Oberösterreich und die November-Revolution 1918

ins Uferlose. Die Löhne standen in keinerlei Verhältnis zu den Preisen der Waren. Eine echt alt-österreichische Arbeiterschaft tummelte sich in Steyr. Alle Nationen waren vertreten, aber auch allen Arten „Tachinierern" war Steyr ein sicherer Hort. Viele Genossen muhten ein­ rücken, um Platz zu machen irgend einem, der auf andere Weise zum Siegen mitbeitragen wollte. Eine heiße pa­ triotische Welle flutete über Steyr und des Genossen Popper ironische Worte „Will man siegen, muß man schmieden, Waffen an der grünen Steyr" wurden Lebens­ zweck. Und die Arbeiter kamen todmüde aus der Arbeit, halbverhungert, sielen in die Bettstelle, die ein anderer soeben verlassen hatte. 10—15 Mann schliefen vielfach in einem Zimmer. Steyrs Einwohnerschaft stieg von 17.000 auf über 30.000. Nirgends ein Platz, keine Wobnung, kein Bett. Damals entstanden nur für Kriegsdauer — wie man glaubte — die Baracken, jene Elendsquartiere, in welchen heute noch Menschen hausen. Die Kasernen überfüllte das 42. Feldkanonenregiment, die Tiroler Jäger kamen und gingen, wurden gedrillt, rasch, rasch, der gefräßige Moloch Krieg brauchte Futter. Die Stadt erdröhnte von dem Massentritt der arbeitenden und kriegerischen Bataillone. Immer häufiger übertönte der Schrei „Brot", „Hunger" den Tageslärm. Die unerhör­ ten Anforderungen an die Arbeiter hätten eine gute Kost erfordert, Kriegsportionen über wie im Felde so int Hinterlande, wir verhungerten siegend. Unsere Genossen Vertrauensmänner in dem Betriebe hatten schwere Pflichten. Die Organisation sollte erhal­ ten, die Bewegung gefördert, die Wünsche der Arbeiter erfüllt werden. Wie oft saßen wir beisammen, Genosse Dieminger, Fischer Karl, Schmied Robert, Klement Karl, Chalupka, Pristauschek, Tribrunner und ich, wie sollen wir helfen. Es war bisher gelungen, unseren Verband zu erhalten, hie und da kleine Aus­ besserungen zu erreichen. Es gab keinen Kampf, nur ein Bitten. Bitten an die berüchtigte Beschwerdekommission. Kämpfen war unmöglich in dieser von Waffen starrenden Stadt. Brüder gegen Brüder, wir schmiedeten Waffen zu 76

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