ÖKO-L 1987/4

drei Stunden zu fast allen sehenswerten Naturschönheiten im größten geschlossenen Waldgebiet der Ostalpen zu kommen. Man kann hier Radfahren , Wandern, Almbesuche und Baden auf einmal verbinden - das Schwimmen in den Bachtümpeln, die im Sommer Temperaturen bis zu 20 Grad erreichen, oder ein Sprung in den meist noch wärmeren „Boding" (ausgewaschene Felswannen) der Seitenbäche sind - leider - schon einmalig in ganz Österreich! Obwohl von gewisser Seite wahre Schauermärchen über die „S traßenhatscher" als einzige Möglichkeit, ins Hintergebirge zu kommen, verbreitet wurden, kam mit der Zeit das Wandern im Hintergebirge wieder in Mode . Es werden wohl mehrere tausend Menschen gewesen sein , die bei geführten Wanderungen der ARGE Hintergebirge erstmals - oder nach langer Zeit wieder - in das umstrittene Gebiet gekommen sind! Begeistert waren sie alle, ob sie nun zu den schönsten Badeplätzen geführt wurden, ,,illegal" auf der ehemaligen Waldbahntrasse zur Großen · Schlucht radelten (auch das Radfahren war ja offiziell verboten und wurde zeitweise streng geahndet!), über die Almwiesen einer zünftigen Jause entgegenbummelten oder zum alljährlichen Touren-Höhepunkt auf dem Größtenberg biwakierten (übrigens auch verbotenerweise). Nicht nur, weil diese Wanderausschreibungen eine große Belastung für die Mitglieder der ARGE wurden - manche von ihnen waren wohl öfter mit Hintergebirgsbesuchern aus aller Herren Ländern zusammen als mit ihrer eigenen Familie!-, sondern auch, um die Weichen für die touristische Zukunft des Gebietes rechtzeitig zu stellen, wurde 1983 mit der Erstellung eines Konzepts „für Naturschutz und mäßige Öffnung" begonnen. Nach dem Vorbild europäischer Nationalparks wurden dabei Kern- und Ruhezonen konzipiert und Außenzonen mit einem breiten Angebot an touristischer Erschließung. Der Devise der EKW „vorne stauen und hinten erschließen" wurde das Motto „vorne erschließen und hinten in Ruhe lassen" entgegengestellt. Mit diesem „Nationalparkkonzept" gingen die Hintergebirgsaktivisten in Form von Diavorträgen und Diskussionsabenden auf „Tournee" und gewannen so immer mehr Anhänger ihrer Ideen, darunter nicht zuletzt über 40 unterstützende Vereine und ÖKO·L 914 ( 1987) Organisationen aller Weltanschauungen. Der Begriff „sanfter Tourismus", der bis heute zahlreiche unterschiedliche Definitionen und Interpretationen erfahren hat, wurde als solcher in der ARGE wohl kaum diskutiert. Für die Hintergebirgsschützer war klar, daß Tourismus im Hintergebirge nicht nur eine Chance zur Verhinderung der Kraftwerke ist, sondern daß das Hintergebirge als Naturreservat auch den Menschen, die es besuchen, viel Wichtiges geben kann - Ruhe, Erholung, Einblick in die Kreisläufe der Ökologie oder einfach die Stille, um wieder zu sich selbst zu finden. Doch dieser Tourismus mußte gleichzeitig in gewissen Zonen begrenzt werden, um nicht das gesamte Gebiet zu beeinträchtigen. Nach der „Baustellen-Besetzung" im Sommer 1984, die auch das vorläufige Ende des Speicherprojekts herbeizwang, wurde das Hintergebirgskonzept modifiziert und als „Wunschkatalog" vom Österreichischen Alpenverein den Österreichischen Bundesforsten als Grundeigentümer des Hintergebirges vorgelegt. Diese zeigten viel Verständnis für die Forderungen der Arbeitsgeme inschaft, des Alpenvereins Großraming und Steyr sowie des Eisenwurzen-Vereins, den gemeinsamen Trägern des Konzepts. Schritt für Schritt konnten in der Folge die einzelnen „Mosa ikste ine" verwirklicht werden: • Im Sommer 1985 sanierten und markforten Freiwillige an die 50 Kilometer alte Holzknechtsteige im Bereich zwischen Brunnbach, der Anlaufalm und der Großen Schlucht, darunter auch den vielleicht schönsten Hintergebirgssteig entlang des Hochschlachtbaches und die Route zum ,,Schluchtblick" nahe der verfallenen Annerlalm. • 1986 eröffnete Landesrat Mag. Helmut K ukacka das erste Teilstück des geplanten Radwanderweges ins Hintergebirge, und zwar die Strecke von Reichraming bzw. Großraming nach Brunnbach und über die Große Klause zur Großen Schlucht. Der Radweg war nur an Sonn- und Feiertagen frei befahrbar - der erste Schritt bzw. Pedaltritt getan! • Im Spätherbst 1986 begannen Berufsalpinisten und freiwillige Helfer unter der Le'itung des steirischen Spitzenalpinisten und österreichischen Bergführer-Ausbildners Klaus Ho i mit der Sanierung und Versicherung des ca. drei Kilometer langen, historischen Triftsteigs durch die Große Schlucht. Unter äußerst ungünstigen Wetter- und Arbeitsbedingungen wurden über 550 Eisenhaken in den Fels geschlagen und zweieinhalb Kilometer Drahtseil hangseitig verankert. Das Land Oberösterreich übernahm einen Großteil der Finanzierung - fast 80.000 Schilling kostete allein das Material und die Arbeit der Bergführer! • G leichzeitig gaben die Bundesforste auch den gesamten Radwanderweg von Reichraming bis Unterlaussa frei, und zwar auch an Samstagen. Damit ist die herrliche Raddurchquerung des Hinterge birges, eine 50 Kilometer lange Traumstrecke mit nur minimaler Steigung und einer ,,Schiebstrecke" von 20 Minuten, endlich offiziell frei befahrbar. • Weitere Wanderwege wurden markiert, der Eisenwurzen-Verein stellte Informationstafeln auf, eine eigene Wanderkarte erschien ... Auf weitere touristische „Erschließungsa ttraktionen" wurde bewußt verzichtet - wer Wert auf Asphaltstraßen bis zu den „Naturwundern", auf sogenannte Aufstiegshilfen, auf Almhotels, Alpenkitsch und Heimatklamauk legt, der wird von den Hintergebirglern gern auf ähnliche Einrichtungen in ganz Österreich verwiesen. Ausblicke Mit der „Wiederentdeckung" des Hintergebirges für einen angepaßten Fremdenverkehr ist nicht nur eine besondere Attraktion für die oberösterreichische Ennstal- und Eisenstraßenregion entstanden, sondern auch ein Angebot an die einheimische Bevölkerung, diese zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu nutzen. Die für einen florierenden Nebenerwerbs-Fremdenverkehr nötige Infrastruktur ist nun in Ansätzen vorhanden; sie wahrzunehmen, in ein Orts- oder Regionskonzept einzubinden und weiterzuentwickeln, wird Aufgabe aller am Fremdenverkehr Interessierten, nicht zuletzt auch der politischen Vertreter sein. Es gibt genug Ideen, dieses Hintergebirge als natur- und kulturhistorisch einzigartigen Raum ins Fremdenverkehrskonzept der „Eisenstraße" zwischen dem Steyrer Museum Arbeitswelt und den montanhistorischen 13

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