Oberösterreich und die November-Revolution 1918

so war ibies Oesterreich-Ungarn. Die Doppels inonarchie halte gewiß einmal als Kulturbringer für Süd- osteuropa und als Vormauer der Christenheit gegen die Türken eine historische Mission, die freilich längst — und zwar mit mittelalterlichen Mitteln — erfüllt war. Seit­ dem aber die Völker der Monarchie mündig geworden waren, seitdem die Habsburgischen Kaiser und ihre Staats­ männer den zeitgemäßen, wenn auch sehr schwierigen Umbau der Monarchie -in einen demokratischen Völker­ staat versäumt hatten, hatte der Kaiserstaat keine Da­ seinsberechtigung mehr, er war ein lebendiger Anachronis­ mus, der sich nur dadurch hielt, daß die Habsburger in der österreichischen Reichshälfte ein Volk gegen das an­ dere ausspielten, während sie die Völker Ungarns durch die magyarischen Magnaten und die Stuhlrichter im Ge­ horsam hielten. In Oesterreich war diese Funktion der ungarischen Adelsklasse dem höfischen! Feudaladel und dem deutschen Bürgertum zugedacht. Beide Klassen waren aber gegen die emporgekommene Bourgeoisie der nicht­ deutschen Völker zu schwach. Daß dann die Völker, die man in Ungarn unterdrückte und in Oesterreich zu unter­ drücken suchte, sich von der österreichischen Zentral- staatsidee abwandten und ihr nationales Heil int Ausland oder im selbständigen Nationalstaate suchten, war eine selbstverständliche Folge des habs- burgischen Systems, das unter solchen Verhältnissen nie­ mals an einen Krieg denken durfte. Wir waren aber auch militärisch angesichts der weiten ungeschützten Gren­ zen zu schwach. Uns fehlte für diese Kriegführung auch das Geld. Und unsere militärische Führung taugte eben­ falls nichts. Hätten wir einen wirklichen Feldherrn ge­ habt, so hätte ihm eine reifliche Ueberlegung, die durch die diplomatische Konstellation unterstützt wurde, vom Kriege abraten müssen, der unstreitig in eine Niederlage ausmünden mußte. Und eine Niederlage hielt dieser Völ­ kerstaat nicht aus. Trotzdem zogen der Verbrecher Berch- t h o l d und der Generalstabschef L o n r a d, dem die all­ zu reichlich gespendeten Vorschußlorbeeren die klare Ueber- 23

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