ÖKO-L 1987/4

Zeitschrift für Ökologie, Natur- und Umweltschutz Jahrgang 9, Heft 4 INHALT Hauptartikel H. DAUCHER: Reichraminger Hintergebirge - . Modell einer „sanften" Tourismus-Erschließung 3 H. AUGUSTIN, 0. MooG , A. UNTERWEGER, W. WIENER: 15 Die Gewässergüte des Linzer Fließgewässernetzes . H. MALICKY: Köcherfliegen als Indikatoren in Fließwasser-Ökosystemen und ihre Gefährdung .22 H. MITTER : Die Käferfauna im Bereich des ESG-Oberwasserkanals in Linz-Kleinmünchen . .30 Informationen Buchtips .14, 21, 29, 31, 32 VHS-Programm .... . .. 32 2 IMPRESSUM Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Magistrat der Stadt Linz, Hauptplatz 1, A-4020 Linz Redaktion: Naturkundliche Station der Stadt Linz, Roseggerstraße 22, A-4020 Linz, Tel. 0 73 2/23 93 / 18 71 Schriftleitung: Mag. Gerhard Pfitzner Layout und Graphik: Chris tine Ruzicka Hersteller: Druck- und Verlagsanstalt Gutenberg, Anastasius-Grün-Straße 6, A-4020 Linz, Tel. 0 73 2/ 55 2 11 Offenlegung Medieninhaber und Verleger: Magistrat der Stadt Linz Ziel der Zeitschrift: objektive Darstellung ökologisch- , naturund umweltschutzrelevanter Sachverhalte Bezugspreise Jahresabonnement: S 100.- (4 Hefte inkl. Zustellung) , Einzelheft S 30.- Bankverbindung: Stadtkasse 4010 Linz. - PSK Kto. Nr. 1164.419, ,,ÖKO·L" 22890.807000 Redaktionelle Hinweise Veröffentlichte Beiträge geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht immer der Auffassung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Das 'Recht auf Kürzungen behält sich die Redaktion vor. Nachdrucke , auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. TITELBILD Die „Große Klause", ein hochwertiges Natur- und Kulturdenkmal, würde durch den vorderen Stausee noch ca. 10 m unter Wasser gesetzt (sh. Beitrag auf S. 3). Im Bereich der Großen Klause konnten zahlreiche nach der „Roten Liste" gefährdete Amphibien und Reptilien festgestellt werden, und zwar: Bergunke, Erdkröte , Teichfrosch, Grasfrosch, Springfrosch, Feuersalamander, Teichmolch, Blindschleiche, Zauneidechse, Kreuzotter und Ringelnatter. Foto: W. Heitzmann Lieber Leser! Die Landeshauptstadt Linz verfugt dank des Gutachtens der Salzburger „Arbeitsgemeinschaft far Limnologie" - siehe Beitrag S. 15 - seit 1987 über eine aktuelle biologische Gütekarte ihres Fließgewässernetzes. Diese Gewässergütekarte bildet die Grundlage, langfristig die derzeit leider nicht überall vorliegende Gütestufe II sicherzustellen und diesen Gütestandard über eine permanente Qualitätskontrolle zu garantieren. Stadt und Land, die zu gleichen Teilen dieses Gutachten finanzierten, werden am Linzer Beispiel unter Beweis stellen, daß optimale Güteverhältnisse der Stufe I - II der Oberflächengewässer auch kleinräumig durch Ausschaltung aller lokalen Belastungsquellen zu erreichen sind. Parallel zu diesem, nunmehr in die Praxis umzusetzenden Forschungsprojekt laufen weitere Projekte z. B. über die ökomorphologischen, faunistischen und vegetationskund/ichen Verhältnisse der einzelnen Fließgewässer (Gewässerbett + Ufersäume). Aus der Zusammenschau (Vernetzung) der einzelnen Studienergebnisse werden ökologische „Laufgütekarten" hervorgehen, worauf Revitalisierungs-, Biotop- und Artenschutzkonzepte aufbauen werden. Die Erstellung biologischer Wassergütekarten beruht auf den Kenntnissen der ökologischen Ansprüche von Wasserorganismen. Diese dienen als sogenannte Bioindikatoren (Umweltgüteanzeiger), indem sie durch das unterschiedliche Ausmaß ihrer Anwesenheit bzw. ihres Fehlens positive wie negative Entwicklungen des Gewässergütezustandes erkennen lassen. Einer dieser Bioindikatorgruppen, den Köcherfliegen, hat Doz. Malicky ein ökologisch-biologisches Lebensbild zum besseren Verständnis der ökologischen Zusammenhänge in unseren Fließgewässern gewidmet. Vor den südlichen Toren des oö. Zentralraumes liegt im Reichraminger Hintergebirge ein landschaftlicher Schatz: eines der größten noch intakten Bachsysteme Mitteleuropas inmitten eines beeindruckenden Landschaftsrahmens. Dieses landschaftliche Kleinod gilt es vor allen Eingriffen zu bewahren und der Nachwelt in seiner Ursprünglichkeit endgültig zu sichern. Das schließt mit ein, dieses Ökosystem dem Menschen behutsam - d. h. ohne Kraftwerksbau! - zu erschließen. im Namen der OKO·L-Redaktion / 1 Es verbleibt mit.freundlichen Grüß;;en Ihr ·r~ Mag. G. Pfitzner ÖKO·L 9/4 (1987)

LANDSCHAFTSPLANUNG - UMWELTVERTRÄGLICHKEIT Reichraminger Hintergebirge - Modell einer „sanften" Tourismus-Erschließung Die Ennskraftwerke AG plan(t)en, im Reichraminger Hintergebirge eine wirtschaftlich äußerst fragwürdige und energiepolitisch kaum notwendige Speicherkraftwerksgruppe zu errichten, die das letzte intakte und größte zusammenhängende Bachökosystem Oberösterreichs, dem sogar die Bedeutung als „biogenetisches Reservat" zugesprochen wurde (WOLKINGER 1984), weitgehend zerstört hätte. An zwei völlig überdimensionierten Staumauern nahe einer bekannten seismotektonischen Tiefenstörung sollte der Reichramingbach 100 m (!!) bzw. 80 m aufgestaut werden, um 73 GWh Strom (das ist ein Dreißigstel der Ernergie, die in Dürnrohr ungenutzt zur Aufheizung der Donau verschwendet wird) zu erzeugen. Nachdem im Frühjahr 1984 die Unwirtschaftlichkeit des Projektes vom damaligen Handelsminister Dr. Norbert Steger bestätigt und die Erklärung zum bevorzugten Wasserbaugebiet zurückgezogen wurde, und Menschen aus allen Bevölkerungs- und Altersschichten, quer durch alle politischen Parteien, anfingen Widerstand zu leisten, mußten die bereits begonnenen Vorarbeiten wieder eingestellt werden. Noch ist das Hintergebirge nicht endgültig gerettet! Immer wieder wird in diesem Zusammenhang versucht, Naturschützer als Verhinderer hinzustellen und die Nutzung der Wasserkraft als umweltfreundlichste Form der Primärenergie zu verkaufen. Gleichzeitig werden gewaltige Anstrengungen unternommen (elektrisch heizen - vernünftig und bequem . ..), um den Stromverbrauch weiter zu steigern. Die ENNSKRAFTWERKE AG (EKW) trat Mitte 1982 mit dem Projekt zweier riesiger Speicherkraftwerke am Reichramingbach an die Öffentlichkeit. Man argumentierte mit touristischen „Zuckerln" wie der Erschließung der hinteren Schluchten, die seit dem Verfall der Triftsteige nur mehr auf recht abenteuerliche Weise zu begehen sind, mit neuen Straßen rund um die Seen, Bootsbetrieb und der Verbesserung (!) der im Sommer von Tausenden Badegästen frequentierten Schotterbänke und Badetümpeln am Unterlauf des Baches . Dies klang anfangs z. T. verlockend, zumal immer wieder mit (dem Laufkraftwerk) Klaus argumentiert wurde. Daß hier im Gegensatz zu Klaus jedoch 50 Meter hohe Stauspiegelabsenkungen und die daÖKO·L 9/4 (1987): 3 - 14 Helmut DAUCHER ARGE Hintergebirge Postfach 25 A-4460 Losenstein mit verbundenen gräßlichen Schlammkrawatten, die überdimensionierten Betonmauern (die bis zu einem Drittel der Taltiefe in Anspruch genommen hätten!) und nicht zuletzt die eiskalte (4 ° C!) ,,Restwassermenge" das Ende des Naturparadieses Hintergebirge bedeutet hätte, wurde mit der Zeit immer mehr Menschen klar. ökologische Auswirkungen Immer mehr Experten weisen auf die Kombination von maximalem Naturund Landschaftsverlust und minimalem Nutzen bei maximalen Kosten hin. Auch Politiker, die sich längere Zeit unkritisch für die E-Wirtschaft eingesetzt haben, geben zu erkennen, daß das Projekt ökonomisch falsch kalkuliert worden ist. Auswirkungen auf Landschaftsbild und -inventar Den eindrucksvollen Abschnitten an den Fließgewässern wurde bei der Erstellung eines touristisch-ökologischen Gutachtens (WOLKINGER 1984) eine besondere Bedeutung zugewiesen. Innerhalb des Kerbtalreliefs finden sich ausgeprägte Schlucht- und Klammstrecken, felsige Bachkerben Abb . 1 u. 2: Diese zeigen zwei von unzähligen naturbelassenen Badeplätzen, die durch die Realisierung der Sperre Kaiblingmauer ( = erste Ausbaustufe) als „Flußleichen" enden würden. Ein weiteres Faktum für das endgültige Aus der Bademöglichkeiten ist die geringe Austrittstemperatur des Restwassers von 4° C! Fotos 1--6, 10, II und 19 vom Verfasser ÖKO·L 9/ 4 (1987) 3

Abb. 3 Abb. 5 Auswirkungen auf den Wasserhaushalt Es besteht kein Zweifel (und das wurde auch durch das EKW-Gutachten von Univ.-Prof. PECHLANER, Innsbruck, bestätigt), daß durch die Realisierung des Projektes ein derzeit weitgehend intaktes und funktionierendes Flußökosystem in seinem zentralsten Teil auf einer Länge von 20 km weitgehend zerstört wird und in das ganze biotische und abiotische Gefüge eingegriffen wird. Durch die auf eine Restwassermenge von 1m3/ sec im Sommer (bisher ca. 6 m3/ sec im Jahresdurchschnitt) und 0,5 m3/ sec im Winter reduzierte Wasserführung und die damit verminderte Fließgeschwindigkeit sind Auswirkungen auf die Organismenvielfalt, die Wasserqualität und die Geschiebeführung zu erwarten. Ebenso werden die Restwasser sehr tiefe Temperaturen aufweisen (4 ° C 4 mit Kaskaden, Tümpeln, Katarakten, mehrere bemerkenswerte Wasserfälle und markante Felsengen. Ihr besonderer landschaftlicher Reiz und hoher Erlebniswert wird immer wieder hervorgehoben. Das Kraftwerksprojekt würde nicht nur zahlreiche wertvolle Biotope und Naturschöpfungen im Range von Naturdenkmälern zerstören, sondern auch zum weitgehenden Verlust dieser bedeutendsten Landschaftsteile führen . Abb. 3, 4, 5 u. 6: Die Bilder zeigen Ausschnitte des mäandrierenden Reichramingbaches mit seinen Sand- und Schotterbänken und seinem ursprünglichen Uferbewuchs, wi e er in dieser eindrucksvollen Ausprägung nur noch sehr selten anzutreffen ist. Sämtliche abgebildeten Abschnitte würden bereits bei der Realisierung der ersten Ausbaustufe (Sperre Kaiblingmauer) verschwinden. Abb. 4 an der Austrittsstelle bei der Kaiblingmauer) . Es muß weiters befürchtet werden, daß die zufließende Wassermenge auch in Regeljahren nicht ausreichen könnte, um beide Speicherseen bis zum 1. Juli gänzlich zu füllen . Es sind auch genügend Beispiele bekannt, wo vor allem in trockenen Sommermonaten die Restwassermengen nicht eingehalten werden, so daß gänzlich ausgetrocknete Bachleichen zurückbleiben (Abb. 20). Auswirkungen auf Flora und Fauna Das Österreichische Institut für Umweltwissenschaften kommt im bekannten „Wolkinger-Gutachten" zu folgendem Schluß : ,,A us zoo logischer Sicht stellt das Reichraminger Hintergebirge ein biogenetisches Reservoir von . hohem Rang dar, in dem zwar Seltenheiten und Besonderheiten fast Abb. 6 f ehlen, wo aber dafur zahlreiche gefährdete und bedrohte Kleintiere noch anzutreffen sind und eine Überlebenschance besitzen." Man muß hier die grundsätzliche Frage stellen, ob der Mensch ein unbeschränktes Recht hat, durch radikale Eingriffe in die Umwelt immer mehr Arten von Tieren und Pflanzen die Existenzgrundlage zu entziehen und ihr Aussterben herbeizuführen. Und die Überstauung ausgedehnter Bach- und Aulandschaften ist ein solcher Eingriff. Insbesondere bei Speicherbetrieb mit starken Niveauschwankungen entsteht rund um den Stausee eine breite „tote Zone", die das natürliche Ineinandergreifen von Wasser und Vegetation unterbricht und den meisten Kleintieren den Wechsel von einem in das andere Element erschwert oder unmöglich macht. ÖKO·L 9/ 4 (1987)

Nur wenige der jetzt im unmittelbaren Bachbereich lebenden Tiere und Pflanzen können unter den Bedingungen des Speicherstaubetriebes weiter existieren, es träte eine starke biotische Degradierung des Biotops ein. Nur einige Arten Wasservögel würden davon profitieren, und zwar gerade die wenigen Arten, die ohnehin durch die vielen Stauseen bereits sehr begünstigt sind und sich entsprechend vermehrt haben. Besonders erwähnt wird in dem Gutachten die Dichte des Vorkommens von Tier- und Pflanzenarten, die in den meisten Gebieten schon selten geworden oder gar ausgestorben sind. Gerade diese Dichte ist enorm wichtig für das Überleben der Arten , weil unterhalb einer gewissen kritischen Dichte der Fortpflanzungsprozeß abreißt und das Aussterben unaufhaltsam ist. Es genügt nicht, nur kleine, weit voneinander entfernte Bio-Inseln aus der Nutzung auszusparen, sondern es müssen auch einzelne große, zusammenhängende Gebiete erhalten werden. Besonderheiten der Flora sind Frauenschuh, Ungarischer Enzian, Eisenhut, Feuerlilie, Türkenbund usw. Abb. 7: Türkenbund- Einzelblüte. Abb . 8: Blauer Ei senhut. Be ide Fotos: F. Schremmer ÖKO·L 9 / 4 ( 1987) Abb. 9: An Orchideen kommen im Hintergebirge neben dem Frauenschuh u. a. die Fliegen-Ragwurz, die Kugel-Orchis und die drei Waldvögeleinarten vor. Foto: G. Pils Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, auf alle erwähnenswerten Arten einzugehen - hier sind nur einige Streiflichter möglich: So ist z. B. die Flechten-Flora im Reichraminger Hintergebirge von außergewöhnlicher Vielfalt. Es wurden von Univ.-Prof. Dr. Türk etwa 170 Flechtenarten registriert. Dr. Türk schreibt in seinem Teilgutachten : ,, Der Bau des geplanten Kraftwerkes fuhrt zur Vernichtung der flechtenreichen, naturnah strukturierten Hang- und Schluchtwälder. Die meisten der hier als selten oder sehr selten eingestuften F/echtenarten werden aussterben, was einen unwiederbringlichen Verlust fur die FlechtenJlora Österreichs bedeutet. " Über die Tierwelt schreibt Dr. Gepp vom Institut für Umweltwissenschaften: ,, Die Roten Listen gefährdeter Tiere Österreichs dokumen - tieren mit aller Deutlichkeit die Ver - luste, die in unserer Tierwelt bereits zu verzeichnen sind. 1 I4 Tierarten gelten als ausgestorben. Am bedroh1esten sind die Amphibien, alle 21 in Osterreich bekannten Arten stehen auf der Roten Liste, gefo lgt von den Reptilien, von denen 92 Prozent bedroht sind. Unter den Insekten sind die Bewohner von Feuchtbiotopen am gefährdetsten (ca. 60 Prozent). Abb. 10: lm Bereich der „Großen Klause" konnten zah lreiche gefährdete Amphibien und Reptilien der „ Ro ten Liste" festgestellt werden , wie: Bergunke, Erdkröte, Teichfrosch , Springfrosch , Feuersalamander, Teichmolch , Zauneidechse, Kreuzotter ... Als Bewohner von Stillwasserbereichen in Bächen tritt die österreichweit gefährdete Koppe in beachtlicher Dichte auf. Die Dichte an Insekten und Mollusken (Weichtiere) ist nirgends in vergleichbaren Gebieten so groß wie im Hintergebirge. Die Vielfalt an Großschmetterlingen ist nach Univ. -Prof. E. R. Reich! ebenfalls beachtlich. Neben Tagpfauenauge, Zitronenfalter, Großem und Kleinem Fuchs, Admiral, Kaisermantel , Schwalbenschwanz und Schachbrett gibt es hier auch seltene Arten wie Großen und KJeinen Eisvogel , Trauermantel , Schillerfalter und viele andere weniger auffallen - de, aber nicht weniger liebens- und lebenswerte Geschöpfe. Abb. 11: Di e Artenvielfalt der Tagfa lterfauna ist ebenfalls beachtlich. Dazu zählen - um nur einige zu ·nennen - Schwal - benschwanz, Schillerfalter, Kai sermantel , Großer und Kleiner Fuchs. 5

Die Ornithologen G. Haslinger und A. Zimmermann schreiben zur Vogelwelt des Hintergebirges: „Durch den Kraftwerksbau würden Haselhuhn, Zwergschnäpper und Spechte ßiotopverluste erleiden, ebenso würden Nahrungsbiotope von Graureiher und Schwarzstorch verlorengehen. Weiters würden die Brutund Nahrungsbiotope von Eisvogel (der ganz zu Unrecht fur die Kraftwerkswerbung mißbraucht wurde), Gebirgsstelze und Wasseramsel zerAbb . 12: Dem Schwarzspecht (Männchen) kommt a ls Großhöhlenbauer eine besondere Bedeutung für die Brutmögli chke iten einer Reihe wei terer Tierarten zu. Er zä hlt zu den 82 Voge larten einer ornithologischen Bestandsa ufnahme. Neben den Spechten würden auch Haselhuhn und Zwe rgschnäpper une rse tzliche Bio topve rlus te erl eiden. Foto: Zmölni g Abb. 13 : Buchenreiche r Wa ld , Biotop des Schwarzspechtes. Foto: K. Zukrigl 6 stört werden. Durch die Überstauung von Brutwänden würde außerdem der Mauerläufer bedroht werden." Abb. 14: Der Schwarzstorch zählt zu den ornithologischen Kos tbarkeiten des Gebietes. Er würde, ebenso wie der Graureiher und Eisvogel , se ine Nahrungsbiotope ver li eren. Alle drei angeführten Arten stehen auf de r „ Roten Li ste" der vom Aussterben bedrohten Tierarten . Foto: H. Pum Weiters muß befürchtet werden, daß die verbleibenden Bachstrecken unterhalb der Stauseen durch zu geringe Restwassermengen und infolge des kalten und nährstoffarmen Tiefenwassers zu veralgten Bachleichen degradieren, wenn die Selbstreinigung durch Hochwässer ausfällt. Muß schon in Regeljahren bezweifelt werden, ob die Stauseen voll werden, so wird das Stauziel in trockenen Jahren sicher nicht erreicht. Aus ,,Sachzwang" wird dann die Restwassermenge weiter reduziert, der Bach wird zu einem stinkenden Schotterbett mit einzelnen brackigen Tümpeln, in denen höchstens noch Mückenlarven existieren können. Die gezeigten Bilder sollen nur einen kleinen Einblick in die Tierwelt des Hintergebirges vermitteln. Die ganze Vielfalt kann nur der kennenlernen, der sich mit Liebe und Ausdauer ans Beobachten macht ; was sich im Hintergebirge auf sehr angenehme Weise mit dem Erlebnis von Sonne, Wind und klarem, kaltem Wasser in vielen tiefen Tümpeln verbinden läßt. Wir wünschen uns von ganzem Herzen, daß immer mehr Menschen es lernen, die Schönheit und den Wert auch des kleinsten Tieres, der unscheinbarsten Pflanze zu erkennen und diesen als Teil der (noch immer) so reichen Schöpfung das Lebensrecht zu sichern, auch wenn das von uns eine Selbstbeschränkung erfordert. STECKBRIEF Reichraminger Hintergebirge • Größtes geschlossenes, unbesiedeltes Waldgebiet der nördlichen Kalkalpen ( 180 Quadratkilometer) . • Eines der letzten großen Bachsysteme Mitteleuropas, das von den Quellen bis zur Mündung Trinkwasserqualitä t aufweist. • Die letzte großflächige ökologische Ruhezone Österreichs, die nahezu alle dringend schützenswerten Naturraumpotentiale aufweist, die sonst nur mehr isoliert a uftreten: tiefeingeschnittene Schluchten, Klammen, Wasserfälle, natürliche freifließende Bachläufe mit abwechslungsreichen Ufern , Erlen- und Weidenbrüchen, Auwäldern usw., Moore, naturnahe bis urwaldähnlich e Waldzonen, weiträumige Almflächen ... Abb. 15 : Die „Große Klause" (siehe Titelbild und Text S. 2). Foto: w.· Heitzmann • Rückzugsgebiet für viele seltene und auf den „Roten Listen" stehende Tier- und Pflanzenarten - wie z. B. Uhu , Schwarzstorch, Steinadler, Eisvogel, Haselhuhn. Zwergschnäpper, zahlreiche Amphibien- und Reptilienarten . .. • Letztes großräumiges Rückzugsgebiet für naturhungrige Erholungssuchende, besonders aus dem oberösterreichischen Ballungsraum. • Daher Zielpunkt jahrelanger grotesk anmutender Grabenkämpfe zwischen Umweltschützern und verschiedenen Industrielobbies. • Gerade in Zeiten, in denen der Schutz vereinzelter, abgegrenzter Biotope unweigerlich an seine Grenzen stößt, muß der in seiner Vielfalt und Einzigartigkeit bestechende Naturund Erholungsraum des Hintergebirges in seiner Gesamtheit erhalten bleiben! ÖKO·L 9 / 4 (1987)

Anmerkungen zum Kraftwerksprojekt Die Abb. 18 zeigt die geplante Lage des talauswärts liegenden Stausees bei Vollstau (schwarz) und im abgesenk.ten Zustand (punktierte Fläche). Abb. 16: Die Ennskraftwerke AG planen bachaufwärts in unmittelbarer Nähe des Ortes Reichraming die ca. 100 Meter hohe Sperre Kaiblingmauer zu errichten. In der Farbbroschüre, die 1982 an die Haushalte der betroffenen Gemeinden ausgesendet wurde, führt die EKW unter 2.4. - Bedeutung des Projektes - an , daß mit der gep lanten Höhe von 99,5 m die Sperre Kaiblingmauer die siebthöchste Sperre Österreichs wird ... Abb. 17: Kraftwerksplaner betonen immer wieder, daß durch Speicherseen der Fremdenverkehr eine bedeutende Förderung erfahren wird , da sich die Möglichkeit ergibt, dem Fremdenverkehr dienende Einrichtungen relativ kostengünstig zu schaffen bzw. zu verbessern. Unter anderem spricht man von einem Bootsbetrieb während der Sommermonate. Nachdem das Wasser bei einem Jahresspeicher, wie er in Reichraming geplant wäre, im Winter abgearbeitet wird , könnte sich für den Besucher etwa folgendes Bild bieten: Die erforderliche Absenkung des Wasserspiegels um 50 Meter würde eine 100 bis 500 Meter breite und ca. 50 Kilometer lange Schlammkrone rund um die beiden Speicherseen entstehen lassen . Auf welche Art und Weise man zu den erwähn ten Elektrobooten kommen könnte , wird in der Projektbeschreibung nicht erwähnt. r! Reichcaming ca. 4 km 1 \ Bachreste (Fluß/eiche infolge der geringen -f~,.. Restwassermenge von 1m1/s J '1\. --Q~J"--. if'd<t \ ,, ■ ____;go Meter hohe Staumauer- 1. musruFE r'::::-:1 Wassersta~ jeweils 8.2] am 1. Aprd Abb. 18: Geplante Lage des Stausees bei Vollstau (schwarz) und im abgesenkten Zustand (punktiert). An der schwarzen Fläche ist das gewaltige Ausmaß der vegetationsloÖKO·L 9/4 (1987) Abb . 16 Abb . 17 Abb. 19: Ein Blick auf den Stauraum des Kraftwerkes Großraming: Jeden Tag rund um die Mittagszeit kommt die „Sauberkeit" der Wasserkraft zum Vorschein. Schon eine geringe Absenkung des Wasserspiegels um ein bis zwei Meter verursacht eine häßliche, enorm geruchsbeläs ti gende Schlammumrandung des Stausees. 7

sen Schlammumrandung zu entnehmen. Besonders die geplante Absenkung des Stauspiegels von 50 m an der Sperre Kaiblingmauer ließe an den Zuflüssen des Pleißabaches und des Großen Baches kilometerlange ausgetrocknete Flußleichen entstehen, an denen die ne u zu errichtende Forststraße vorbeiführen würde. Diese Straße wäre für den Fremdenverkehr benützbar. Park-, Spiel- und Badeplätze waren im Bereich der Kaiblingmauer, im Brunnbach und an der „Großen Klause" geplant. Schlammwüsten Die geplanten Absenkungen der Jahresspeicher von 49 m bzw. 30 m lassen im Frühjahr und im Sommer (also gerade zur Vegetationszeit!) keine Besiedelung der Seeränder durch Flora oder Fauna zu, sodaß über die gesamte Länge der Speicherseen (ca. 50 km) 100 bis 500 Meter breite Schlammkronen entstehen werden. Die von der E-Wirtschaft so vielgepriesene „Natur aus zweiter Hand" ist also nicht möglich! Daher sind weder für den Wassersport (Baden, Bootfahren etc.) noch für andere sonst auf Stauseen von Laufkraftwerken übliche Erholungsarten Möglichkeiten gegeben. Bachleichen Die übrigbleibende Fließstrecke des Reichramingbaches (ca. 7 km, von der ersten Staumauer bis zum Ort Reichraming) wird mit einer Restwassermenge von 1 m3/sec im Sommer- bzw. 0,5 m3/sec im Winterhalbjahr dotiert. Die derzeitige Wassermenge beträgt im Durchschnitt ca. 6 m3 /sec. Als international gültige Höchstgrenze für die ökologische Vertretbarkeit von Restwassermengen gilt ein durchschnittlicher Wasserentzug von 20 Prozent (vgl. Arbeitspapier des internationalen Hydrologenkongresses 1983 in Wien, Seite 62). Beim Reichramingbach ist eine Ent: zugsquote von 88 Prozent vorgesehen, was einer Trockenlegung des Baches auch bei Einhalten der vorgegebenen Restwassertotation zur Folge hätte! Laut Auskunft des Amtes der oö. Landesregierung ( 1983) sind daher aufgrund der geringen Wasserführung „erhebliche Beeinträchtigungen der natürlichen ökologischen Verhältnisse und der biologischen Artenvielfalt zu erwarten". 8 Abb. 20 : Die Reduzierung der durchschnittlichen Wasserführung von 6 m3/ s auf die gesetzlich vorgeschriebene Restwassermenge von 0,5 m3/s im Winterha lbjahr und l m3/ s im Sommer würde bauliche Maßnahmen erforderlich machen, um den Fließcharakter des Gewässers aufrechtzuerhalten. Die Restwasser führende Große Mühl (bei Neufelden) zeigt in der Praxis, womit zu rechnen ist. Foto: H. Kar l Das EKW-Gutachten des Innsbrukker Hydrologen Pech I an er spricht daher auch von unbedingt erforderli - chen Maßnahmen der Flußregulierung, was einer Kanalisierung des Reichramingbaches gleichkommen würde. Der Bach mit „den schönsten Naturbadeplätzen Österreichs" wäre damit endgültig zerstört. Ein zubetonierter, kanalisierter Bach mit Sommer-Wassertemperaturen von höchstens 6 - 10 ° C ( das Wasser kommt aus den Tiefen des Speichersees) findet sicher nicht die Wertschätzung Tausender Erholungs- und Badehungriger, die heute an heißen Sommertagen die Ufer des Reichramingbaches säumen. Erdbebengefahr Das Hintergebirge liegt in der Nähe einer „tiefentektonischen Störungslinie" (Erdbebenzentrum). Die seinerzeit im Nebental projektierte Speichergruppe Molln wurde nach einem unvermutet aufgetretenen starken Beben von der EKW sofort aufgegeben. Auch „Starkbeben in der Nähe der Staudämme im Hintergebirge würden die Anlage sehr schwer treffen" (aus Gutachten von Doz. Dr. Stocker). Im Falle eines Dammbruchs bliebe der Bevölkerung wegen der unmittelbaren Nähe der Großdämme vor dem Siedlungsgebiet keine Fluchtmöglichkeit. Die Tausenden Todesopfer von Frejus und Longarone, aber auch Malta, sollten uns zu denken geben! Das Kraftwerk und sein Strom Speicherkraftwerke - wie eben das geplante im Reichraminger Hintergebirge - liefern den sogenannten Spitzenstrom. Dieser wird nur zu bestimmten Zeiten benötigt , z. B. zu Mittag, wenn Hausfrauen und -männer kochen und anschließend die Geschirrspüler laufen, oder am Abend , wenn bundes- und europaweit die Fernsehwelle einsetzt. Österreich, als Gebirgsland, erzeugt diesen Spitzenstrom aus Speicherkraftwerken zum größten Teil für das Ausland: 70 bis 80 Prozent des österreichischen Spitzenstroms werden exportiert (dies geht eindeutig aus den Statist iken des Verbundes hervor)! Jedes zusätzlich gebaute Speicherkraftwerk wird daher für den Export verwendet werden müssen. Es wird daher einmal grundsätzlich zu klären sein, wieviel den Kraftwerksbauern (und uns!) eine kWh aus Reichraming kosten würde ( = Selbstkostenpreis) und zu welchem Preis derzeit die kWh auf dem internationalen Markt gehandelt wird ( = Verkaufspreis): Baukosten . . . . . . . 2265 Mio S 8 % kalkulatorische Zinsen p. a. . . . . . . 181 Mio S 2 % Abschreibung p. a. 45 Mio S Betriebs- , Personal - und sonstige Kosten ( = Erfahrungswert). 72 Mio S Erzeugungskosten im 1. Betriebsjahr (auf Basis der Baukosten 1. 1. 1987) . . 298 Mio S Die Stromerzeugungskosten im ersten Betriebsjahr betragen S 3.20/ kWh. Diesem Erzeugerpreis/kWh stellen wir nun die verschiedenen von uns recherchierten Exportpreise gegenüber: ÖKO·L 914 (1987)

1. Durchschnittlicher Exportpreis für WinterSpitzenstrom . . S 0.80/kWh 2. Exportpreis für Spitzenstrom im Jahresdurchschnitt (= Marktpreis). S 0.70/kWh 3. Exportpreis bei neuen „ teuren" Speicherkraftwerken, an denen ausländische EVUs eine „Bezugspfl icht" haben (Näherungswert) . S 1.- /kWh Die Gründe für den niedrigen Exportpreis bei Spitzenstrom sind: 1. Das Ausland versucht mit allen Mitteln, die Lastsp itzen (z. B. zu Mittag) abzubauen - durch Tarifgestaltung, Lastumverteil ung usw. = ,,Lastmanagement" . 2. Den noch nötigen Spitzenstrom produziert das Ausland zunehmend aus Gaskraftwerken, der billiger kommt als der Strom aus Gebirgsspeichern. Das Ausland will also unseren Spitzenstrom nicht mehr in dem üblichen Umfang, und wenn, dann nur zu erheblich reduzierten Preisen, die weit unter den Erzeugungskosten liegen. Durch den Bau von neuen Spei - chern wird also das Überangebot nur noch wieder erhöht und die Preise sinken erne ut. Die Folgen sind für uns Stromzahler - und natürlich auch für die österreichische Volkswirtschaft - fatal: Die große Differenz zwischen Stromerzeugungskosten und Stromverkaufspreis würde gleich im ersten Betriebsjahr von Reichraming einen Verlust von ca. 150 Millionen Schilling verursachen. Am Ende der Absch reibungsdauer von 50 Jahren würde das Kraftwerk noch immer große j ährliche Verluste liefern' Abb. 21: LASTDIAG RAMME (Que ll e: Bundeslastve rtei ler, Betriebss tati stik l985) Erzeugung Typische r Sommertag: 28. August 1985 Verbrauch ~-----------------------! H'w H'o/ 6000 !.000 3000 2000 1000 Der Antei l der Wasserkraft zur Grund lastdeckung ist sehr hoch (ca. 3500 MW) ; geringe kalorische Erzeugung, kaum Importe (weiß). Spitzenlasterzeugung aus Gebirgsspe ichern ; tei lweise werden Speicher sogar zur Grund lastdeckung eingesetzt ' -+-+44-~+-l-+-+-+--+&OOO 6000 5000 f.000 1000 'o 2 4 , 8 10 12 14 1, 18 20 22 7:4• 0 Nahezu die gesamte Spitzenstromerzeugung (90 Prozent) aus Speichern wird exportiert! (Ca . 80 Prozent im Jahresdurchschnitt' ) Erzeugu ng Typi scher Wintertag: 9. Jänner 1985 Verbrauch Laufhaftwerke verl ieren im Winter ca. zwei Drittel ihrer Leistung ; diese r Abgang wird vor a llem durch kalorische Erzeugung und teilwe ise durch Importe ergänzt. Der hohe Grund lastanteil erk lärt sich durch verstä rkten Einsa tz von E-Heizungen (insta lli e rte Leistung ca. 3000 MW !). Spitzenabdeckung durch heimische Speicherkraftwerke. ÖKO·L 9/ 4 (1987) :o 2 4 6 1 10 12 .14 11 18 20 22 241 0 Zitat „Bundeslastverteiler" (1985): ,,Die Deckung der Belas1ungsspitzen e1folgt in der Regel nicht durch Wärmekraftwerke, sondern durch Speicherkraftwerke,· der s/arke Einsatz letzterer war jedoch nur 1eihveise zur Deckung der inländischen Belastungsspitzen erforderlich. Ein großer Teil dieser Erzeugung aus Speicherkraftwerken wurde .. . exportiert." 9

STECKBRIEF Das Kraftwerk Reichraminger Hintergebirge Einmal durchgezogen, vehement von allen Sozialpartnern gefordert, aufgeschoben, politisch genehmigt, zurückgezogen, auf Eis gelegt, aufgetaut, in die Schubladen hinein, dann wieder heraus, einmal gestorben und tot, dann wiederbelebt - das Speicherprojekt im Hintergebirge hat seit 1982 wirklich alle Höhen und Tiefen konzeptloser österreichischer Energiepolitik mitgemacht. Derzeit, seitdem sich so mancher Politiker nach dem Regierungsantritt der großen Koalition wieder stark genug fühlt , feiert das Projekt wieder einmal traurige Urständ. folgende Variante haben sich die Planer der Ennskraftwerke AG (Eigentumsverhältnis: 50 Prozent OKA, 50 Prozent Verbundgesellschaft) als „Minima!- und Kompromißlösung" (lt. EKW) einfallen lassen (siehe auch: Memorandum der Verbundgesellschaft an die Bundesregierung 1987): • Zwei Staumauern im Tal des Reichramingbaches: die Sperre „Kaiblingmauer": Höhe 100 m, Kronenlänge 335 m und Absenkung des Speichersees um 49 m; die Sperre „Große Klause" : Höhe 80 m, Kronenlänge 214 m und Absenkung des Speichersees um 30 m. • Triebwasserstollen ins Ortszentrum von Reichraming, dort Krafthaus. • Reichramingbach mit Restwasserführung: Dotation im Sommer: 1 Ku- . bikmeter/Sekunde; Dotation im Winter: 0,5 Kubikmeter/Sekunde; derzeitige Wasserführung im Jahresdurchschnitt: 5,98 Kubikmeter/Sekunde. • Ausleitung des Laussabaches (Unterlaussa): Dotation: 0,2 Kubikmeter/Sekunde ; derzeitige Wasserführung im Jahresdurchschnitt: 2,6 Kubikmeter /Sekunde. • Energieausbeute: Kraftwerksleistung: 101 ,7 MW (mit allen Enns-Unterliegem) , ohne Unterlieger: 53,7 MW; Energiemenge: 93 GWh/Jahr (mit allen Enns-Unterliegern), ohne Unterlieger: 66 GWh/Jahr. • Baukosten: 1. Ausbaustufe (Sperre Kaiblingmauer) 1450 Millionen Schilling, 2. Ausbaustufe (Sperre Große Klause) 679 Millionen Schilling und Beileitung Laussabach 136 Millionen Schilling ergeben Gesamtkosten (Basis 1987) in Höhe von 2265 Millionen Schilling. • Stromerzeugungskosten: im ersten Betriebsjahr S 3.20/kWh, nach 25 Jahren S 2.59 / kW11 , nach ~O Jahren S 2.20 / kWh. 10 Neue Kraftwerke = hoher Strompreis Diese Gleichung ergibt sich, da sich auch bei anderen neuen Speicherkraftwerken die Wirtschaftlichkeit kaum günstiger zeigt: • Beim Beibehalten des Ausbauprogramms der E-Wirtschaft bei Speicherkraftwerken muß daher mit erheblichen Belastungen des österreichischen Stromgebührenzahlers gerechnet werden. • Eine hohe Exportrate bei Spitzenstrom wäre an und für sich kein Skandal, sie wird aber einer, wenn die Exportpreise weit niedriger liegen als die Erzeugungskosten. • Damit werden die Österreicher nun auch beim Strom dazu verdonnert, die Exporte mit ihren Geldtaschen zu stützen' Dies ist - unter anderem - ein Grund für unsere hohen Strompreise im Inland, obwohl wir ja aus der angeblich so billigen Wasserkraft 70 Prozent unseres Strombedarfs decken . So betrug von 1975 - 1984 die Preissteigerungsrate der Exporterlöse 29 Prozent , die Preise für die Kleinverbraucher (Haushalte, Gewerbe, Landwirtschaft) stiegen hingegen um nicht weniger als 58 Prozent! • Billigen Strom aus Wasserkraft bekommt das Ausland, der österreichische Stromzahler bezahlt die Zeche der „Bauwut" einiger Politiker und Wirtschaftsmächtigen. • Was uns übrigbleibt: katastrophale Verluste und zubetonierte Bäche! Diese Feststellungen sind keine Neuigkeiten, sie waren und sind in Insiderkreisen bestens bekannt: Anläßlich einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung der Tauernkraftwerke AG im Jahre 1982 hat der Rechnungshof einen Verlust bei diesem Wasserkraft(!)-Unternehmen von 727 Millionen Schilling (1976 - 1980) festgestellt. Als Gründe für dieses Finanzfiasko wurden die unwirtschaftlichen Investitionen in neue Speicherkraftwerke erkannt. Der Rechnungshof kennt die einfache Lösung dieses Dilemmas : „Senkung der Stromgestehungskosten durch Einstellung der Bautätigkeit." (Rechnungshofbericht 1982/ Tauern KW, 87. 16.3.). Angesichts· der bedrohlichen Entwicklung auf dem Investitionssektor der E-Wirtschaft wollte sogar die Bundesregierung zur „Neubewertung" der Investitionen, d. h. zum Maßhalten beim Bau neuer Speicherkraftwerke anregen: „Dabei sind allerdings die künftig wahrscheinlichen und anzustrebenden niedrigen Zuwachsraten der Lastspitze, die Unsicherheit in der Entwicklung der internationalen Märkte fur Spitzenstrom und damit die wirtschaftlich sinnvollen Grenzen der spezifischen Kosten der Speicherkraftwerke sowie die Zeitpunkte der Investitionen neu zu bewerten." (Energiebericht 1984, Seite 116.) Selbst die Experten im Handelsministerium bliesen zum „Halali" gegen das Ausbauprogramm der E-Wirtschaft punkto Speicherkraftwerke: ,,Die jüngst aufgeflammte Strompreisdiskussion hat gezeigt, daß die Investition in Kraftwerke eher dazu fuhrt, daß der Strompreis ungünstig gestaltet wird, weil der Ausbau mehr Fixkosten verursacht." (OÖN, 13. 4. 1984.) Speicher für Umweltschutz? ,, Wir brauchen neue Speicherkraftwerke, damit wir die schmutzigen Wärmekraftwerke abschalten können, und somit bekämpfen wir den schädlichen ,sauren Regen"', wird uns von vielen Seiten mit bestechender Logik beigebracht. Diesem Gedankengang geht aber ein grundsätzlicher Denkfehler voraus : Kalorische Kraftwerke werden zur Abdeckung der sogenannten „Grundlast" herangezogen (siehe Lastdiagramme S. 9). Schon vom Prinzip her kann man daher Speicherkraftwerke nicht als Ersatz für Wärmekraftwerke heranziehen: • Man kann nicht billigen Grundlaststrom durch sehr teuren und daher wertvollen Spitzenstrom ersetzen. Man kann schon . .. nur steigen dabei die Strompreise ins Unermeßliche. • Außerdem würden die Speicherkraftwerke nur für wenige Tage im Jahr zur Verfügung stehen, wenn sie im Grundlastbereich eingesetzt werden - bei voller Leistung wären die Speicher innerhalb weniger Tage leer! Angenommen, ein Strompreis um 3 Schilling (oder mehr) läßt uns eiskalt: dann hätten wir noch die Frage zu klären, woher wir diese zusätzliÖKO· L 9/ 4 (1987)

ehe Wasserkraft hernehmen, die beileibe kein „unerschöpfliches Potential" ist. Weiters angenommen, wir gehen auch über die Verbauung des letzten fließenden österreichischen Wassertröpfchens mit Gelassenheit hinweg: woher das alles nehmen, wenn nicht ... (in OÖ. sind z. B. 92 Prozent aller Wasserkräfte ausgebaut!). Speicherkraftwerke als Ersatz für Wärmekraftwerke zu bauen wäre also eine wirtschaftlich und ökologisch gefährliche Sackgasse! Tauschverträge Vertreter der E-Wirtschaft argumentieren stets, daß „der überwiegende Teil all dessen, was in den Statistiken als Stromexport angeführt wird, in Wahrheit , Stromtausch' ist" (Verbundgesellschaft, Daten zur Bilanzkonferenz 1984). Und weiter: ,, Wir exportieren kostbaren Spitzenstrom aus unseren Speichern und bekommen dann im Winter - wenn unsere Laufkraftwerke weniger produzieren - ein Mehrfaches der Strommenge für unsere Grundlastdekkung vom Ausland zurück." Fast könnten wir stolz sein auf die Geschäftstüchtigkeit unserer Strommanager: • Aus den einschlägigen Statistiken geht eindeutig hervor, daß nur etwa 15 Prozent unserer Exporte an sogenannte „Tauschverträge" gebunden sind! (Quelle: Bundeslastverteiler, jährliche Statistiken) . Interessant ist auch die Tatsache, daß sich die Strommengen der Importe und der Exporte aus diesen so „lukrativen Tauschgeschäften" nahezu decken . Mehr als ein Tauschverhältnis I kWh exportierter Spitzenstrom gegen 1 kWh importierten Grundlaststrom wird also - entgegen den Beteuerungen der Strommanager - nicht erreicht! E-Wirtschaft intern gegen Speicher In Insiderzeitschriften, E-wirtschaftsintern und in Form von Zwischenbemerkungen können wir aber selbst von Strommanagern die sonst so streng gehütete Wahrheit erfahren: „Das Pro~(em der Spitzenbewältigung gibt's in Osterreich nicht, unser Problem ist die Grundlast. Aus heutiger Sicht wird es in den nächsten 20 Jahren auch dann keine ernsthaften Schwierigkeiten im Spitzenlastbereich ÖKO·L 9/ 4 (1987) geben, wenn die E-Wirtschaft geplante Kraftwerke (z. B. Reichraming, Dorfertal) nicht bauen kann. " (Gen.-Dir. Fremuth, 21. 3. 1985.) Und weiter: ,, Überkapaz itäten gibt es bei sofort verfügbarer Spitzenkraft. Die hat Österreich tatsächlich im Überschuß!" (im Dez. 1984). Aus diesen Gründen ist es auch nicht verwunderlich, daß der Oberste Gerichtshof in seinem Erkenntnis 1985 die Erklärung des Speicherkraftwerkes Dorfertal zum „bevorzugten Wasserbau" als ungesetzlich zurückgewiesen hat und der Landwirtschaftsminister im Juni 1987 dementsprechend handeln mußte. Die angeführten Gründe: 1. Österreich hat mehr als genug Spitzenstrom, 2. Reserven sind im Überfluß vorhanden. Über die wahren Hintergründe des neuerlichen Auflebens der „Bauwut" trotz gegenteiliger oberstgerichtlicher Entscheidungen und trotz besseren Wissens der Verantwortlichen herrscht großes Rätselraten. Nichts will unterstellt sein, jedenfalls: Die üblicherweise für den Bau neuer Speicherkraftwerke vorgebrachten Argumente (Verbesserung der Energieversorgung, Umweltschutz etc.) sind nachhaltig widerlegt! Kompromiß? In letzter Zeit werden von verschiedenen Seiten sogenannte „Kompromißvarianten" hervorgezaubert. Bei aller Wertschätzung einer sinnvollen Konsenspolitik: an den besonders relevanten Folgeerscheinungen eines Speicherkraftwerkes (Trockenlegung Ausbauwürdiges Wasserkraftpotential (Stand 1983) Das Kraftwerk ~eichraming ist ... • wenn das unökonomische Prinzip seine exakte Anwendung findet : maximale Kosten und maximale Zerstörung der Natur- und Erho lungslandschaft bei minimalem Stromertrag; • wenn zusätzlich 0,034 Prozent vom österreichischen Energieverbrauch erzeugt wird , was die enorme Wichtigkeit dieses Projektes unterstreicht (!) • wenn zusätzlich 0,21 Prozent des österreichischen Stromaufkommens erzeugt wird. • wenn zusätzlich 1,8 Prozent ohnehin schon im Überfluß vorhandener Spitzenstrom für das Ausland erzeugt wird. • wenn wir 93 GWh/Jahr von einem Produkt ( = Spitzenstrom) bekommen , das uns S 3.20/kWh kostet und wir um S 0.70 ins Ausland verkaufen müssen, weil wir im Inland einen enormen Überschuß haben ; • wenn es kein vernünftiges Argument für, aber viele gegen den Bau gibt und sich trotzdem (deswegen?) einige Politfunktionäre für den Bau eingeschworen haben, weil die Großmaschinen der Baufirmen Arbeit brauchen ; • wenn beim neuen Wärmekraftwerk Dürnrohr die 33fache Energiemenge von Reichraming einfach in die Donau gekühlt wird, weil die Planer auf die Abwärmenutzung „vergessen" haben. Beim Wärme-KW Dürnrohr wird die Energiemenge von mehr als 3000 GWh/Jahr in importierter Steinkohle einfach in die Donau gekühlt. Dieses Beispiel zeigt deutlich die Lächerlichkeit der Argumentation unserer Strombosse, der Bau von Reichraming sei ein wichtiger Schritt weg von der Auslandsabhängigkeit, wenn gleich ein Mehrfaches von Reichraming allein durch eine bessere Energieplanung bei nur einem Kraftwerk eingespart werden könnte! Abb . 22: Oberösterreich und sei n ausbauwürdiges Wasserkraftpotential (Stand 1983) im Reigen der Bundesländer. Österreichweit gesehen, sind derzeit 56 Prozent des ausbauwürdigen Potentials bereits ausgebaut, vier Prozent befinden sich in Bau und für 40 Prozent liegen Projekte vor. 11

des Reichramingbaches, hohe Staumauern in unmittelbarer Nähe vom Siedlungsgebiet usw.) würde kein Kompromißvorschlag etwas ändern! Angesichts eines 92prozentigen Wasserkraftausbaues in Oberösterreich (Abb. 22) kann man wohl schwer noch von einem Kompromiß sprechen, wenn die letzten Prozente der noch intakten Bäche zubetoniert werden sollen. Sanfter Tourismus gegen Staumauern? Lange Zeit gi ng das Gerücht um, das Hintergebirge sei unerschlossen, unwegsam, ein Dickicht, eine unordentliche Landschaft, für die Öffentlichkeit abgesper rt und harre seiner Erweckung und damit seiner Veredelung durch den Bau von Kanonensch ießplätze n, asphaltierten Durchzugsstraßen, sauberen Kraftwerksanlagen, Natur-Disneylands und ähnlicher Errungenschaften neuzeitlicher Naturpflege. Die Arge Hintergebirge sucht zusammen mit dem Österr. Alpenverein und dem Eisenwurzen Verein eine Alternative zum a lthergebrachten „Zerschließen" einer Landschaft und erstellte ein Konzept, das einen Kompromiß zwischen Erschließung und ökologischen Notwendigkeiten darstellt. Der 16. Mai 1987 war ein ganz besonderer Stichtag in der neuerdings bewegten Geschichte des Reichraminger Hintergebirges: Im Beisein Hunderter Wanderfreunde, Radfahrer und prominenter Gäste eröffnete Landeshauptmann Dr. Josef Rat ze nböck offiziell den neu Abb . 24: Die fo rstwirtschaftliche Nutzung des Gebietes geht bis ins Spätmittelalter zurück. Aus Gründen der lei chteren Triftbarkeit wurde bevorzugt Nade lh olz geschl äge rt. Der Laubholza nteil blieb dadurch erha lten, wobe i der hohe Buchena nteil den Besucher besonders beeindruckt. Fo to : 0. Harant versicherten Triftsteig durch die Große Schlucht, den Radweg von Reichraming nach Unterlaussa und ein ganzes Netz sanierter und neu bezeichneter Wanderpfade. All diese Erschließungsmaßnahmen , die im Naturparadies des Hintergebirges auch ein „wanderbares" Erholungsgebiet für jung und alt, für Einheimische und Gäste eröffnen, haben eine besondere Bedeutung: Sie sind das eingelöste Versprechen der Hintergebirge-Schützer, das Gebiet als wirtschaftli che Alternative zur technischen Zerstörung einem „sanften", Abb . 25: Di e Forsts traße benützt die Tras e und Tunnels der alten Wa ldbahn und steht se it dem Frühjahr 1987 an Samstagen, Sonn- und Feiertagen als Radfahrweg zur Verfügung. Foto: K. Zukrig l der Landschaft angepaßten, nichttechnisierten Wander- , Erholungsund Erlebnistourismus zu erschließen . Die Wege, Radrouten oder der Klettersteig durch die herrliche Große Schlucht haben , auch wenn sie noch so bescheiden oder selbstverständlich erscheinen mögen , eine lange und bewegte Geschichte. Es waren Naturschützer und Menschen, die eine eigenständige Entwick lung ihrer Heimatregion selbst vorantre iben wollten , die sie in ihrer Freizeit und ohne irgendeine Entschädigung, ja unter materiellen Opfern durchgesetzt und realisiert haben - lange genug gege n den Widerstand vieler, die sie heute begrüßen. Dies sollte niemand, der sie benützt und dem sie hoffentlich viele schöne Stunden am Wasser und in den Wäldern des Hintergebirges vermitteln, vergessen. Grundzüge des Erschließungskonzeptes Das Hintergebirge in seiner ursprünglichen Form bietet die Grundlage für eine ganz neue Art des Fremdenverkehrs: Hier kann man noch tage lang unterwegs sein, ohne einem Menschen zu begegnen; man braucht nur den versteckten Steigen Abb. 23: Herbst im südli chen Hintergebirge. 12 Foto: M. Zierer zu fo lgen, um nach spätestens zwei, ÖKO·L 9 / 4 (1987)

drei Stunden zu fast allen sehenswerten Naturschönheiten im größten geschlossenen Waldgebiet der Ostalpen zu kommen. Man kann hier Radfahren , Wandern, Almbesuche und Baden auf einmal verbinden - das Schwimmen in den Bachtümpeln, die im Sommer Temperaturen bis zu 20 Grad erreichen, oder ein Sprung in den meist noch wärmeren „Boding" (ausgewaschene Felswannen) der Seitenbäche sind - leider - schon einmalig in ganz Österreich! Obwohl von gewisser Seite wahre Schauermärchen über die „S traßenhatscher" als einzige Möglichkeit, ins Hintergebirge zu kommen, verbreitet wurden, kam mit der Zeit das Wandern im Hintergebirge wieder in Mode . Es werden wohl mehrere tausend Menschen gewesen sein , die bei geführten Wanderungen der ARGE Hintergebirge erstmals - oder nach langer Zeit wieder - in das umstrittene Gebiet gekommen sind! Begeistert waren sie alle, ob sie nun zu den schönsten Badeplätzen geführt wurden, ,,illegal" auf der ehemaligen Waldbahntrasse zur Großen · Schlucht radelten (auch das Radfahren war ja offiziell verboten und wurde zeitweise streng geahndet!), über die Almwiesen einer zünftigen Jause entgegenbummelten oder zum alljährlichen Touren-Höhepunkt auf dem Größtenberg biwakierten (übrigens auch verbotenerweise). Nicht nur, weil diese Wanderausschreibungen eine große Belastung für die Mitglieder der ARGE wurden - manche von ihnen waren wohl öfter mit Hintergebirgsbesuchern aus aller Herren Ländern zusammen als mit ihrer eigenen Familie!-, sondern auch, um die Weichen für die touristische Zukunft des Gebietes rechtzeitig zu stellen, wurde 1983 mit der Erstellung eines Konzepts „für Naturschutz und mäßige Öffnung" begonnen. Nach dem Vorbild europäischer Nationalparks wurden dabei Kern- und Ruhezonen konzipiert und Außenzonen mit einem breiten Angebot an touristischer Erschließung. Der Devise der EKW „vorne stauen und hinten erschließen" wurde das Motto „vorne erschließen und hinten in Ruhe lassen" entgegengestellt. Mit diesem „Nationalparkkonzept" gingen die Hintergebirgsaktivisten in Form von Diavorträgen und Diskussionsabenden auf „Tournee" und gewannen so immer mehr Anhänger ihrer Ideen, darunter nicht zuletzt über 40 unterstützende Vereine und ÖKO·L 914 ( 1987) Organisationen aller Weltanschauungen. Der Begriff „sanfter Tourismus", der bis heute zahlreiche unterschiedliche Definitionen und Interpretationen erfahren hat, wurde als solcher in der ARGE wohl kaum diskutiert. Für die Hintergebirgsschützer war klar, daß Tourismus im Hintergebirge nicht nur eine Chance zur Verhinderung der Kraftwerke ist, sondern daß das Hintergebirge als Naturreservat auch den Menschen, die es besuchen, viel Wichtiges geben kann - Ruhe, Erholung, Einblick in die Kreisläufe der Ökologie oder einfach die Stille, um wieder zu sich selbst zu finden. Doch dieser Tourismus mußte gleichzeitig in gewissen Zonen begrenzt werden, um nicht das gesamte Gebiet zu beeinträchtigen. Nach der „Baustellen-Besetzung" im Sommer 1984, die auch das vorläufige Ende des Speicherprojekts herbeizwang, wurde das Hintergebirgskonzept modifiziert und als „Wunschkatalog" vom Österreichischen Alpenverein den Österreichischen Bundesforsten als Grundeigentümer des Hintergebirges vorgelegt. Diese zeigten viel Verständnis für die Forderungen der Arbeitsgeme inschaft, des Alpenvereins Großraming und Steyr sowie des Eisenwurzen-Vereins, den gemeinsamen Trägern des Konzepts. Schritt für Schritt konnten in der Folge die einzelnen „Mosa ikste ine" verwirklicht werden: • Im Sommer 1985 sanierten und markforten Freiwillige an die 50 Kilometer alte Holzknechtsteige im Bereich zwischen Brunnbach, der Anlaufalm und der Großen Schlucht, darunter auch den vielleicht schönsten Hintergebirgssteig entlang des Hochschlachtbaches und die Route zum ,,Schluchtblick" nahe der verfallenen Annerlalm. • 1986 eröffnete Landesrat Mag. Helmut K ukacka das erste Teilstück des geplanten Radwanderweges ins Hintergebirge, und zwar die Strecke von Reichraming bzw. Großraming nach Brunnbach und über die Große Klause zur Großen Schlucht. Der Radweg war nur an Sonn- und Feiertagen frei befahrbar - der erste Schritt bzw. Pedaltritt getan! • Im Spätherbst 1986 begannen Berufsalpinisten und freiwillige Helfer unter der Le'itung des steirischen Spitzenalpinisten und österreichischen Bergführer-Ausbildners Klaus Ho i mit der Sanierung und Versicherung des ca. drei Kilometer langen, historischen Triftsteigs durch die Große Schlucht. Unter äußerst ungünstigen Wetter- und Arbeitsbedingungen wurden über 550 Eisenhaken in den Fels geschlagen und zweieinhalb Kilometer Drahtseil hangseitig verankert. Das Land Oberösterreich übernahm einen Großteil der Finanzierung - fast 80.000 Schilling kostete allein das Material und die Arbeit der Bergführer! • G leichzeitig gaben die Bundesforste auch den gesamten Radwanderweg von Reichraming bis Unterlaussa frei, und zwar auch an Samstagen. Damit ist die herrliche Raddurchquerung des Hinterge birges, eine 50 Kilometer lange Traumstrecke mit nur minimaler Steigung und einer ,,Schiebstrecke" von 20 Minuten, endlich offiziell frei befahrbar. • Weitere Wanderwege wurden markiert, der Eisenwurzen-Verein stellte Informationstafeln auf, eine eigene Wanderkarte erschien ... Auf weitere touristische „Erschließungsa ttraktionen" wurde bewußt verzichtet - wer Wert auf Asphaltstraßen bis zu den „Naturwundern", auf sogenannte Aufstiegshilfen, auf Almhotels, Alpenkitsch und Heimatklamauk legt, der wird von den Hintergebirglern gern auf ähnliche Einrichtungen in ganz Österreich verwiesen. Ausblicke Mit der „Wiederentdeckung" des Hintergebirges für einen angepaßten Fremdenverkehr ist nicht nur eine besondere Attraktion für die oberösterreichische Ennstal- und Eisenstraßenregion entstanden, sondern auch ein Angebot an die einheimische Bevölkerung, diese zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu nutzen. Die für einen florierenden Nebenerwerbs-Fremdenverkehr nötige Infrastruktur ist nun in Ansätzen vorhanden; sie wahrzunehmen, in ein Orts- oder Regionskonzept einzubinden und weiterzuentwickeln, wird Aufgabe aller am Fremdenverkehr Interessierten, nicht zuletzt auch der politischen Vertreter sein. Es gibt genug Ideen, dieses Hintergebirge als natur- und kulturhistorisch einzigartigen Raum ins Fremdenverkehrskonzept der „Eisenstraße" zwischen dem Steyrer Museum Arbeitswelt und den montanhistorischen 13

Denkmälern im Eisenerzer Raum - um nur zwei weitere Angelpunkte zu nennen - einzufügen. Historisch gesehen fügt sich eines nahtlos ins andere ; als Naturwunder steht das Hintergebirge ohne Zweifel gleichberechtigt neben den Felsburgen des Gesäuses oder den Waldbergen an der Salza. Verschiedene Förderungen, zum Beispiel Sonderförderungen des Bundes für eigenständige Regionalentwicklung unterstützen Einzelprojekte im Sinne einer Fremdenverkehrsregion „Eisenstraße" . Die Initiative davon muß von den Menschen ausgehen, die hier zu Hause sind - wie man selbst die Ärmel SEMINARE Die ARGE Hintergebirge wird nun in Zusammenarbeit mit dem Eisenwurzen-Verein auch einen Vorstoß in die Bewußtseins- und Bildungsarbeit unternehmen: Geplant sind sogenannte „Kompaktseminare", die nicht nur den ökologischen Weg für dieses Gebiet aufzeigen wollen , sondern auch die Probleme und Zukunftsvisionen engagierter Leute aus dieser Region (Bauern , Gewerbetreibende) einem aufgeschlossenen Publikum näherbringen sollen. Themenbereiche: angepaßte und eigenständige Wirtschaftsentwicklung (Handwerk , Gewerbe, Ene~gie), Landwirtschaft, Tourismus und Okologie. EXKURSIONEN Für Interessierte steht ab sofort ein flexibles Wanderprogramm für angemeldete Gruppen zur Verfügung: Engagierte Wanderführer erstellen nach Absprache ein den Interessen der Gruppenmitglieder entsprechendes ein- oder zweitägiges Exkursionsprogramm ins Reichraminger Hintergebirge (naturkundliche und kulturhistorische Rad- und Fußwanderung mit anschließendem Informationsprogramm). Kosten: Ausgaben für Verpflegung und evtl. Nächtigung; für Koordination und Führung: Klubbeitrag (für diese Aktionen wird beim Eisenwurzen-Verein ein Klub „Freunde des Hintergebirges" gegründet) oder freiwillige Spenden. Anruf bzw. schriftliche Verständigung genügt, wir organisieren eine für Sie maßgeschneiderte Exkursion: Eisenwurzen-Verein, 4400 Steyr, Rooseveltstraße 10, Tel. 0 72 52/65 7 76. 14 aufkrempelt, um eigene Ideen im Dienst der Allgemeinheit selbst zu verwirklichen, haben - neben anderen Beispielen - nicht zuletzt auch die Hintergebirgsfreunde gezeigt! Literatur: ARGE HI NTERGEBIRGE (Hrsg.), 1983 : Konzept für Naturschutz und mäßige Erschließung des Reichraminger Hintergebirges . In Zusammenarbeit mit dem Österr. Alpenverein , Sektionen Steyr und Großraming, und der Weidegenosse nscha ft Großraming. BM f. HANDEL, G EWERBE u. INDUSTRI E (Hrsg.), 1986: Energieberi cht 1986 der österr. Bundesregierung, Wien. BUNDES LASTVERTEILER (Hrsg.) , 1986: Bundess tatis tik der Ös terr. Elektrizitätswirtscha ft , Betriebss ta tis tik 1985 . I. A. d . BM f. Handel, Gewerbe und Industrie, Wien. ENNSKRA FTWERK E AG, 1982/ 1983: Projektinformation über die Kraftwerksgruppe Reichraming. INST. f. RAUMORDNUNG u. UMWELTGESTALTUNG (Hrsg.), 1986: Energiekonzept Oberösterreich. I. A. d. oö. Landesregierung, Linz. SCHERZINGER , W ., 1984: ,,Hinter Berg und tiefem Tal . . ." - Nationa lparkgründung zur Verhinderung eines Kraftwerkes im Hintergebirge? ÖKO·L, 6 . Jg. , H . 4 : 23- 27, Linz. WOLKI NG ER , F . et. al. , 1984: Touristischökologisches Gutachten . Institut für Umweltwissenscha ften und Naturschutz der ös terr. Akademie der Wissenschaften i. A. des ÖNB und der Oö. Landesregierung, Graz. ZUKRIGL, K. u. G. SCHLAGER, 1984: Die Wä lder im Reichraminger Hintergebirge. ÖKO·L, Jg. 6, H . 4: 15- 23 , Linz. BUCHTIPS ~---U_M_W_E_LT_S_C_H_U_TZ___ ~I [ ____ B_I_L_D_A_T_L_A_S___ ~ Reinhold CHRISTI AN : Reine Luft zum Atmen für Mensch, T ier und Pflanze. 47 Seiten , Fo rmat DIN A4, Vervielfältigung geleimt, Preis: S 30.-. Wi en: Österr. G esellschaft für Öko logi e (Hrsg.) , 1987. Bezugsadresse : Hetzendorferstraße 131 , 1120 Wien . Um erstaunliche 40 Prozent könnten die Luftschads to ffe „Stickoxide" und „ Kohle nwasse rs to ffe" innerhalb von vier Jahren, um sensa ti onelle 75 Prozent in zehn bis zwölf Ja hre n verringert werden , wenn die österreichi sche Umweltpo liti k vom Streit um punktuelle Einzelmaßnahmen endlich zu einem koordinierten vernetzten Handeln fände . D as ist das Hauptergebnis der neues ten Studie der Österr. Gesell schaft für Ökologie. Das Neue am vorgesch lagene n Weg liegt nicht in sensa ti onellen Einzelmaßnahmen , sondern in der konsequenten, gleichzeit ig~n und wirksamen Durchführung vieler Maßnahmen, die einander wiederum wechselseitig in ihrem Effekt beeinflussen können. Wenn es tatsächli ch gelingt , alle Maßnahmen in allen Sekto ren - Verkehr, Indus trie, Kraftwerke, Kleinverbraucher, Haushalte - koordiniert durchzuführen, so können mit hoher Wahrscheinlichkeit die angegebenen Schadstoffreduktionen noch übertroffen werden. Insgesamt stellt die vorgeschl agene Ma ßnahmenpalette einen Tes t dar, inwieweit wir imsta nde sind , den ressortübergreifenden Zusammenhängen und Notwendigkeiten unserer Umwelt - und damit unseres Überlebens - gerecht zu werden. (Verlags-Info) Wolfram Bu FF : Bäume im Bild. Leben und Schönheit unserer Bäume. 128 Seiten , 148 vierfarbige Abbildungen , 84 Zei chnungen , Fo rma t: 17X21 ,5 cm, gebunden (WVG-Bildatlas) , Prei s : S 196.-, Stuttga rt : Wissenscha ftliche Ver, lagsgesell schaft mbH , 1986. Dieses Buch will kein „ Bestimmer" sein, es so ll vi elmehr Leben und Schönheit des Baumes zeigen und die Sensibilitä t gegenübe r dieser Lebensform fördern . Sein Inhalt beschränkt sich a uf die natürliche Artenzahl , vermehrt um die seit Jahrhunderten zum Wald- und kulturimmanenten Bes ta nd zählenden Arten und wichtigen Bastarde . Ein kluges, informa tives, fachlich kompetentes Buch, das sich durch verständliche Sprache, wissenscha ftliche Exaktheit, hervorragende didaktische Aufbereitung und eine Fülle herrlicher Bilder von ausgesucht schönen Bäumen und Baumdetails a usze ichnet. (Verlags-I nfo) NATURFOTOGRAFIE Frieder SAUER : Naturfotografie mit allen Finessen. 113 Seiten, 24 Farbfotos, 14 Illustra tionen , Format 14,5 X 21 ,5 cm, Paperback, Preis : S 144.-, Karlsfeld: Fauna-Verlag, 1984. Dieses Buch ist eine Sammlung von Ideen und Tips für bessere Naturfotos. Die meisten der Techniken wurden bisher noch nirgends veröffentlicht. Eine Fundgrube a lso für alle, die den neuesten Stand der naturfotografischen Techniken kennen wollen. (Verlags-Info) ÖKO·L 9 / 4 (1987)

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