58. Wien, Burgkapelle, Schlußsi ein, hl. Johannes Evangelist, vor Freilegung 59. Wien, Burgkapelle, Schlußstein, hl. Johannes Evangelist, nach Freilegung Die ikonographisclie Ähnlichkeit der Madonna von der Wappenwand und der Madonna des Schluß steines der Burgkapelle ist vielleicht vom Auftraggeber gefordert, nur daß das Hochrelief des Schluß steines ein älteres Motiv zeigt: das Kind greift nach dem Schmuckstück am Kleid der Mutter, ein Motiv, das wir in Wien hundert Jahre früher an der Dienstbotenmadonna in St. Stephan finden. Die gestaltliche Annäherung der Madonnendarstellung auf dem Schlußstein an das Gnadenbild vom Frauen berg bei Admont mag keine Zufälligkeit sein. Der Strahlenkranz aus Holz ist eine spätere Zutat. Die Art des 14. Jahrhunderts, welche Dante mit einem deutschen Lehnwort als guisa bezeichnet hatte, ein Wort, das seither aus der italienischen Sprache verschwunden ist, erscheint als das Kennzeichen der Kunstübung der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, verliert sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts langsam unter dem Einfluß der böhmischen Schule, lebt wieder auf im sog. schönen Stil und weicht endlich dem neuen Realismus, der das 15. Jahrhundert beherrscht. So sind die Reliefs an den Schluß steinen der Burgkapelle kostbare Zeugnisse eines österreichischen ,,Quattrocento", dessen unmittelbare Beeinflussung aus Italien keineswegs zwingend angenommen werden muß. Wie sehr die Ausbildung der Draperie den Vorbildern aus dem 14. Jahrhundert nachgeraten ist, zeigt ein Vergleich mit den Schluß steinen der Eligiuskapelle bei St. Stephan (Abb. 57), welche noch zu Lebzeiten Rudolfs des Stifters wohl in der Werkstätte des Meisters Seyfried entstanden sein müssen. Leider ist sowohl das Relief mit der Darstellung der Madonna wie das mit der Darstellung des Schmerzensmannes stark übertüncht, zeigt aber deutlich das schon im Schwinden begriffene Ideal der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Wegen starker Übertünchung kann leider auch nicht das schöne Madonnenrelief an dem Schlußstein der Nikolauskapelle in der Michaeierkirche zum Vergleich herangezogen werden, dessen Datierung um 1350 wohl einwandfrei gegeben erscheint. Die Darstellung des Erzengels Gabriel (Abb. 61) am Schlußstein der Burgkapelle hat Parallelen in der zeitgenössischen Malerei um 1440®, ist aber ikonographisch vorgebildet in den Schlußsteinen der ® Siehe auchLudwigBaldass,Malereiu. Plastik um 1440in Wien. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band XV, 1953, S.7 ff.
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