaltene Türleibung ist durch den rechtwinkeligen Querschnitt der Archivolte und durch das flache, aus einem Steinblock gehauene Tympanon charakterisiert. Eine farbige Fassung deckt die Oberfläche des Gewändes sowie das präzis ausgemeißelte Flechtbandmuster der Archivolte und ist in Resten am Tympanon erhalten. Eine ähnliche Wiederherstellung der ursprünglichen äußeren Erscheinung ist durch die Auf deckung des Triforiums in der Westfassade der St. Andreas-Kirche zu Krakau (Anfang des 12. Jahr hunderts) sowie durch die Öffnung der Biforien in ihren achtseitigen Türmchen gelungen®® (Abb. 108). Von den übrigen, die romanische Baukunst betreffenden Entdeckungen wäre noch die Freilegung der Chorostwand an der ehemaligen Zisterzienserkirche zu Sulejow''® und die der Westfassade der Kirche der Ritter vom hl. Grabe zu Miechöw erwähnenswert*'^. In beiden Fällen wurden vorzüglich erhaltene Werk steine aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit dekorativen Lösungen in den Fenster leihungen gewonnen. Vieles geschah auch zur Erforschung der ursprünglichen liturgischen Ausstattung. Der ursprüngliche Altar mit einem Teil der Mensa und einer äußeren, im Putz geritzten, die Fenster- und Portalausschnitte umgehenden Verzierung wurde in der nach 1250 errichteten spätromanischen Basilika der Pfarrkirche zu Mohrin (Moryn) aufgefunden'*®. Die in Krirszwica und Giecz*® entdeckten Altarteile haben sich weniger ä® Infolge der Forschungen des Verf., Näheres demnächst in: Znaczenie koscioia w Praiidocinie, in: Kwartalnik Historii Architektury i Urbanistyki 1, 1956, 13—26. Vgl. S. Swiszozowski, Kosciöl .sw. Andrzeja w Krakowie: Ochrona Zabytköw 2, 1949, 93—108. Vgl. J. Zachwatowicz, s. o. Anm. 1, — Z. Swiechowski, Opactwo cysterskie w Sulejowie. Poznan 1954, Taf. 10. Vgl. Z. Boczkowska, Powiat miechowski: Katalog Zabytköw Sztuki I, Warszawa 1953, Abb. 2. Vom Verf., unveröffentlicht. Vgl. B. Kostrzewski, Odkryoie menzy romanskiej w Gieczu: Z Otchlani Wieköw 22, 1953, 227—230.
■X \. C-m ,* 112. Strzelno, Klosterkirche, Tyinpanon des Nordportals gut erhalten. Zu Kottöw wurden im Granitquaderbau (12./13. Jahrhundert) Überreste von Ziborien gefunden, die sich über den Seitenaltären erhoben^''. Auch wnrde eine Reihe von romanischen Gräbern in Posen, Strzelno, Trzemeszno und unter ihnen das ansehnlichste in Tum bei L§czyca zutage ge fördert^®. Wichtiger sind die Funde im Bereich der romanischen Bildhauerei. Die in Breslau aufgefundene Skulptur^" bildet das Gegenstück zu einer lediglich als ,,Fragment von Biestrzykowo" bekannten Plastik südfranzösischen Wesens und nicht feststellbarer Herkunft. Einem Fund in der ehemaligen Klosterkirche der Prämonstratenserinnen zur hl. Dreifaltigkeit in Strzelno kommt besondere Bedeutung zu^'. Die Wandbekleidung der vier Pfeiler im Hauptschiff dieser kleinen Basilika wurde im Jahre 1946 abgenom men. Dabei zeigte sich, daß die in der Barockummauerung verborgen gewesenen und in situ stehenden Säulenschäfte und Kapitelle sich im vorzüglichen Zustand befanden. Während der glatte Schaft der linken Säule beim westlichen Säulenpaar mit vielfarbigen Rhomben bedeckt war, hatte der rechte Säulenschaft eine spiralförmige Kannelierung. Die beiden anderen Säulen zeigen figuralen Schmuck. Der Schaft ist in drei Streifen unterteilt, die durch Palmettenbänder voneinander getrennt sind und einzelne unter Arkaden stehende Figuren enthalten. Während Gestalten (Tugenden und Laster) und Szenen (z. B. Taufe Christi am rechten Kapitell) verständlich sind, ist die Deutung des gesamten Zyklus noch nicht gelungen (Abb. 110, III). Vom Verf., Näheres demnächst in: Kwartalnik Historii i Teorii Architektury 1, 1956, H. 2. Vgl. Z. Cieklihski, Grobowiec nieznanego duchownego odkryty w kolegiacie tumskiej pod L^czycfi: Ochrona Zabytköw 2, 1949,31—34. 4« Vgl. M. Morelowski, Wykopaliska na terenie lewobrzeznego zamku Piastöw we Wroelawiu: Ochrona Zabytköw 8, 1955, 10—16. — E. Wiese, Der romanische Skulpturenrest aus Eckersdorf: Altschlesien 4, 1934, 265—266. Vgl. J. Zachwatowicz. s. o. Anm. 1. — Z. K^pihski. Odkrycie w Strzelnie: Biuletyn Historii Sztuki i Kultury 8, 1946, 202—207. 12 DenkmalpHege
Seinen Höhepimkt erreicht der Inhalts- und Formenreichtum in dem am spätesten ausgeführten NordportaF® (Abb. 112). Während die Säulenskuiptur ihren engen Zusammenhang mit dem Block be wahrt, treten in der unruhigen Komposition des Tympanons mit seinem Figurengedränge manche Partien aus dem Hintergrund stark hervor, ja sie scheinen sich sogar von ihm loszulösen. Diese Merk male und der charakteristische Ausschnitt eines dreiteiligen spitzbogenförmigen Blattes lassen uns das Entstehungsdatum auf das Ende des ersten Viertels des 13. Jahrhunderts ansetzen, somit später als das der Säulen, die durch eine andere Werkstatt um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert geschaffen worden sind. Der komplizierte Gegenstand enthält eine Anspielung auf den Titel der Kirche (die hl. Dreifaltigkeit, daraus die Taube) und eine eigenartige Vereinigung der Majestas Domini mit dem Rex Gloriae. Selten ist auch das Motiv der Verbindung der die Evangelisten Markus und Lukas versinn bildlichenden Tierköpfe mit einem menschlichen Rumpf in Anknüpfung an die Vision Ezechiels''®. Diese Entdeckung im Zusammenhang mit der Auffindung des Kopfes einer großen vollplastischen Statue®® und den früher bereits bekannten Relikten (zwei Tympana in der Klosterkirche und in der benachbarten Rotunde, der Rest des dritten Tympanons, zahlreiche bildhauerische und architektonische Fragmente, worunter sich Säulen mit Arkaden, ähnlich wie im Schiff, jedoch von kleinerem Querschnitt befinden), lassen die Werke der Bauplastik in Strzelno zu den wichtigsten in Mittel- und Osteuropa zählen. Wiewohl nicht alle der angeführten Objekte ein solches Gewicht wie die zuletzt besprochenen haben und gegenüber den westeuropäischen Denkmälern eher bescheiden in der Qualität sind, ist ihre Bedeutung für die Erforschung der abendländischen Kunst dennoch nicht unerheblich. Im Staatsgebiet Polens verläuft, kunstgeographisch gesehen, die Ostgrenze der romanischen Architektur, und an ihren Denk mälern können wir die Wanderung der Motive von West nach Ost, schöpferisch angeglichen an die lokalen Gegebenheiten und an den Boden, verfolgen. ■18 Vgl. A. Holas, Odkrycie tympanonu romanskiego w kosciele ponorbertanskim w Sti'zelnie: Ochrona Zabvtköw 7, 1954, 271—272. Vgl. Z. äwiechowski, Znaozenie najnowsezgo odkiycia w .Strzelnie: Ochrona Zabytköw 7, 1954, 27—32. Entdeckt von K. Jozefowiczöwna während der Grabungen in der Nähe der Klosterkirche, bisher unveröffentlicht. Ahbildungsnachweis. Z. Swiechowski: Abb. 106, 108, III, 112; K. Jozefowiczöwna.: Abb. 107; M. Moraczewska: Abb. 109; T.Zalewski: Abb. 110. DIE ROMANISCHEN WANDGEMÄLDE IN DER STIFTSKIRCHE AM NONNBERG IN SALZBURG Zustand, Restaurierung und technologische Bemerkungen Von Walter Fbodl mit Beiträgen von Franz Walliser und Eva Frodl-Kraft Die künstlerische und kunstgeschichtliche Bedeutung der romanischen Fresken im einstigen Westchor der Stiftskirche des Klosters Nonnberg ist schon bald nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts erkannt worden. 1857 erschien bereits die erste größere, mit Abbildungen (Zeich nungen und Farbtafeln, vgl. Abb. 122) ausgestattete Würdigung, aus der die Kenntnis von dem Denkmal sehr bald in die allgemeine kunstgeschichtliche Literatur gelangte'. 1909 wurde Paul Buberls umfang reiche Arbeit über das Freskowerk veröffentlieht, in der die bis dahin recht divergierenden Auffassungen über die Entstehungszeit der Malereien richtiggestellt wurden®. Die Annahme Buberls, daß die Fresken 1 Dr. Gustav Heider, Mittelalterliche Kunstdenkmale in Salzburg, im Jahrb. d. k. k. Central-Commission usw. II. Bd., Wien, 1857, S. ISff. ^ Paul Buberl, Die romanischen Wandmalereien im Kloster Nonnberg in Salzburg und ihre Beziehung zur Salzburger Buch malerei und zur byzantinischen Kunst, in Kunstgesch. Jahrb. d. k. k. Central-Commission usw. III. Bd., Wien 1909, S. 25ff.
113. Salzburg, Stiftskirche Nonnberg, Paradies (die Schraffierung zeigt den Flächengewinn). etwa zu Anfang der Regierungszeit des Erzbischofs Eberhard I. (1147—1164) entstanden seien, hat allgemeine Anerkennung gefunden. So überzeugend dieser zeitliche Ansatz schon im Hinblick auf die näher bestimmbaren Werke der Salzburger Buchmalerei des 12. Jahrhunderts ist, so wenig lassen sich noch die Wege präzisieren, die zu der sehr individuellen Ausprägung dieser qualitativ so hochstehenden Kunst geführt haben. K. M. Swoboda hat 195.3 unsere Kenntnis über die Zusammenhänge, unter denen die Nonnberger Malereien stehen, vertieft, indem er einen neuen Gesichtspunkt anfügte: die westliche Komponente, deren mögliche Wirksamkeit vorher noch nie untersucht worden war®. Die kunstgeschichtliche Forschung kommt immer wieder auf dieses hervorragende Denkmal der romanischen Monumentalmalerei des Abendlandes zurück, nicht zuletzt, weil sein Erhaltungszustand Untersuchungen zuläßt, die, wenigstens im deutschen Sprachgebiet, nur mehr an wenigen Objekten durchführbar sind. Die Oberfläche der Malereien ist freilich stark beschädigt, die Mehrzahl der Figuren nur in geringen Fragmenten erhalten. Demgegenüber fällt jedoch die Tatsache schwer ins Gewicht, daß sie von restau ratorischen Eingriffen verschont geblieben ist. In dem abgeschlossenen, seit Jahrzehnten nur mehr anläßlich von Führungen zugänglichen Raum schien die Erhaltung des Zustandes, den Buberl 1909 beschrieben hat, durchaus gesichert, wenn man davon absah, daß gewisse Verluste, die durch das natürliche Absterben des Kunstwerkes gegeben sind, in Kauf genommen werden mußten (Abb. 125 und 126, 129 und 130). Um so alarmierender wirkte 1954 die Nachricht, daß sich über den Gemälden eine bis dahin nicht beobachtete Schleierbildung bemerkbar mache. Die Untersuchung vermochte die Ursache des Schadens zu klären und die Mittel zu ihrer Beseitigung festzulegen*. ® Karl M. Swoboda, Geometrische Vorzeichnungen romanischer Wandgemälde, in Alte und neue Kunst (Wiener kunst wissenschaftliche Blätter), II. Jg., 1953, S. 81 ff. ^ Die Untersuchung, vom Bandeskonservator Dr. Th. Hoppe und dem Buiidesdenkmalamt veranlaßt, hat Rest. Prof. Dr. F. Walliser geführt.
"-«zssl '¥ \iA! ]14. Paradies, Isordwand, nach der Restaurierung und Entfernung des Spritzbewurfes Prof. Dr. Walliser, der die Sicherung und Restauriertnig durchführte, hat dem i3undesdenkmalamt einen Bericht vorgelegt, der im folgenden wörtlich wiedergegeben wird. Bei der Untersuchung am 11. Oktober 1954 habe ich Schleierbildungen (Ausblühungen) verschiedener Grade bei allen Fresken des Paradieses festgestellt. Als Sofortmaßnahme habe ich eine Entkeimung dm*ch Formalinbehandlung (wobei die im Formalin etwa vorhandenen Spuren von Ameisensäure neutralisiert werden müssen) durchgeführt. Dadurch sollten die Stickstoffverbindungen unschädlich gemacht werden. Vor Inangriffnahme weiterer Arbeiten an den romanischen Fresken habe ich im Juni 1955 ein chemisches Gutachten von der staatlich chemischen Versuchsanstalt in Wien (Prof. Schmitz) eingeholt. Danach enthalten die vorgelegten Proben der Ausblühungen keine Chloride und Sulfate, aber Nitrate. Die Hauptmenge der Ausblühungen bestehe aus Pilzsporen, die in den Nitraten günstigen Nährboden finden. Das mikro skopische Bild zeige einheitlich abgestorbene Zellen der Sporen (zweifellos das Ergebnis der Formalinbehandlung vom vorigen Jahr, welche also die lebenden, wirksamen Zellen zum Absterben brachte). Es werde empfohlen, die bereits durchgeführte Formalinbehandlung zu wiederholen und jede Möglichkeit einer Stickstoffwanderung (durch Kanalwässer usw.) sowie des Sporenanfiuges (altes Holz usw.) zu unter binden. Soweit das chemische Gutachten. Zur Klärung der Frage, woher der Nährboden für die Sporen und Salpeterausblühungen gekommen ist, müssen zwei Möglichkeiten erwogen werden, und zwar die Stickstoffzuwauderung von außen, von der Mauer her durch Kanal wässer, Wasserschäden usw., oder vom Innenraum her durch ein seinerzeit zur besseren Sichtbarmachung der Gemälde aufgetragenes organisches Fixiermittel (z. B. Eiklar, Kasein). Da die Ausblühungen mehr oder minder auftraten, ist anzu nehmen, daß sie Folge einer seinerzeit vorgenommenen Imprägnierung sind. Schon bei einer Aufnahme vom Jahr 1894, die ich im Landesdenkmalaint Salzburg sehen konnte (Gemälde des hl. Benedikt), sind bereits Verschleierungen zu bemerken. Sie haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Vor drei Jahren eingelagertes morsches Holz hat den Sporeneinfall verstärkt. Dazu kommt noch die besonders feuchte Witterung der letzten Jahre. Nach dem chemischen Befund ist es klar, daß nur die vollkommene Entfernung der Sporen und besonders die
31 115, Paradies, Westwand, erste und zweite Nische vor der Restaurierung 118. Paradies, Westwand, dritte und vierte Nische vor der Restaurierung 1 H). Paradies, Westwand, erste und zweite Nische nach der Restaurierung 117. Paradies, Westwand, dritte Nische mit neugewonnenem Fresko 119. Paradies, Westwand, dritte und vierte Nische nach der .Restaurierung
i 120. Paradies, Westwand, fünfte Nische vor der Kestaurierung und Abkappung des Pfeilers 121. Paradies, Westwand, fünfte Nische nach der vollständigen Freilegung und Restaurierung - -säfliFew*, 1 122. Paradies, Nordwand, achte Nische, Nachzeichnung von 1857 123. Paradies, Nordwand, achte Nische nach dei Restaurierung
völlige Entfernung des Nährbodens, der Nitrate, bzw. deren Verbindungen neben einer entsprechenden Durchlüftung und Trockenlegung dauernd Abhilfe schaffen können. Die Sporen habe ich bei der gründlichen Behandlung der Fresken Ende Juni 1955 nach Untersuchung und Konstatie rung der festen Haftung der Malschichte durch Radieren mit weichem Gummi von der Oberfläche entfernt. Zurück blieb ein klebriger Rückstand, der den Charakter einer Impräg nierungsschicht aufwies. Er ließ sich durch vorsichtiges Abwaschen mit lauwarmem Wasser und etwas Salmiakgeist und Ammoniumcarbonat abwaschen. Nach dieser Prozedur war beim Befühlen der Mauer kein Kleben mehr zu spüren. Als Abschluß wurde noch eine Formalinbehandlung vor genommen. Bei der Überprüfung am 8. September 1955 zeigten sich an mehreren Stellen wieder Pilzbildungen, die aber in weit geringerem Umfang die Oberfläche befallen hatten. Die Ur sache dieses neuerlichen Pilzbefalles lag in der übergroßen Feuchtigkeit, welche zum Teil durch das feuchte Wetter, zum großen Teil durch die umfangreichen Maurerarbeiten im Gemälderaum (Putzerneuerung an den gemäldefreien Stellen) entstanden ist. Durch die starke Feuchtigkeit im Raum wurden die in der Tiefe liegenden, bei der Entkeimung noch nicht erfaßten organischen Reste an die Oberfläche transportiert und zur Pilzbildung angeregt. Diese Pilze habe ich vorsichtig wieder mit weichem Radiergummi entfernt. Etwa noch vorhandene tieferliegende Reste habe ich durch Besprühung mit warmem Wasser zumTransport an die Oberfläche angeregt. Es haben sich aber keine Pilze mehr gezeigt. Nach Durch trocknung habe ich noch einmal sicherheitshalber vorsichtig mit weichem Radiergummi die früher von Pilzen befallenen Stellen behandelt. Die getroffenen Maßnahmen schienen auszureichen, die Gesundung der Oberfläche herbeizuführen. Bei einer zweiten Überprüfung am 10. Oktober 1955 waren keinerlei Ausblühungen oder Pilzbildungen mehr zu ent decken. Auf alle Fälle habe ich noch zur Sicherung eine Sfache Formalinbestäubung vorgenommen. Bisher sind keiner lei Veränderungen an der Oberfläche der Fresken zu bemerken. Ä.' MJ u ^ -'H!- ^ ■i 124. Paradie.s, Westwand, fünfte Nische, hl. Bischof nach der vollständigen Freilegung und Restaurierung Die Steigerung des Kolorits, welche nur durch die Entfernung des Schleiers, Gesundung der Oberfläche und Besprühung mit Kristallkalkwasser erzielt wurde, ist bis jetzt noch unver ändert erhalten geblieben. Trotzdem habe ich mir vorbehalten, die Fresken weiter zu beobachten. Wien, am 15. Dezember 1956 F. Walliser Die so dringende konservatorische Arbeit bot gleichzeitig die willkommene Gelegenheit, die von den gotischen Stützmauern verdeckten Nischenteile, soweit dies ohne Gefährdung der statischen Verhältnisse geschehen konnte, freizulegen, alle Gemäldeflächen einschließlich der Nischenumrahmimgen und der oberhalb des Mauerabsatzes über den Nischen vorhandenen Malereireste zu reinigen und überhaupt den ganzen Raum in einen besseren Zustand zu versetzen. Dies konnte vor allem durch die Entfernung des häßlichen Spritzbewurfes geschehen, der Wände und Wölbungen deckte und nun durch einen glatt verriebenen Putz ersetzt wurde (vgl. z. B., Abb. 114 und 115; beide Zustände sind auf Abb. 121 links zu sehen). Überflüssig zu betonen, daß der Gesamteindruck viel vorteilhafter geworden ist, abgesehen von dem Gewinn an Freskofläche, den die Freilegung und der Reinigungsvorgang bewirkt haben. An Hand der Skizze (Abb. 113),in derwii die einfache, auchvonSwobodaverwendete,Numerierung der komplizierteren Buberls vorziehen, sei das Ergebnis vorgeführt. Daß die Reinigung die farbige Erscheinung allgemein gehoben hat, daß Einzelheiten, die Buberl noch gesehen hatte und die inzwischen durch die unver meidliche Verschmutzung undeutlicher geworden waren, wieder zum Vorschein kamen, daß aber auch Verluste an zeichnerisch-farbigen Details festzustellen waren, sei vorausgeschickt. Nische 1 (Abb. 115 und 116). Die Nische war bis auf das rechte obere Viertel vermauert, so daß Buberl nur ,,ein Stück des Nimbus auf blauem Grunde" konstatieren konnte. Nunmehr zeigt sich in Spuren, daß die Halbfigur ebenfalls eine Mitra derselben Art, wie sie der nebenstehende hl. Augustinus trägt,
/ 125. Hl. Benedikt. Aufnahme nach der Hestaurieruiig 1956 auf Halbtoureproduktionsplatte. Das Material gibt Rot ebenfalls zu dunkel wieder, ist aber auch sehr unempfindlich für Blau, daher erscheinen die Fehlstellen und der Habit dunkler als 1909. Objektiv konstatierbarer Verlust: Kontur linien der Nasenflügel, Binnenzeiehnung des Halses. 126. Hl. Benedikt, naturgroße Freskoko]jie von Poldi Kerciku 1956. besaß. Die Figur hält, vor die linke Körperhälfte gestellt (bei Augustinus vor die rechte), ebenfalls ein offenes Buch. Die linke Hand ist erhalten. Aus statischen Gründen konnte von dem Stützpfeiler nichts abgenommen werden, so daß zu dem oberen bereits sichtbar gewesenen Viertel der Nische, nur ihr unteres rechtes Viertel (also die ganze linke Hälfte der Figur) freigelegt werden konnte. Nische 3 (Abb. 117—119). Zwischen den Nischen 3 und 4 durchbrach bis 1894/95 eine Holztreppe die Mauer, die in die damalige Wohnung des Stiftsmesners führte®. Während die Halbfigur des hl. Benedikt in Nische 4 (die, in der Hauptachse des Raumes gelegen, die Mitte durch ihre größere Breite betont) bei dem brutalen Mauerdurchbruch nur am Rande beschädigt worden war, ging die Figur in der schmä leren Nische 3 damals fast ganz verloren. Buberl mußte die Nische, die nach flüchtiger Instandsetzung des Raumes und nach Entfernung der Treppe im Jahre 1895 wieder geschlossen worden war, als ,,ganz leer" bezeichnen. Immerhin ergab die Möglichkeit, die Stützmauer, die die linke Hälfte der Nische ver deckt hatte, zu öffnen, die Fest.stellung des Fragmentes einer Bischofsgestalt mit Mitra, Pedum und Buch auf grauem Grund. Nische 5 (Abb. 120,121, 124). Durch die Stützmauer bisher halb verdeckt. Nach Buberl der hl. Rupert. Durch Offnen der Stützmauer wurde die ganze Figur gewonnen. Bericht in den Mitteilg. d. Zentr.-Komm., 1805, S. 254 {mit Abb.). Der Seckauer Stiftskapitular P. F. Campini hatte vom Stift Nonnberg den Auftrag erhalten, den Turm der Stiftskirche im ,,romanischen Stil" auszubauen, ein Projekt, dessen Ver wirklichung glücklicherweise unterblieben ist. Bei diesem Anlaß entdeckte Campini die Nische mit dem hl. Benedikt. Wohl auf sein Betreiben wurde die Stiege entlernt und der Raum notdürftig in Ordnung gebracht. Dazu auch P, Campinis Bericht vom 6. 5. 1900 an die ehem. Zentral-Kornrn. (Akten des Bundesdenkmalamtes). Aus der oben erwähnten Abbildung ist mit aller Deut lichkeit zu entnehmen, daß die Schäden an den Augen und an der Nase damals schon bestanden haben.
« I l ß «]tr^ ' 127. Hl. Benedikt, Aufnahme nach der Restaurierung 1956 auf orthochromatischer Platte. Die Umsetzung der RotWorte entspricht ungefähr dem Natureindruclc, Blau ist etwas zu hell wiedergegeben. 128. Hl. Benedikt, Aufnahme 1909 (Buberl). Alle Tonwerte mit Rotgehalt erscheinen zu dunkel, alle mit Blaugehalt (Habit, Fehlstellen im Mörtel!) zu hell. Beobachtungen an der Oberfläche: Nische 9. Nach Buberl der hl. Oswald. Die Reinigung ergab, daß bei der Musterung des Mantels, die aus kleinen dreilappigen grünen Blättern besteht, jeweils einer Reihe heller, farbschwacher Blätter eine dunklere, wenn auch fragmentierte Reihe folgt. Der Vermutung des Restaurators, es handle sich bei den dunkleren, lädierten Blättern um eine spätere (gotische) Übermalung, kann nicht beigepflichtet werden®. Dasselbe gilt für den Mantel der Figur des hl. Florian in Nische II. Die geringen Malereireste, die sich oberhalb des umlaufenden Mauerabsatzes über den Nischen befinden und die Bedeutung der einstigen malerischen Gesamtausstattung des Westchores ahnen lassen, sind nach der Reinigung deutlicher geworden. So vor allem die unterste Partie der ,,thronenden" Figur über der Mittelnische (hl. Benedikt, Nische 4, Abb. 119). Das große Gemälde, das die Westwand einge nommen haben muß, erhob sich über einen moosgrünen Bodenstreifen und war durch gemalte Säulen, welche die Pfeiler zwischen den Nischen 2,3 und 5,6 nach oben fortsetzten und deren Basen in den vor handenen Resten nun sehr deutlich gegeben sind, unterteilt. Nach den Figurenfragmenten über den Nischen 2 und 6 — es sind jeweils die untersten Partien mit Mantel, Tunikasaum und Füßen, die nach rechts bzw. nach links gewendet sind — und nach dem Fragment des Fußes über Nische 5, der so auf setzt, daß sich eine frontale Haltung der Figur ergibt, müßte es sich um eine nach der Mitte hin (,,thro nende" Figur über Nische 4) ausgerichtete Komposition gehandelt haben. An der Westwand ist über dem Absatz zwischen den Nischen 11/12 nur ein einziges Fragment, wohl als nackter Fuß zu lesen, erhalten. Von dem Rest der Schrift, die noch auf der Abbildung des hl. Oswald ® Eine derartige Übermalung müßte auch an anderen Stellen als nur an den Mänteln zweier Figuren feststellbar sein, was keineswegs der Fall ist. Es gibt, soweit wir sehen, kein stichhältiges Argument gegen die E inheitlichkeit der vorliegenden Musterung. 13 Denkmalpflege
p.;-/ 1 -> \h*m PSiif - *; . o-.v. •^«^■ .fl'"."Ä:'Ä'ti wmMM 129. Hl. Gregor, Ausschnitt. Aufnahme 1009 (Bubei'l). Die Kontraste in den Tonwerten sind übersteigert. Die Umrahmung der Iris beider Augen scheint, da sie auf einer anderen Aufnahme aus dieser Zeit fehlt, in das (verlorene) Originalnegativ hineinretuschiert worden zu sein in Nische 8 in der Publikation von 1857 wiedergegeben ist: ...MUS SANG..., sind nur geringe Spuren zu sehen. Auch Bubeii erwähnt sie nicht (vgl. Abb. 122 und 123). Die Einsicht in die Schwierigkeiten, die bei der Beurteilung des Erhaltungszustandes eines Wand gemäldes auf Grund älterer photographischer Aufnahmen entstehen, Schwierigkeiten, die sich gerade im vorliegenden Fall in aller Deutlichkeit gezeigt haben, wurde unter anderen Beweggründen zum Anlaß, die Nonnberger Wandgemälde in natürlicher Größe und in einer der Freskotechnik möglichst nahe kommenden Technik kopieren zu lassen' (vgl. Abb. 126 und 127). Die Gegenüberstellung von Original und Kopie in einigen Jahren wird, unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß die Kopie in jeglicher Hinsicht höchste Qualität besitzt, den Vergleich der Zustände, den die Photographie ermöglicht, bedeu tend unterstützen. Die beim Vergleich sich ergebenden Schwierigkeiten werden im folgenden Absatz eingehender behandelt. Die Beurteilung des Verhaltens von Wandmalereien über eine längere Zeitspanne hinweg pflegt sich auf photographische Dokumentationen aus verschiedenen Zeitpunkten zu stützen. Die Untersuchungen des Erhaltungszustandes der romanischen Wandgemälde im ,»Paradies" der Nonnberger Stiftskirche geben Anlaf3, dieses mit Selbstverständlichkeit geübte Ver fahren einmal unter die Lupe zu nehmen und die Voraus setzungen zu umreißen, unter denen photographische Doku mente überhaupt miteinander in Vergleich gesetzt werden dürfen. Die Aufnahmen, die nach dem Abschluß der letzten Restau rierung von den Nonnberger Fresken gemacht wurden, ver mitteln einen weitgehend richtigen Eindruck von dem gegen wärtigen Zustand der Originale, und zwar sowohl im Hinblick auf die Umsetzung der Farben in Tonwerte als auch auf die Prägnanz der Zeichnung (Abb. 130 und 131)®. Verglichen mit ' Über das derzeit laufende Unternehmen des Instituts für österr. Kunstforschung im Bundesdenkmalamt, die wichtigsten Denkmäler der mittelalterlichen Wandmalerei in Österreich in natürlicher Größe zu kopieren, wird gesondert berichtet werden. ® Für die Schwarz-Weiß-Aufnahmen wurde handelsübliches Markenmaterial (Gevaertplatten und Schnittfilme) verwendet. Dabei ergibt sich eine gewisse Schwierigkeit daraus, daß das moderne panchromatische Standard-Material (zu Gunsten der Porträt-Photographie) für Rot etwas übersensibilisiert ist, daß aber vor allem die Gradationskurve im Rot-Bereich sehr flach ver läuft. Dies bewirkt, daß die feinen Abstufungen im Inkarnat (die sämtlich im Rot-Ocker-Bereich liegen) nicht in der wünschens werten Prägnanz erscheinen. Orthochromatisches Material ist in dieser Hinsicht überlegen, weist aber statt dessen eine über triebene Blauempfindlichkeit auf (vgl. die Umkehrung der Tonwerte in der Edelsteinborte auf Abb. 130 links unten!). Wenn
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