ÖKO-L 1987/4

STECKBRIEF Das Kraftwerk Reichraminger Hintergebirge Einmal durchgezogen, vehement von allen Sozialpartnern gefordert, aufgeschoben, politisch genehmigt, zurückgezogen, auf Eis gelegt, aufgetaut, in die Schubladen hinein, dann wieder heraus, einmal gestorben und tot, dann wiederbelebt - das Speicherprojekt im Hintergebirge hat seit 1982 wirklich alle Höhen und Tiefen konzeptloser österreichischer Energiepolitik mitgemacht. Derzeit, seitdem sich so mancher Politiker nach dem Regierungsantritt der großen Koalition wieder stark genug fühlt , feiert das Projekt wieder einmal traurige Urständ. folgende Variante haben sich die Planer der Ennskraftwerke AG (Eigentumsverhältnis: 50 Prozent OKA, 50 Prozent Verbundgesellschaft) als „Minima!- und Kompromißlösung" (lt. EKW) einfallen lassen (siehe auch: Memorandum der Verbundgesellschaft an die Bundesregierung 1987): • Zwei Staumauern im Tal des Reichramingbaches: die Sperre „Kaiblingmauer": Höhe 100 m, Kronenlänge 335 m und Absenkung des Speichersees um 49 m; die Sperre „Große Klause" : Höhe 80 m, Kronenlänge 214 m und Absenkung des Speichersees um 30 m. • Triebwasserstollen ins Ortszentrum von Reichraming, dort Krafthaus. • Reichramingbach mit Restwasserführung: Dotation im Sommer: 1 Ku- . bikmeter/Sekunde; Dotation im Winter: 0,5 Kubikmeter/Sekunde; derzeitige Wasserführung im Jahresdurchschnitt: 5,98 Kubikmeter/Sekunde. • Ausleitung des Laussabaches (Unterlaussa): Dotation: 0,2 Kubikmeter/Sekunde ; derzeitige Wasserführung im Jahresdurchschnitt: 2,6 Kubikmeter /Sekunde. • Energieausbeute: Kraftwerksleistung: 101 ,7 MW (mit allen Enns-Unterliegem) , ohne Unterlieger: 53,7 MW; Energiemenge: 93 GWh/Jahr (mit allen Enns-Unterliegern), ohne Unterlieger: 66 GWh/Jahr. • Baukosten: 1. Ausbaustufe (Sperre Kaiblingmauer) 1450 Millionen Schilling, 2. Ausbaustufe (Sperre Große Klause) 679 Millionen Schilling und Beileitung Laussabach 136 Millionen Schilling ergeben Gesamtkosten (Basis 1987) in Höhe von 2265 Millionen Schilling. • Stromerzeugungskosten: im ersten Betriebsjahr S 3.20/kWh, nach 25 Jahren S 2.59 / kW11 , nach ~O Jahren S 2.20 / kWh. 10 Neue Kraftwerke = hoher Strompreis Diese Gleichung ergibt sich, da sich auch bei anderen neuen Speicherkraftwerken die Wirtschaftlichkeit kaum günstiger zeigt: • Beim Beibehalten des Ausbauprogramms der E-Wirtschaft bei Speicherkraftwerken muß daher mit erheblichen Belastungen des österreichischen Stromgebührenzahlers gerechnet werden. • Eine hohe Exportrate bei Spitzenstrom wäre an und für sich kein Skandal, sie wird aber einer, wenn die Exportpreise weit niedriger liegen als die Erzeugungskosten. • Damit werden die Österreicher nun auch beim Strom dazu verdonnert, die Exporte mit ihren Geldtaschen zu stützen' Dies ist - unter anderem - ein Grund für unsere hohen Strompreise im Inland, obwohl wir ja aus der angeblich so billigen Wasserkraft 70 Prozent unseres Strombedarfs decken . So betrug von 1975 - 1984 die Preissteigerungsrate der Exporterlöse 29 Prozent , die Preise für die Kleinverbraucher (Haushalte, Gewerbe, Landwirtschaft) stiegen hingegen um nicht weniger als 58 Prozent! • Billigen Strom aus Wasserkraft bekommt das Ausland, der österreichische Stromzahler bezahlt die Zeche der „Bauwut" einiger Politiker und Wirtschaftsmächtigen. • Was uns übrigbleibt: katastrophale Verluste und zubetonierte Bäche! Diese Feststellungen sind keine Neuigkeiten, sie waren und sind in Insiderkreisen bestens bekannt: Anläßlich einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung der Tauernkraftwerke AG im Jahre 1982 hat der Rechnungshof einen Verlust bei diesem Wasserkraft(!)-Unternehmen von 727 Millionen Schilling (1976 - 1980) festgestellt. Als Gründe für dieses Finanzfiasko wurden die unwirtschaftlichen Investitionen in neue Speicherkraftwerke erkannt. Der Rechnungshof kennt die einfache Lösung dieses Dilemmas : „Senkung der Stromgestehungskosten durch Einstellung der Bautätigkeit." (Rechnungshofbericht 1982/ Tauern KW, 87. 16.3.). Angesichts· der bedrohlichen Entwicklung auf dem Investitionssektor der E-Wirtschaft wollte sogar die Bundesregierung zur „Neubewertung" der Investitionen, d. h. zum Maßhalten beim Bau neuer Speicherkraftwerke anregen: „Dabei sind allerdings die künftig wahrscheinlichen und anzustrebenden niedrigen Zuwachsraten der Lastspitze, die Unsicherheit in der Entwicklung der internationalen Märkte fur Spitzenstrom und damit die wirtschaftlich sinnvollen Grenzen der spezifischen Kosten der Speicherkraftwerke sowie die Zeitpunkte der Investitionen neu zu bewerten." (Energiebericht 1984, Seite 116.) Selbst die Experten im Handelsministerium bliesen zum „Halali" gegen das Ausbauprogramm der E-Wirtschaft punkto Speicherkraftwerke: ,,Die jüngst aufgeflammte Strompreisdiskussion hat gezeigt, daß die Investition in Kraftwerke eher dazu fuhrt, daß der Strompreis ungünstig gestaltet wird, weil der Ausbau mehr Fixkosten verursacht." (OÖN, 13. 4. 1984.) Speicher für Umweltschutz? ,, Wir brauchen neue Speicherkraftwerke, damit wir die schmutzigen Wärmekraftwerke abschalten können, und somit bekämpfen wir den schädlichen ,sauren Regen"', wird uns von vielen Seiten mit bestechender Logik beigebracht. Diesem Gedankengang geht aber ein grundsätzlicher Denkfehler voraus : Kalorische Kraftwerke werden zur Abdeckung der sogenannten „Grundlast" herangezogen (siehe Lastdiagramme S. 9). Schon vom Prinzip her kann man daher Speicherkraftwerke nicht als Ersatz für Wärmekraftwerke heranziehen: • Man kann nicht billigen Grundlaststrom durch sehr teuren und daher wertvollen Spitzenstrom ersetzen. Man kann schon . .. nur steigen dabei die Strompreise ins Unermeßliche. • Außerdem würden die Speicherkraftwerke nur für wenige Tage im Jahr zur Verfügung stehen, wenn sie im Grundlastbereich eingesetzt werden - bei voller Leistung wären die Speicher innerhalb weniger Tage leer! Angenommen, ein Strompreis um 3 Schilling (oder mehr) läßt uns eiskalt: dann hätten wir noch die Frage zu klären, woher wir diese zusätzliÖKO· L 9/ 4 (1987)

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