Oberösterreich und die November-Revolution 1918

Besuch bei meiner Mutter gewesen — weiter nach Linz fuhr, gab es in Wegscheid abermals einen Rummel: die Kriegsgefangenen, die so lange im Lager hatten hungern müssen, hatten sich freigemacht und fraternisierten mit ihren Wächtern und mit den Soldaten des Eifenbahn- betriebs-Ersatzbaons, das in Wegscheid garnisomerte. In Linz angelangt, erfuhr ich, daß der Garnisonsarreft er­ stürmt worden war und die dort Inhaftierten — 300 Mann — in Freiheit gesetzt seien. Der Sturm aus den Garnisonsarrest sagte mir, daß cntd) in der Schloßkaserne der militärische Betrieb völlig zusammengebrochen war. Es war nicht unbegreiflich, daß der Garnisonsarrest zu­ erst an den Zorn der aus der Knechtschaft befreiten Sol­ daten glauben mußte. Er war das schwarz-gelbe Habs­ burgische Zwing-Uri von Linz. Ueber ihn liefert Schauer­ geschichten, von denen gewiß manche übertrieben sein mochte. Jedenfalls war er für jeden Inhaftierten eine Hölle. Und unter den Häftlingen gab es durchaus nicht nur lauter Raubmörder und Einbrecher, sondern auch viele anständige Leute, die sonst nichts anderes verbrochen hatten, als daß sie ihren Urlaub um einige Tage über­ schritten hatten. Die Einkerkerung in den Garnisonsarrest war gleichbedeutend mit langsamem Hungertod. Kein Wunder daher, daß er so gefürchtet war . . . Am näch­ sten Tage wurden in den Kasernen bereits die Soldaten­ ratswahlen vorgenommen. Damit wurde wieder eine gewisse Autorität geschaffen, unter die, weil sie selbst ge­ wählt war, man sich leichter beugte als unter die der kaiserlichen Offiziere, die der „gemeine" Mann als ihm fremd empfand. Vielfach waren ja diese auch Nichtdeut­ sche, die sich gar nicht bemühten, mit ihren Untergebenen in Kontakt zu kommen. Zur Beruhigung der besitzenden Kreise, die schon das verdiente Strafgericht kommen sahen, kam eine Assistenzkompagnie des 3. Tiroler Kaiser­ jäger-Regimentes aus Steyr, die noch als „sicher" galt. Sie aber schlug sich wie alle Soldaten auf die Seite des Volkes, auf die Seite der Freiheit, auf die Seite der Revolution. Für die alten Gewalten gab es keine Renais­ sance mehr. Der kaiserliche Stationskommandant D ü r- 50

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