Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE lg!. IM X.JAHRGANG • 195(6 • HEFT 2 • HERAUSGEGEBEN VOM ÖSTERREICHISCHEN BUNDESDENKMALAMT VERLAG VON ANTON SCHROLL 6. CO • WIEN-MÜNCHEN

ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE (Jahrgang 1/1947 —V/1951 ist als „Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege" erschienen) In Nachfolge der einstigen „Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien" Herausgeber: Österreichisches Bundesdenkmalamt Redakteure: Otto Demus und Walter Prodi X. JAHRGANG 1956/HEFT 2 INHALT Josef Zykan: Die Schluß-Steine der Burgkapelle in Wien / Gerteude Triff: Spätgotische Apostelmedaillons in dei' Pfarrkirche von St. Wolfgang / Michel Engelhart :Der Kuppel saal im Gartenpalast Schwarzenberg / Inge Höfeb-Weglbiter: Zur Baugeschichte des Schlosses Neuwartenburg, OÖ. / Erwin Neumann: Gefährdete Denkmale ,,Zum Brande der Wiener Böj'se" / Th. Hoppe: Bericht über die Restaurierung des Mausoleums Erzbischof Wolf Dietrichs in Salzburg / S. Hartwagner: Die Restaurierung des Gurker Hochaltars / Eberhard Hempel zum 70 Geburtstag / Buchbespi-echungen Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften Es wird gebeten, Einsendungen an die Redaktion der Zeitschrift im Bundesdenkmalamt, Wien I, Hofburg, Schweizerhof, Säulenstiege, zu richten Bezugspreis: Jährlich 4 Hefte S 80.—. Anzeigenannahme durch den Verlag ■ Printed in Austria VERLAG VON ANTON SCHROLL & CO. IN WIEN V.,SPENGERGASSE 37

54. Wien, Burgkapelle. Schlußstein. Salvator 55. Spitz, Pfarrkirche, Salvatorfigur um 1425 Mähren nicht ihre volle Erklärung finden können. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß Eriedrich III. unter dem Einfluß seines Geheimschreibers Aeneas Silvio Piccolomini einem seiner steirischen Künstler eine entsprechende Bildung in der Toskana ermöglicht hat und diese Plastiken für seine Hofkapelle, richtiger gesagt für die Hofkapelle des unmündigen Königs Ladislaus Postumus, schaffen ließ. Schlußsteine wurden frühzeitig als selbständige Kunstwerke betrachtet. So erklärt sich auch, warum sie oftmals nicht rein konstruktiv als Bauglieder angefertigt worden sind. Manchmal wurden die figuralen ,,Schlußsteine" sogar aus Holz hergestellt und auf die Elächen der wirklichen Schlußsteine einfach aufgedübbelt. Die Anbringung der Schlußsteine der Burgkapelle ist von dieser Art nicht sehr verschieden. Ob die etwa 60 cm langen Trommeln, welche die Schlußsteine als hängend erscheinen lassen, ursprünglich sind oder nicht, kann nach dem Kupferstich aus dem Jahre 1705'', welcher die Burgkapelle anläßlich der Erbhuldigung für Joseph I. zeigt, nicht gut beurteilt werden. Die Trommeln sind schließlich nicht so tief herabhängend, daß sie dei' Zeichner als solche erkennen mußte. Bei der Restaurierung wurde eine der Trommeln abgenommen, wobei sich herausstellte, daß ein Eisen an der Rückseite der figuralen Schlußsteine in einer Gabel verankert wurde, wobei die Stange durch die runde Trommel bis in den Dachboden hinaufreicht, wo sie verschlossen ist. Diese Applizierung der Schlußsteine im Bau machte die Anfertigung des figuralen Schmuckes unabhängig von der Bauführung. Die Anbringung konnte später erfolgen, der plastische Schmuck selbst konnte aber schon vor der Errichtung des Bauwerkes hergestellt und von dem Auftraggeber sorgfältig betrachtet werden. Auf diese Weise bestand die Möglichkeit, auch einen Bildhauer zu beschäftigen, welcher mit dem Bau selbst nichts zu tun hatte. So müssen wir annehmen, daß auch die Schlußsteine der Bartholomäus kapelle (der Herzogenkapelle über der Eligiuskapelle in St. Stephan) lange vor ihrer Versetzung ange fertigt worden sind, da die Plastik kaum mit der Architektur als gleichzeitig betrachtet werden kann®. Trotz dieser Erwägungen hat es den Anschein, als ob die Plastiken an den Schlußsteinen der Bingkapelle ^ Dreger, a. a. O., Abb. 6. ® Tietze, a. a. O., 8. 217.

DIE SCHLUSS-STEINE DER BURGKAPELLE IN WIEN Von Josef Zykan Relativ spät gelang es der Kunstforschung, einen Überblick über die gotische Plastüc und Malerei Wiens zu gewinnen. Es fehlte vor allem an einer gesammelten Vorlage des Materials. Karl Ginbart bat nun in seinem Beitrag zur Geschichte der bildenden Kunst in Wien ,,Die gotische Plastik in Wien" behandelt und eine fast lückenlose Zusammenstellung der vorhandenen Werke gegeben^. Von dieser Bearbeitung konnten allerdings einzelne bauplastische Details, wie etwa Reliefs von Schluß steinen, nicht erfaßt werden. Viele dieser Plastiken sind schwer zugänglich, manche übertüncht, so daß ihre ursprüngliche Schönheit nicht zur Geltung kommt. Die Restaurierung der Burgkapelle hat nun die Möglichkeit gegeben, vier Plastiken dieser Art von hervorragender Qualität zu betrachten, die bisher kaum bekannt gewesen sind. Die Burgkapelle entstand in den Jahren von 1447—1449 und hat später eine Reihe von Verände rungen durchgemacht, welche die heutige Raumwirkung bestimmen^. Die Restaurierung des Innen raumes mußte sich darauf beschränken, die gegenwärtige Erscheinung zu konservieren und zu pflegen, so verlockend es auch gewesen wäre, die ursprüngliche Polychromierung der Steinteile (Rippen in Rot) freizulegen. Lediglich die Baldachine über den Figuren sollten freigelegt werden, da sich hier Vergoldun gen an einzelnen Steinteilen fanden. Es war dies nichts Überraschendes, da ja auch bei gotischen Stein teilen in der Burg von Wr. Neustadt Vergoldungen gefunden worden waren. Die Schlußsteine selbst waren wohl zu Anfang des vorigen Jahrhunderts mit einer Ölbemahmg in steingrauer Farbe versehen worden, eine Bemalung, die dem josephinischen Geschmack entsprach (Abb. 58). Sie sollten bei der Restaurierung wegen der Gesamtwirkung des Raumes auch so belassen werden, bis eine nähere üntersuchung ergab, daß unter einer vielfachen Übermalung eine besonders zarte und qualitätvolle ursprüng liche Polychromierung lag. So wurde unter Anleitung des Restaurators Prof. Oscar Lautischar durch die akad. Bildhauerin Erika Wollmann in mühevoller Arbeit mit dem Skalpell die Fassung der Plastiken freigelegt (vgl. Abb. 58 und 59). Die Schlußsteine zeigen in der Reihenfolge vom Altar zur Orgel in plastischer Ausführung Darstel lungen des Salvators (Abb. 54), der Madonna mit dem Kind (Abb. 56), des Evangelisten Johannes (Abb. 59) und des Erzengels Gabriel (Abb. 61). Die Übermalungen hatten die ungeahnte Feinheit der plastischen und malerischen Arbeit vergröbert. In allen Darstellungen sind Bezüge zu älteren Gestal tungen derselben Themen zu sehen. Ja, es wirken die einzelnen Darstellungen vielfach retrospektiv und sind für die Zeit um 1450, da sich eben der Geschmack Jakob Kaschauers in Wien durchzusetzen begann, geradezu unmodern. Es handelt sich anscheinend um höfische Arbeiten, die bei Zurückbleiben in älteren Formen eine besonders verfeinerte Ausführung zeigen. Manches erinnert noch an das 14. Jahrhundert und an die höfische Art einer längst vergangenen Epoche. Zur Beurteilung der Qualität dieser Plastiken wird es von Wichtigkeit sein, frühere Denkmale dieser Art in Wien zu betrachten, die Bauplastik des Albertinischen Chors in St. Stephan sowie die Schluß steine der Eligiuskapelle®. Etwas härter und abweichend in der Auffassung erscheinen die Schlußsteine in der Augustinerkirche in Wien, die wohl um 1340 anzusetzen sind. Genauer datieren lassen sich die Plastiken der Nikolauskapelle in der Michaeierkirche, deren Art vollkommen mit dem für die Kapelle bekannten Stiftungsdatum von 1350 zusammenstimmt. So steht auch der Schlußstein mit der Darstel lung des hl. Nikolaus in enger Relation zu der Figur desselben Heiligen an der Seitenwand. Die Schluß steine in der Eligiuskapelle der Stephanskirche (Abb. 57) dürfen wu wohl um 1360 ansetzen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Plastiken der Burgkapelle in Wien als außergewöhnliche Werke, die durch die vorhergehende Plastik im Wiener Raum und auch im Räume von Böhmen und ' Karl Ginhart, Die gotische Plastik in Wien. In: Richard Kurt Donin, Geschichte der bildenden Kunst in Wien, II. Band, Gotik, Wien 1955, S. 104. ^ Österreichische Kunsttopographie, Band XIV, Moriz Dreger, Baugeschichte der k. k. Hofburg in Wien, Wien 1914, S. 12fr. ® Österreichische Kunsttopographie, Band XXIII, Hans Tietze, Geschichte und Beschreibung des St. Stephans-Domes in Wien, 1931, S. 213. Denkmalpflege

«BS- f i i /.iL. — J 57. Wien, St. Stephan, Eligiuskapelle, Schlußstein, Madonna mit Kind, um 1360 Links: 56. Wien, Burgkapelle, Schlußstein, Madonna mit Kind (der Strahlenkranz stammt aus späterer Zeit) doch ungefähr gleichzeitig mit dem Bau selbst entstanden wären. Daß Friedrich III., in diesem. Falle als Vormund des jungen Königs Ladislaus Postumus, Bauherr war, mag vielleicht die Erklärung dafür sein, daß sich diese Werke nicht ganz in jenen Kreis eingliedern lassen, der Friedrich III. als künstlerisches Ideal vorgeschwebt sein mag. Vielleicht haben noch andere Faktoren als der Herrscher selbst und sein Geheimschreiber auf die Entstehung dieser Plastiken Einfluß genommen. Jedenfalls unterscheidet sich die verfeinerte Art dieser Plastiken deutlich von allem, was sonst Friedrich III. in Wien und Wr. Neustadt schaffen ließ. Am deutlichsten zeigt dies der Vergleich mit der Madonna von der Wappenwand in Wr. Neustadt® (Abb. 60). So ähnlich die gestaltliche Bildung der beiden Madonnendarstellungen ist, so verschieden ist die künstlerische Auffassung. Bei aller Feinheit strebt die Figur der Madonna von der Wappenwand einer neuen Realistik zu, welche der Art Jakob Kaschauers verwandt ist. Weitaus derber ist schon die Madonna des sogenannten Wr. Neustädter Altars in der Stephanskirche in Wien', der als eine Bestellung Fried richs III. im Zisterzienserstift Viktring gestanden sein soll, später im Zisterzienserstift Neukloster in Wr. Neustadt war und nun den Altar des Frauenchors von St. Stephan bildet. Auch die schöne Madonna (um. 1425), welche sich auf einem, Seitenaltar der Burgkapelle befindet und wahrschein lich auf einen Auftrag Albrechts V. (II.) und seiner Gattin Elisabeth, der Mutter des Prinzen Ladis laus Postumus, zurückgeht (Abb. 62), zeigt trotz des schönen Stiles schon realistische Züge, ist aber in der weichen, lyrischen Auffassung den Plastiken der Schlußsteine noch am nächsten, so daß Zusam menhänge nicht unmöglich erscheinen®. ® Sie war einst die Mittelflgur der drei Gestalten weiblicher Heiliger auf der Bekrönung der Wappenwand der Georgskirche in Wr. Neustadt und steht nun in der Georgskirche selbst auf einem Seitenaltar, während sich an der Wappenwand eine gute Kopie befindet. Die beiden anderen weiblichen Figuren sind schon im vorigen Jahrhundert durch neugotische Figuren ersetzt gewesen und haben nun modernen plastischen Gestaltungen Platz gemacht, triebe auch Karl Garzarolli von Thurnlackh, Mittelalterliche Plastik in Steiermark, Graz 1941. ' Tietze, a. a. O., S. 275 und 278. « Cölestin Wolfsgruber, Die K. u. K. Hofburgkapelle etc., Wien 1905, S. 369, berichtet zwar an Hand von Quellen, daß diese Plastik 1807 aus der Gardekirche am Rennweg in die Burgkapelle gebracht und mit einem Silbermantel ver sehen wurde, der Kupferstich aus dem Jahre 1705 von PfeKel und Engelbrecht beweist aber, daß es sich um die ur sprüngliche Madonnenfigur der Burgkapelle handelt, die zur Zeit Josephs I. am barocken Hochaltar stand.

58. Wien, Burgkapelle, Schlußsi ein, hl. Johannes Evangelist, vor Freilegung 59. Wien, Burgkapelle, Schlußstein, hl. Johannes Evangelist, nach Freilegung Die ikonographisclie Ähnlichkeit der Madonna von der Wappenwand und der Madonna des Schluß steines der Burgkapelle ist vielleicht vom Auftraggeber gefordert, nur daß das Hochrelief des Schluß steines ein älteres Motiv zeigt: das Kind greift nach dem Schmuckstück am Kleid der Mutter, ein Motiv, das wir in Wien hundert Jahre früher an der Dienstbotenmadonna in St. Stephan finden. Die gestaltliche Annäherung der Madonnendarstellung auf dem Schlußstein an das Gnadenbild vom Frauen berg bei Admont mag keine Zufälligkeit sein. Der Strahlenkranz aus Holz ist eine spätere Zutat. Die Art des 14. Jahrhunderts, welche Dante mit einem deutschen Lehnwort als guisa bezeichnet hatte, ein Wort, das seither aus der italienischen Sprache verschwunden ist, erscheint als das Kennzeichen der Kunstübung der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, verliert sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts langsam unter dem Einfluß der böhmischen Schule, lebt wieder auf im sog. schönen Stil und weicht endlich dem neuen Realismus, der das 15. Jahrhundert beherrscht. So sind die Reliefs an den Schluß steinen der Burgkapelle kostbare Zeugnisse eines österreichischen ,,Quattrocento", dessen unmittelbare Beeinflussung aus Italien keineswegs zwingend angenommen werden muß. Wie sehr die Ausbildung der Draperie den Vorbildern aus dem 14. Jahrhundert nachgeraten ist, zeigt ein Vergleich mit den Schluß steinen der Eligiuskapelle bei St. Stephan (Abb. 57), welche noch zu Lebzeiten Rudolfs des Stifters wohl in der Werkstätte des Meisters Seyfried entstanden sein müssen. Leider ist sowohl das Relief mit der Darstellung der Madonna wie das mit der Darstellung des Schmerzensmannes stark übertüncht, zeigt aber deutlich das schon im Schwinden begriffene Ideal der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Wegen starker Übertünchung kann leider auch nicht das schöne Madonnenrelief an dem Schlußstein der Nikolauskapelle in der Michaeierkirche zum Vergleich herangezogen werden, dessen Datierung um 1350 wohl einwandfrei gegeben erscheint. Die Darstellung des Erzengels Gabriel (Abb. 61) am Schlußstein der Burgkapelle hat Parallelen in der zeitgenössischen Malerei um 1440®, ist aber ikonographisch vorgebildet in den Schlußsteinen der ® Siehe auchLudwigBaldass,Malereiu. Plastik um 1440in Wien. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band XV, 1953, S.7 ff.

60. Wiener Neustadt , Georgs kirche, Madonna mit Kind 61. Wien, Burgkapelle, Schlußstein, Erzengel Gabriel 62. Wien, BurgkaiDclIe, Madoima mit Kind, um 1425 Aiigustinerkirche in Wien. Die Darstellung dort um 1340 entbehrt wohl jener Lieblichkeit und Anmut, welche die Schlußsteine der Burgkapelle auszeichnen. Die Verfeinerung liegt nicht zuletzt auch in der besonders subtilen Bemalung. Wenn der Salvator am Schlußstein der Burgkapelle (Abb. 54) mit dem Salvator in der Pfarrkirche in Spitz a. d. Donau (Abb. 55) verglichen wird, so ist freilich die Ausdruckskraft des überreichen Faltenwurfs und der plastischen Gestaltung der um etwa 20 Jahre früheren Plastik weitaus größer. Bei diesem Vergleich wird aber auch die uibane Veredlung klar, welche die höfische Kunst in Wien mit sich brachte, jene Feinheit der Ober fläche, die an die bemalten Terrakotten Toskanas erinnert. Es wäre erfreulich, wenn weitere Werke des bedeutsamen Plastikers der Burgkapelle bestimmt werden könnten. Der sinnende Ausdruck der Darstellung des hl. Johannes (Abb. 59) mit den hoch geschwungenen Augenbrauen, den Blick unter gesenkten Lidern, stellt dieses Werk an die Seite bester italienischer Plastiken der gleichen Zeit. Diese Kunstrichtung mag in Wien sehr bald abgestorben sein, so wie das Leben des jungen Ladislaus Postumus bald dahinschwand. Daß Friedrich III. später anderen künstlerischen Zielen zustrebte, sehen wir vor allem in der Berufung des Niclas Gerhaert van Leyden, der das Grabmal des Kaisers errichten sollte und wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der Figuren hatte, welche etwa eine Generation später als die Schlußsteine für die Burgkapelle entstanden^". Dreger, a. a. O., S. 22ff. Abbildungsnachweis: Bundesdenkmalamt (W. Wellek, E. Mejchar): Abb. 54, 56, 58, 59, 60, 61, 62; Mag. Gustav Schikola, Wien: Abb. 55; H. G. Balack, Wien: Abb. 57.

SPÄTGOTISCFIE APOSTELMEDAILLONS IN DER PFARRKIRCHE VON ST. WOLFGANG Von Gkrtrude Triff In den Sommermonaten der Jahre 1952 bis 1955 wurden die frühbarocken Wand- und Deckenmalereien der Pfarrkirche von St. Wolfgang restauriert. Diese Dekoration, laut Beschriftung am Chorgewölbe 1625 vollendet, bietet das seltene Beispiel einer einheitlichen Kirchen bemalung des frühen 17. Jahr hunderts. Als solche ist sie bedeutsam, obwohl ihr nur durchschnittliche künstlerische Qualität zukommt. Von der originalen spätgotischen Farbbehandlung des Innenraum.es hatten sich lediglich an der Westwand geringe Spuren gefunden. Dadurch war die grundsätzlich zu stellende Frage, ob in diesem Kirchenraum, der den kostbarsten Altar Michael Pachers birgt, die farbige Ausstattung der Gotik oder des Barock herzustellen wäre, zugunsten der zur Gänze erhaltenen barocken Bemalung entschieden. Hiefür sprach außerdem die Überlegung, daß diese reiche Farbigkeit schon bestand, als Guggenbichler und Schwanthaler ihre großartigen Altäre und Plastiken für den Raum komponierten, daß sie demnach als wesentliche IComponente des Raumeindrucks zu bewahren sei. Im letzten Arbeitsabschnitt der Restaurierung wurden unerwartet im Chorraum unter mehreren Tüncheschichten spätgotische Medaillons mit den gemalten Büsten der Apostel aufgefunden: durch ihre isolierte Lage in der untersten Wandzone war es möglich, sie neben der barocken Dekoration zu erhalten. Das Presbyterium ist zweijochig und wird durch drei Seiten des Achteckes geschlossen. In den Wand flächen hinter dem Altar wurden drei kreisrunde Medaillons in verhältnismäßig gutem Zustand aufgedeckt. Sie sind unterhalb der Fenster, jeweils in der Mitte der Wandflächen angeordnet, ihr Durchmesser be trägt 83 cm. Da es sich um Aposteldarstellungen handelt, war zu erwarten, daß noch weitere Medail lons, die Zwölfzahl ergänzend, vorhanden waren. Leider fanden sich von diesen nur noch spärliche Farbspuren an fünf Stellen des Chors (vgl. Abb. 63). In der Umrahmung jedes Medaillons ist oben der Name eines Apostels, im unteren Teil ein Glaubens satz des Credo in deutscher Sprache wiedergegeben. An den Endpunkten der horizontalen und vertikalen Achsen der Kreise befinden sich stilisierte Rankenornamente. Die Darstellung der Apostel als Schöpfer des Credo geht auf einen pseudo-augustinischen Sermo des 6. Jahrhunderts zurück. Nach der Legende sollen die Apostel beim Pfingstfest, unter dem Zeichen des Heiligen Geistes stehend, je einen Glaubenssatz ausgesprochen und so das Credo geschaffen haben. Diese Legende hat die bildlichen Darstellungen des hohen und späten Mittelalters sehr befruchtet und zu zahlreichen Wiedergaben in der Monumentalkunst ebenso wie in der Kleinkunst angeregt^. Auf österreichischem Gebiet sind Darstellungen der Apostel im Zusammenhang mit dem Glaubens bekenntnis bisher mehrfach bekanntgeworden. Unter anderen seien die Malereien der Magdalenenkirche zu Juden bürg, des Karners der ehem. Stiftskirche von Pernegg in Nieder Österreich oder die Fresken im Chorraum von St. Stephan in Wien, die alle aus dem 14. Jahrhundert stammen, genannt. In St. Wolfgang waren die Aposteldarstellungen auf den Chorraum beschränkt. Sie nehmen anscheinend die Stelle der sonst üblichen Konsekrationskreuze ein und können als reichere Form dieser Kreuze angesehen werden, was jedoch nicht bedeutet, daß sie schon anläßlich der Chorweihe entstanden sein müssen-. Die abgebildeten drei Medaillons befinden sich an der Fensterwand hinter dem Altar und an den seitlich angrenzenden Wandflächen. Die kontinuierliche Folge der Darstellungen ergibt den nachfolgenden Text des Glaubensbekenntnisses: Jakobus: „der empfangen ist von d. heilign geist geporn aus maria d'r iunckfrawn" (Abb. 65). Johannes: „geliten unter pontio pilato gekrew. .t gestorbn und begraben" (Abb. 66). Thomas: „der ab ist gefarn zw hellen am dritten tag erstuend von den toten" (Abb. 67). ' Vgl. Karl Künstle, Ikonographie der christlichen Kunst, Herder & Co., Freiburg i. Breisgau, 1928, Band 1, 8. 181 ff., und Julius Baum, Malerei und Plastik des Mittelalters in Deutschland, Frankreich und Britannien, 2. Teil, 1930, akad. Verlagsgesellschaft Athenaion, Wildpark-Potsdam, S. 19.51. ^ Für St. Stephan in Wien führt LK Dr. Zykan den Beweis, daß die Medaillons nicht schon anläßlich der Chorweihe 1340, sondern erst später entstanden sind, weil sie auf die Inschrifttafel anläßlich des Todes Rudolfs IV. (136.5) Rücksicht nehmen. Er bringt ihre Herstellung mit diesen Feierlichkeiten in Zusammenhang.

mmm.: ■iinnn 63. St. Wolfgang, Pfarrkirche, Grundriß Die Zipfern bezeichueu die Stellen, an denen sicli Medaillons oder deren Spuren befinden; die eingeklammerten Ziffern geben die vermuteten weiteren Medaillons an. 3 .lakobus 5 Thomas 12 Matthias 4 Johannes 11 Bartholomäus fi, 9, 10 Spuren 64. St. Wolfgang, Pfarrkirche, Gesamtansicht des Chors. Unterhalb der Fenster die freigelegten Apostelmedaillons Nach dem pseudo-augustinischen Sermo waren die Glaubenssätze den Aposteln in folgender Reihen folge zugeordnet: Petrus, Andreas, Jakobus-Major, Johannes, Thomas, Jakobus-Minor, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Simon, Judas-Thaddäus, Matthias. Die Apostelnamen und Worte auf den Rahmen der oben angeführten Medaillons entsprechen dieser Reihung. Bei den fünf übrigen, nur in Bruchstücken aufgefundenen Rundbildern, waren nur noch die Namen Bartholomäus und Matthias erkennbar. Das Bild des Apostels Bartholomäus ist unmittelbar vor dem des Matthias angebracht, was der Reihenfolge zwar nicht entspricht aber nicht weiter verwunderlich ist, weil die Reihung nicht immer eingehalten wird, die Zuordnung der einzelnen Glaubenssätze zu den Aposteln vielmehr wechselt. Derartige Verwechslungen können auch in St. Magdalena in Judenburg beobachtet werden. Es wäre demnach nur festzustellen, daß vor den drei erhaltenen Medaillons des Jakobus, Johannes, Thomas, zufolge des Textes des Glaubensbekenntnisses, zwei andere Aposteldarstellungen Platz ge funden haben müssen. Welche Apostel hier dargestellt waren, bleibt offen. Die Annahme, daß der erste Satz des Glaubensbekenntnisses im zweiten Joch des Chorraumes an dessen Nordseite begonnen hat, wird gestützt durch die Auffindung des Medaillons des Apostels Matthias im ersten Joch des Chor raumes, welches, diesmal wieder dem Sermo entsprechend, die Schlußworte des Credo zeigt. Alle weiteren Überlegungen über die Anordnung können nur hypothetisch sein, denn auch die Aus teilung der Rundbilder innerhalb der Wandflächen war, wie aufgefundene Farbreste zeigen, nicht durch wegs gleichartig. Zur technischen BeschaffenJieit der Malereien ist zu sagen, daß es sich um kein Fresko handelt, ja, daß die Farbe, wie am Medaillon des südlichen Triumphbogenpfeilers, sogar unmittelbar auf dem bloßen Stein liegt. Es ist anzunehmen, daß die Malereien in Kalk mit Beimischung organischer Substanzen ausgeführt worden sind. Sie sitzen auf einem sehr rauhen Putz und haben eine überaus harte Farbschichte

■■3:m wm m ,'i 65. St. Wolfgang. Chor, Medaillon mit der 66. St. Wolfgang, Chor, Medaillon mit der 67. St. Wolfgang, Chor, Medaillon mit der Darstellung des Apostels Jakobus Darstellung des Apostels Johannes Da.rstellung des .A-postels d"'homas gebildet. Die CJrundfarbe der Wandfläclien war ein zum Gran gebrochenes Weiß. Die Farbigkeit ist wohl kontrastreich, in der Gesamtwirkung aber dennoch harmonisch. Es finden sich Zusammenstellungen von Moosgrün und Karminrot (Unterkleid und Mantel des Apostels Jakobus), Eisenoxydrot und Weiß (Gewand und Mantel de.s Apostels Johannes), helles Ockergelb und Moosgrün (Gewand und Kragen sowie Hut des Apostels Thomas). Der Erhaltungszustand ist bei den drei näher besprochenen Medaillons sehr gut, soweit nicht infolge mechanischei Einwirkungen ganze Teilstücke bis zum Giunde zerstört sind. Es ist jedenfalls nicht nur die Vorzeichnung, sondern der ganze Aufbau der farbigen Schicht erhalten. Die Restaurierung hat sich darauf beschränkt, in Kalkkasein kleinere Fehlstellen farbig auszutupfen, größere Fehlstellen jedoch in einem grauen Ton, dem jeweils die Lokalfarbe der Umgebung beigemischt wurde, neutral zu schließen. Von den Ranken waren allerdings nur so geringfügige Reste erhalten, daß sie gänzlich überstrichen worden sind. Von den aufgefundenen Farbresten sind nur die unter den Ziffern 10 und 12 belassen, die drei übrigen (6, 9, 11) ebenfalls überstrichen worden. Zum Ausdrucksgehalt wäre zu bemerken: Die Physiognomien sind durch derbe Typen mit ernstem, wehmütigem und verschlossenem Ausdruck gekennzeichnet. Auffallend erscheinen die sehr langen gera den Nasen, die herabgezogenen Mundwinkel und die von der Nase zu den Wangen verlaufenden tiefen Faltenkerben. Schmale sichelförmige Schlitze lassen zwischen Ober- und Unterlid das Auge erscheinen. Der Blick ist unbeteiligt über den Beschauer in die Ferne gerichtet oder gesenkt, dann decken das Auge schwere mandelförmig gezeichnete Oberlider. Ebensowenig wie der Gesichtsausdruck eine gefühls betonte innere Beteiligung erschließen läßt, tut dies die Gesamthaltung. Die kompositioneile Einordnung der Figur ist symmetrisch, durch klaren Dreiecksaufbau gekennzeichnet. Die knittrigen, jedoch nicht scharfkantig gebrochenen Faltenstege des Gewandes sind nicht durch Körperbewegungen hervorgerufen, sondern scheinen willkürlich gebildet. Auffallend unbeholfen sind die Handhaltungen. Ein Hauptcharakteristikum der Malereien liegt zweifellos in ihren plastisch-räumlichen Tendenzen. Alle bekannten Elemente plastischer Malerei sind angewandt. So werfen die Figuren und die ihnen zu gehörigen Attribute deutliche Schlagschatten; diese Gegenstände und Gewandpartien überschneiden die Bildvahmen, die ebenso wie die Bildnisse durch gleiche Mittel zu plastischem Eindruck gebracht werden. Der Abstand der Qualität verbietet es zwar, die Medaillons mit dem Fächer-Altar in Zusammenhang zu bringen, und doch findet man am Altarwerk und bei den Arbeiten Pachers an anderen Orten die Elemente vorgebildet, von denen der Schöpfer der Apostelmedaillons seine Anregung erhielt. So gehen die Gesichtstypen zweifellos auf die Kenntnis der Arbeiten Michael Pachers bzw. seiner Werkstätte zurück. Beispiele hiefür bieten etwa der Kopf des hl. Johannes, der augenfällig mit dem des hl. Ambrosius an der Predella des Pacher-Altars die Grundzüge gemein hat (Abb. 66 und 69). Alle Einzelheiten der Mundpartie, der Nase, der starken Falte vom Nasenflügel zur Wange sind hier schon

()S. St. Wolfgang, Pacheraltar, Predella: die Kirchenväter Gregor und Hieronymus 09. St. Wolfgang, Pacheraltar, die Kirchenväter Augustinus und Ambrosius vorgebildet. Auch die schweren Augendeckel des hl. Gregor sind bei der Darstellung des Apostels Jakobus (Abb. 68 und 65) angewendet. Der Vergleich der Medaillons mit diesen, beiden Predellenbildern zeigt sogar die Verwendung ähnlicher Bewegungsmotive und geht soweit; daß selbst die Handhaltung anscheinend entlehnt ist. Verstärkt werden diese Beobachtungen durch die Parbigkeit der Medaillons, die sich auffallend der Farbskala des Altars anschließt. Die zur Erhöhung der räumlichen Wirkung angewandten Mittel sind ein besonderes Kennzeichen Pacherscher Malerei und der von ihm beeinflußten Südtiroler Kunst des dritten Viertels des 15. Jahrhunderts. Unter den vielen Beispielen sei nur das Schlußsteinfresko Michael Pachers in der Erasmuskapelle in Taisten (Weihe 1472) zum Vergleich herangezogen^, oder es seien die Gewölbemalereien in der alten Sakristei in Neustift bei Brixen (Einwölbung 1467), hier insbesondere der Schlußstein Friedrich Pachers, genannt*. Sie bieten durch Einzelzüge, wie das charakteristische Übergreifen der Komposition über den Bildrand und die durch tiefe Schatten erzielte plastische Modellierung, wertvolle Vergleichsmöglichkeit-en mit unseren Medaillons. Eine über diese aufgezeigten Elemente hinausgehende Verbindung mit Werken Pachers oder seines Kreises kann nicht festgestellt werden®. Aus den geschilderten Merkmalen geht hervor, daß die Medaillons wohl von der Hand eines Mit arbeiters der Pacher-Werkstätte stammen dürften, eines Gehilfen, der gewisse Eigenheiten der Werkstätte beherrscht, ohne es selbst zur Meisterschaft gebracht zu haben. Sie dürften zeitlich in engstem Zusammen hang mit dem Altar, etwa bei dessen Aufstellung, entstanden sein. Als Zeugnisse der ursprünglichen Ausstattun.g des Kirchenraumes und der engsten Umgebung des Altars sind sie von besonderem Wert. ® Siehe Josef Weingartner, Gotische Wandmalerei in Südtirol, Verlag Anton Schroll, Wien, 1948, Abb. 141. ^ Derselbe, Abb. 138-—-140. ^ So besteht auch keine nähere Beziehung zu den Gewölbefresken Michael und Friedrich Pachers in der Stiftskirche von St. Paul im Lavanttal. Abbildungsnachweis: Eiersebner, Linz: Abb. 64, 68, 69; .Denkmalamt, Linz: Abb. 65—67. Denkmalpllege

iv-,J Iii 70. Palais Schwarzenberg. Kuppelsaal vor der Zerstörung DER KUPPELSAAL IM GARTENPALAST SCHWARZENBERG GRUNDSÄTZLICHE ÜBERLEGUNGEN ZUR WIEDERHERSTELLUNG Von Michel Engelhart Der Gartenpalast Schwarzenberg — die großartige Schöpfung von Johann Bernhard Fischer von Er lach und Johann Lukas von Hildebrandt —, welcher in den letzten Wochen des Krieges nur knapp der vollstcändigen Zerstörung durch Bomben entgangen war, erlebt nun seine Wiederherstellung^. Die Fliegerbomben hatten außer dem Westflügel des Hauptgebäudes und der stadtseitigen Loggia, die in Trümmer sanken, den Kuppelsaal — Mittelpunkt der Gesamtanlage und ihr künstlerisches Zentrum — aufs schwerste getroffen (Abb. 73). Der Wiederaufbau mußte sich in den ersten Jahren nach Kriegsende darauf beschränken, die Sub stanz vor weiterer Schädigung zu bewahren und, wenn auch nur im Rohbau, Hauptmauern und Decken sowie das Dach erstehen zu lassen. Als sich die Fürstlich Schwarzenbergische Verwaltung entschloß, auch die Wiederherstellung des Kuppelsaales (Abb. 71) in Angriff zu nehmen, hatte sich die Denkmalpflege mit folgenden Gegeben heiten auseinanderzusetzen: Das mit einem monumentalen Freskogeniälde Daniel Grans geschmückte Kuppelgewölbe über dem quadratischen Mittelraum war zur Gänze eingestürzt, während die Gewölbe der beiden, in der Nord-SüdAchse gelegenen Apsiden schwerste Beschädigungen aufwiesen. Tür- und Fensterstöcke waren durch die Wirkung der Bombentreffer herausgerissen, der marmorne Fußboden zerstört, die Kunstmarmor- und Stuckverkleidung der Wandflächen weitgehend abgesplittert. Es war ein besonderer Glücksfall, daß die flgural-plastische Dekoration, die acht prachtvollen Atlanten der Apsiden, erhalten blieben (Abb. 73). ^ Die Daten der Baugeschichte seien kurz in Erinnerung gebracht: Erbaut nach den Plänen von J. L. von Hildebrandt seit 1697 für Gral Mansfeld Fürst Fondi, jedoch nur teilweise fertiggestellt. 1716 Besitzwechsel, Ankauf des unvollendeten Bauwerks durch Adam Franz Fürst von Schwarzenberg und Betrauung von J. B. Fischer von Erlach mit der Fertigstellung (bis 1723). Durch ihn erfolgte der Umbau und die endgültige Ausgestaltung des Kuppelsaales (Abb. 70, 72, 75). Die Deckenfresken wurden durch Daniel Gran 1723/24 geschaffen (Abb. 72, 74). (Vgl. B. Grimschitz: Wiener Barockpaläste, Wien 1944.)

'iftil 72. Palais Schwarzenberg, Kuppelsaal, Seitenapsis und Kuppel vor der Zerstörung 73. Palais Schwarzenberg, Kuppelsaal, Seitenapsis und Kuppel nach der Zerstörung Die beschriebenen baulichen Schäden — dies war von allem Anfang an klar — konnten, sobald die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben waren, zum großen Teil mit den Mitteln handwerklichen Könnens behoben werden. Unersetzlich aber war der Verlust der künstlerisch hochwertigen Decken malereien von Daniel Gran. Eine Analyse des Raumes ergibt die klare Unterscheidung zwischen den plastisch gegliederten Wandfläohen und der über dem Kranzgesims des Gebälkes ansetzenden malerischen Zone. Zu ihr gehören die beiden halbkreisförmigen starkfarbigen Lünetten an den seitlichen nicht durchbroclienen Wandflächen des Kuppelraumes, die Pendentifs mit ihren Blütengehängen und Grisaillen sowie die buntfarbigen Zwickelfüllungen in den Apsisgewölben (Abb. 72, 75). Über dem Kuppelgesimse aber entwickelte sich die dramatisch bewegte Malerei des Deckenfreskos. — Die Raunikomposition hatte zweifellos von Anfang an die durch die Farbe hervorgebrachte Verbindung des Mittelraumes mit den Apsiden und gleichzeitig die Raumerweiterung nach oben vorgesehen und in Rechnung gestellt. Während die Hauptkuppel ohne Architekturglieder allein durch malerische Mittel gestaltet war, sind die beiden Apsiden architektonisch gegliedert. Über den Kämpfergesimsen spannen sich gegen eine stark betonte Mittelrosette plastische, sich verjüngende Bänder, die tragende Funktion der Atlanten fortsetzend. — Die Felder zwischen diesen Gurtbändern trugen gemalte figurale Darstellungen. Das Problem, das sich nun bei einer Neugestaltung durch die fast gänzliche Zerstörung dieser Malereien ergab (erhalten blieben: die Lünetten über den Seitenwänden — verhältnismäßig wenig beschädigt —, die Malereien der Pendentifs und geringe Reste der einfigurigen Zwickelbilder der Apsiden), bestand in der Auseinandersetzung mit den denkbaren Möglichkeiten der Rekonstruktion. — Es war in erster Linie zu untersuchen, in welchem Sinn die Erneuerung der Deckenzone erfolgen könnte. Folgende Lösungen waren zu erwägen: 1. Die farbige Rekonstruktion im Sinne der ursprünglichen Idee

... i El-f 74. Daniel Gran, Ölskizze zum Kuppelfresko 75. PalaisSchwarzenberg. vSeitenwandd. Kuppelsaales vor cl.Zerstörung a) durch die Herstellung einer Kopie, b) durch eine Umsetzung in moderne Malerei. 2. Die sachliche Wiederherstellung der Gewölbeformen im Mittelraum und in den Apsiden ohne jeg lichen Dekor. 3. Der Versuch einer neuen Lösung der Kuppeldekoration. Für die Ausführung einer Kopie der zerstörten Deckengemälde wären ausreichende Unterlagen vor handen gewesen. Neben Farblichtbildern des ursprünglichen Zustandes konnte insbesondere der erhaltene Entwurf des Kuppelfreskos herangezogen werden (Abb. 74). Diese Ölstudie von der Hand Daniel Grans zeigt im Maßstab 1:10 der natürlichen Größe die Bewegtheit und kontrastreiche Farbigkeit der Kompo sition bis in Einzelheiten. Kopien von Arbeiten malerisch-dekorativer Haltung sind in Osterreich nach dem zweiten Weltkrieg ausgeführt worden, mit vollem. Hecht dann, wenn es sich um. die Wiederherstellung eines bestimmten Raumeindrucks handelte und zu diesem Zweck nur Teile eines größeren Werkes ergänzt werden mußten. Es soll hier auf die Erneuerung der teilweise zerstörten Deckengemälde von Cosmas Daniel Asam in der Stadtpfarrkirche zu St. Jakob in Innsbruck und auf die ergänzende Wiederherstellung der Decke in der großen Galerie des Schlosses Schönbrunn mit den Fresken von Gregorio Guglielmi hingewiesen werden. Beide Restaurierungen nach Kriegsschäden sind als durchaus gelungen zu bezeichnen. — In beiden Fällen wurde die für die Raumwirkung entscheidende einheitliche Deckengestaltung durch treuliche Ergänzung auf Grund genügender Unterlagen besser erreicht, als dies etwa durch Ausfüllen der Fehl stellen. mit neutralen Tönen und der hiebei besonders sichtbar gemachten Betonung der erneuerten Teile hätte geschehen können. Im Kuppelsaal des Palais Schwarzenberg aber wäre die gesamte Deckenmalerei — nicht nur Teile von ihr — als Kopie neu herzustellen gewesen. Der Versuch, das ausgezeichnete Werk eines vortrefflichen Meisters der barocken Malerei Österreichs, in dem sich das Wesen des Künstlers in hoher Vollendung spiegelte, zur Gänze wiederherzustellen, wäre abwegig gewesen: vom Ersatz der verlorengegangenen Deckenmalereien durch Kopien wurde daher Abstand genommen.

'^'Kjw-^'MIiT^ w*•- p iwa« !r-.-J ' *fcft' 76. M. Engelhart, Skizze des Kuppelsaales, verworfene Kuppellösung 77. M. Engelhart, Skizze des Kuppelsaales, ausgeführte Kuppellösung Auf Grund der vorliegenden Erfahrungen mußte auch die freie Kopie von Künstlerhand, die durchaus denkbare Möglichkeit, mit nachschaffenden malerischen Mitteln den erstrebten ursprünglichen Raum eindruck zu erzielen, abgelehnt werden. Es blieb die Erwägung, ob die Ausführung neuer Deckenmalereien einem modern empfindenden Künstler, bewußt gelöst von traditioneller Bindung, anvertraut werden solle. — M^as war das Charakteristikum der barocken Gestaltung ? Das unerhört bewegte dramatische Geschehen im Himmel über dem Raum, die ins Dunkel stürzenden und ins Licht steigenden Figurengruppen, die aus Erfahrung und rei chem Können angewandten Gesetze der Luft- und Linearperspektive.—All das aber sind künstlerische Ziele, die weit entfernt liegen von denen der heutigen Malerei. — Das Abstrakte, Plächenhafte, bewußt nebeneinander Gestellte oder sich Überlagernde von Farben und Formen entspricht der Malerei unserer Zeit; das Illusionistische eines vielschichtigen und tief geöffneten Raumes scheint ihr in großem Maße zu widerstreben. Die malerische Ausschmückung eines so bedeutenden Architekturwerkes, wie es der Kuppelsaal des Palais Schwarzenberg ist, durfte aber keinesfalls Gegenstand eines in seinem Gelingen zweifelhaften Experiments sein. Eine andere Möglichkeit der Rekonstruktion wäre die oben angeführte sachliche Wiederherstellung der Gewölbeformen unter Verzicht auf jede Flächendekoration gewesen. Diese theoretisch einwandfreie, künstlerisch jedoch unbefriedigende und nüchterne Lösung wäre dem festlichen Charakter des Raumes keineswegs gerecht geworden und war deshalb abzulehnen. Aus den oben dargelegten Erwägungen ergab sich zwangsläufig der Versuch einer neuen Gestaltung der Kuppel unter Verzicht auf malerische Dekoration. Es war naheliegend, an Lösungen zu denken, die den Gestaltungsprinzipien gewölbter Zentralräume des 18. Jahrhunderts im allgemeinen entsprechen. — Bei einer so eigenwilligen Raumschöpfung, wie sie der Kuppelsaal dieses Gartenpalastes darstellt, war natürlich nicht an eine ,,wortgetreue" Übernahme von Dekorationsformen anderer Kuppelräume zu deiiken. Es mußte vielmehr versucht werden, aus den Gliederungselementen des Raumes ein folgerichtiges Dekorationssystem für die Kuppel zu entwickeln. Die ersten Studien galten dem Versuch, die Gliederung der Apsiden auf die Mittelkuppel zu über-

ml} ; f I i J -.. Engelhart. Skizze der Kuppel mit "" beiden Lösungen tragen (Abb. 76, 7Sreclit.s). Dabei erwies sich, daß der Anlauf derLisenen an das Kuppelgesimse an den jenigen Stellen besonders ungünstig wirkte, die dem Scheitelpunkt der Gurtbogen am nächsten lagen. Hier fehlte jene Beziehung der versuchten radialen Gliederung der Kuppel zur Struktur der Wand, die den Apsiden wesentlich ist. Die aus der Zeichnung bereits erkannte Schwäche wurde durch einen Versuch am originalen Gewölbe noch stärker erkennbar. Denn der Vertikal schnitt durch die Mittelkuppel zeigt im Verhältnis zum Durchmesser ihres Grundkreises eine sehr geringe Stichhöhe, während die Ge wölbe der Apsiden viertelkreisförmigen Querschnitt aufweisen (Abb. 71). Die versuchte Lisenengliederung des Kuppelgewölbes ließ dieses — im Gegensatz zu den Apsiden — allzu flach und gedrückt erscheinen. Das beschriebene Prinzip zum Mittelpunkt zielender Lisenen wurde zwar wiederholt bei kuppel gewölbten Räumen, insbesondere im französischen Barock, ausgeführt. Die Voraussetzung für ihre überzeugende Wirkung ist jedoch das Herauswachsen der Gurtbogen aus einer vertikalen Zone über dem Kuppelgesimse, einem mehr oder minder hohen Tambour, der im Palais Schwarzenberg fehlt. Hier setzt vielmehr die Kuppelscliale unmittelbar über dem Kuppelgesimse mit segmentförmigem Querschnitt an. Aus dem genannten Versuch war deutlich geworden, daß das Prinzip der malerischen Dekoration, nämlich die über dem Raum schwebende Schale, auch dann beibehalten werden mußte, wenn keine malerischen, sondern plastische Dekorationselemente angewendet wurden. Ein Dekor der Kuppel ohne strukturelle Bedeutung aber konnte vom Hauptgesims gegen den Scheitel aufstrebend oder vom Zenit nach unten ausstrahlend entwickelt werden. — Die Entscheidung fiel im Sinne der letztgenannten Idee, wobei die Dekoration aus goldgerahmten Feldern und Blütenschnüren ohne Berührung mit dem Kranzgesimse angeordnet wurde, um das Schwebende der Decke zu unterstreichen. Die ausgeführte und nunmehr fertiggestellte Arbeit ist in Abb. 77 und 78 links festgehalten^. Die Felder erhielten innerhalb der Rahmungen eine zartgraue Tönung, ebenso die Zwickelfüllungen der apsidialen Gewölbe. — Dadurch wurde eine Zusammenstimmung mit den Pendentifs erreicht®. Obwohl die vom Verfasser vorgeschlagene und ausgeführte Lösung seiner Meinung nach der künst lerischen Haltung des Raumes entspricht, kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Krönung und Vollendung der Raumwirkung nur mit farbiger Behandlung des Kuppelgewölbes zu erreichen wäre. Möge ein dem genialen Baumeister ebenbürtiges malerisches Talent erstehen, das dieser Aufgabe ge recht zu werden vermag! 2 Die noch bestehende Einrüstung des Kuppelsaales hat bisher eine photographische Erfassung des Raumbildes mit der neuen Kuppellösung nicht ermöglicht. ® Die Wiederherstellungsarbeiten wurden vom BDA (Staatskonservator Dr. Waltraud Blauensteiner und Staatskonservatoi' Dr. Josef Zykan) geleitet. Abbildungsnachweis: E. Frodl-Kraft: Abb. 70, 75; Bildarchiv der Nationalbibliothek: Abb. 72; Landesbildstelle für Wien und Niederösterreich: Abb. 73; Bundesdenkmalamt: Abb. 74.

1-" ~*T il m .^.1 70. Schloß Neuwartenburg, Gartenseite ZUR BAUGESCHICFITE DES SCEILOSSES NEUWARTENBURG, OÖ. Von Inge Höker-Wbgleitbr Im Rahmen der Bearbeitung der Kunsttopographie des Bezirkes Vöcklabruck wurde die Baugeschichte des Schlosses Neuwartenburg untersucht. Das Schloß wurde in Erwartung eines Besuches, den Kaiser Karl VI. in Wartenburg abzustatten versprochen hatte, unter der Bauherrschaft Johann Alberts St. Julien, Reichsgrafen von Walsee, im wesentlichen in den Jahren 1730—1732 errichtet. Der Kaiser weilte tatsächlich, und zwar vom 4. bis 6. September 1732, in Neuwartenburg^, so daß der Bau den ihm zugedachten Zweck auch wirklich erfüllen konnte. Bei der nach dem Ankauf des Wartenburger Archivs durch das oberösterreichische Landesarchiv im Jahre 1954 besorgten Ordnung der Bestände fanden sich zwei für die Baugeschichte besonders wichtige Dokumente. Das eine ist eine von Bartolomen Altomonte unterzeichnete und mit 12. Sept. 1737 datierte Bestätigung über den Erhalt des ausstehenden Restbetrages von 300 Gulden für den ,,in Fresco gemallenen Saall". Damit erscheint die Freskoausstattung des Mittelsaales mit der Darstellung des Triumphes der Zeit, erläutert durch die vier Jahreszeiten, an der Kuppel und den vier Elementen an den Wänden für Bartolomeo Altomonte urkundlich gesichert''^. Das zweite Dokument enthält einen von ,,Antony Erharto Martineiii" unterzeichneten Kostenvoranschlag für das zu erbauende Lustschloß. Mit diesem scheint nicht nur der bisher unbekannte Architekt des Schlosses festzustehen, sondern auch ein neuer Bau A. E. Martineiiis aufgefunden. Anton Erhart Martineiii, geb. um 1684 (1686), gest. 1747, kann bei den zahlreichen Bauten, mit denen sein Name in Verbindung gebracht wird, meist nur als Bauführer und nicht als selbständiger Erfinder genannt werden. Schon Ilg weist auf die Verbindung zwischen den beiden Fischer von Erlach und der Baumeisterfamilie Martineiii hin und nennt Anton Erhart unter anderem bei verschiedenen Fischerschen Bauten in untergeordneter Stellung. Ein selbständiger Bau Martineiiis wäre nach Ilg das Invalidenhaus in PestL ^ W. Rausch, Die Hofreisen Kaiser Karls VI., Wiener Dissertation 1949, 8. 149. - Bei einem Brand 1940 wurde das Kuppelfresko schwer beschädigt, die Fragmente wurden abgenommen, auf Leinwand aufgezogen und im Schloß deponiert. Ihre Wiederanbringung ist beabsichtigt. ^ A. Ilg, Die Fischer von Erlach, Wien 1895, S. 346.

m.y i-- Ii i.'' 80. Schloß Neuwartenburg, Haupteinfahrt in den Ehrenhof 81. Portal des Palais Aithan in der Ungargasse. Stich von Salomon Kleiner Das Schloß Neuwartenburg, dessen Hauptbau über breitreebteckigem Grundriß ein Hauptgeseboß und ein niedrigeres Obergeschoß besitzt, umfaßt mit seitlichen, zum Hauptbau im rechten Winkel stehenden eingeschossigen Flügelbauten und einer im Bogen geführten Mauer mit einer dreiteiligen, von pavülonartigen Torbauten flankierten mittleren Einfahrt einen weiten Ebrenbof (Abb. 80, 85). Der Hauptbau, die Flügelbauten und die dem Schloß gegenüberliegende, den Hof abschließende Mauer sind durch Gittertore miteinander verbunden. Gemauerte, mit flachen Zeltdächern überdeckte Pfeiler, die Vasen tragen, fassen die Tore ein. Die Gliederung des Hauptbaues wird durch einen längsgericbteten, sechseckigen, das Obergeschoß durchstoßenden Mittelsaal bestimmt, der ein Mansardendacb trägt, das den einheitlichen Dachfirst überragt. An der Gartenseite schiebt er sich mit drei Seiten des Sechseckes über die Fassade vor, wobei das Mansardendacb besonders gewichtig in Erscheinung tritt (Abb. 79); an der Hofseite ist er im Außenbau nur durch die Überdachung gekennzeichnet, die jedoch hier mehr im Hintergrund bleibt. An dieser Seite ist dem Bau eine dreiachsige Portalvorballe vorgelegt, deren Arkaden oben in Rund- und Korbbogen schließen (Abb. 80, 85). Das denVorbau überdachende Satteldach bildet in der Vorderansicht einen flachen Dreieckgiebel (in dessen Mitte das Wappen der Grafen St. Julien), der ein vierseitiges Glocken türmeben mit flachem, leicht glockenförmigem. Helm trägt. Beiderseits, an der Hof- und an der Gartenseite, klingt die starke Hervorhebung des Mittelteiles in seichten Seitenrisaliten aus, deren Fenster acbsenweise durch Putzstreifen und Parapetts zusammengefaßt sind. Im übrigen ist die Mauer durchgehend gebändert. Im Hauptgescboß werden die Fenster von horizontalen Gesims stücken verdacht, zwischen dem Gesimse und dem Fensterabscbluß Putzrabmenfelder mit leicht eingeschwungenen Schmalseiten und Keilsteinen. Nicht nur im Inneren des Schlosses — im Mittelsaal und in den Räumen des Erdgeschosses — findet sich qualitätvolle Stuckarbeit, auch die Portalvorhalle und der vorspringende Mittelteil der Gartenfassade sind mit zartem Stuckornament verziert. — Die niedrigen, in ihrem mittleren Teil durch ein einfaches Satteldach gedeckten Flügelbauten bilden an beiden Enden kleine, ebenso niecbige, hreitlagernde Pavillons mit wenig höheren Mansardendächern, die mit Ausnahme ihrer Proportion den beiden kleinen Torbauten, die die mittlere Einfahrt flankieren, entsprechen. Die Torwächterhäuschen sind als selbständigere Bauten etwas höher und schlanker gestaltet. Sämtliche Dächer, das des Hauptbaues sowie die der Nebenbauten, sind mit Holzschindeln gedeckt. Die Mauer, die die an die Flügelbauten anschließenden seitlichen Einfahrten mit der Haupteinfahrt verbindet, schließt an die beiden Seitentore in voller Pfeilerhöhe an, um in der Art einer Schmiege kurz nach dem Ansatz auf ungefähr halbe Höhe abzusinken; in dieser Höhe wird sie bis knapp vor die Torhauten weitergeführt, wo sie korrespondierend leicht nach aufwärts zieht und eine liegende Schnecke bildet. Das dreiteilige Einfahrttor ist in seinem Mittelteil mit Ausnahme der reicheren plastischen Bekrönung der Pfeiler übereinstimmend mit den seitlichen Einfahrten gebildet; zwischen Pfeiler und Torwächter häuschen schieben sich hochrechteckige, kleinere, mit Gitter verschlossene Portalöffhungen, über deren 9 Denkmalpflege

SCHIOSS 'ö.ARrfcMÜURü- -I #( III l_JL_ T- iTK^iPTTi vW *■>. ., r i ^ ■f" •£• 82. Grundriß des Schlosses Neuwartenburg I w» ■«> f«*r [! ioil- ^un j ■>, ^ ■* a(ii im- nii^ ^te .fjuir in* AipJ»«< 83. Grundriß des Gartenpalais Althaii in der Ungargas.se. Stich von Salomen Kleiner horizontalen Abschluß sich eine, die Form der Hofinauer im kleinen abwandelnde Schmiege mit Figuren über den Schnecken legt (Abb. 80). Für die Anlage des Schlosses und die Komposition seiner Räume im Hauptgebäude findet sich ein eindeutiges Vorbild im Althanschen Gartenpalais in der Ungargasse in Wien, einem Hauptwerk Josef Emanuel Fischers von Erlach, das nur in Kleiners Stichwerk überliefert ist (Abb. 81, 83, 84, 86). Auf die Verwandtschaft hat schon H. Sedlmayr hingewiesen^. Martineiiis Eigenheit gegenüber seinem Vorbild äußert sich in einer gelösteren Gesamtkonzeption, in leichteren und zierlicheren Einzelformen und in einer Zurückhaltung gegenüber der dynamischen Bewegung, die bis ins Detail geht. Fischers streng rechteckiger Ehrenhof, bei dem die Flügelbauten auch über die dem Schloß gegenüberliegenden Ecken weitergeführt und durch einen monumentalen dreiteiligen Tor bau miteinander verbunden werden, steht im Gegensatz zur lockeren Komposition Martineiiis, und der Gliederung seines Hauptbaues wird schon durch die Eingeschossigkeit und die ovale Form des Mittelsaales größere Spannung verliehen. Der Betonung der Mitte stehen kräftige und selbständig überdachte Risalite zur Seite. Auch im Detail, in der Gliederung der Außenmauer, in der Form und Bekrönung der Fenster kommt die stärkere Dyna mik Fischers zum Ausdruck. Die Anlehnung an die Althanschen Bauten scheint uns hier, wo es galt, ein Schloß für den Besuch Kaiser Karls VI. zu bauen, schon aus historischen Gründen erklärbar: Der Bauherr des Althanschen Schlosses, Graf Gundacker Althan, stand als oberster Leiter aller Hofbauten bei Karl VI. in hoher Gunst. ,,Am neuen Hof erscheint man in Gundacker Althan den Mann erkannt zu haben, dem es vermöge seiner Begabung beschieden war, den großen Künstlern der glanzvollsten Bauperiode Wiens fördernd, wohl auch anregend zur Seite zu stehen"®. Es ist wohl zu denken, daß der Bauherr von Neuwartenburg den Rat des Grafen Althan hinsichtlich der Gestaltung seines Vorhabens als auch der Person des Architekten ein geholt hat. Daß beim Bau des Schlosses Neuwartenburg Josef Emanuel Fischer von Erlach aber auch persönlich beratend zur Seite gestanden ist, geht aus einem undatierten Gutachten über den Bau eines Brunnens hervor, der sich unter den erwähnten archivalischen Belegen befindet und mit ,,V. Fischer Kais. Hofkammerrath und Architekt" unterzeichnet ist. Aus zeitlichen Gründen kann es sich nur um Fischer den Jüngeren gehandelt haben. Zwei weitere Vergleichsbeispiele bieten sich uns im Bau des jetzigen Palais Schwarzenberg in Wien von Lukas von Hildebrandt und Johann Bernhard Fischer von Erlach — ein Bau, bei dem A. E. Martinelli selbst an ,,untergeordneten Bauarbeiten" beschäftigt war® — und im ersten, nicht ausgeführten ■* österreichische Barockarchitektur 1690—1740, Wien 1930, S. 75. ä Marianne Zweig, Die gräflich Althanschen Gartenpaläste in Wien. In Jb. cl. kunsthist. Institutes der k. k. Zentralkommis sion f. Denkmalpflege, Bd. XI. 1917. Beiblatt, Sp. 97. 8 A. Ilg, a. a. O., S. 326.

84. Gartenpalais Althan in der Ungargasse, Ehrenhof. Stich von Salomon Kleiner 85. Schloß Neuwartenburg, Hauptfassade gegen den Ehrenhof Projekt des älteren Fischer für das Schloß Schönbrunn. Die Übereinstimmung mit dem Palais Schwarzen berg liegt vor allem in der Hervorhebung und Isolierung des Mittelsaales, die wohl hier in der Dachform noch konsequenter durchgeführt ist, der dreiachsigen Portalvorhalle an der Ehrenhofseite sowie dem Vortreten des beim Wiener Bau allerdings ovalen Mittelsaales an der Gartenseite. In der Geschoß teilung der an den Mittelsaal anschließenden Seitenflügel des Hauptbaues steht Neuwartenburg dem Schwarzenberg-Palais näher als dem Althanschen Bau. Auf die bewegte Form der den Ehrenhof des Palais Schwarzenberg abschließenden Mauer muß im Hinblick auf die Lösung in Neuwartenburg be sonders hingewiesen werden'. Bei einem Vergleich mit dem ersten Projekt von Schönbrunn ist lediglich der Mittelteil des Projektes heranzuziehen, der Übereinstimmung in der Gliederung der Hoffassade zeigt wie die übergiebelte Portalvorhalle, Geschoßeinteilung in Haupt- und Halbgeschoß und flache Seitenrisalite, die in der Dachform unbetont bleiben. Auf Grund der Urkunde und der einzelnen Beobachtungen am Bau wird man in Martineiii wohl den entwerfenden Architekten des Schlosses Neuwartenburg sehen dürfen, der hier sein reizvollstes Werk schuf. Daß seiner Selbständigkeit aber auch in diesem Fall verhältnismäßig enge Grenzen gezogen waren, ergibt sich aus den angedeuteten Zusammenhängen. ' Stich der Gesamtanlage in H. Sedlmayr, Österreichische Barockarchitektiir, a. a. O., Abb. 12. ® H. Sedlmayr, Eischer von Erlach d. Ä., München 1925, Abb. 18. • ü Ai . - WUT ■ 86. Palais Althaii in der Ungargasse, Gartenseite. Stich von Salomon Kleiner Ahhildungsnachweis: Dr. E. Guldan, Hannover: Abb. 80, 85; Bundesdenkmalamt (Dr. Höfer): Abb. 79; Aus Eisler, Das barocke Wien: Abb. 81, 83, 84, 86; Landesdenkmalamt, Linz: Abb. 82.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2