Neue Revue vom 26. April 1956

Plötzlich machte sich Barbara, die über 'Näsche gebeugt stand, straff, wie von einem entsetzlichen Gedanken aufge– schredd. Ober die Breite des Zimmers hinweg sah sie scharf zu Gerda hin. •Warum willst du so viel über ihn wis– sen?" fragte sie mit heiserer Stimme. · ~Also geh ihm ja aus dem Weg, madt muner einen großen Bogen um ihn, wenn du ihn siehst!" Gerda blieb lange stumm. Der jähe Ausbrudt der älteren Sdtwester, den sie ~id!t _verstand, verwirrte sie. •Du magst ihn mdtt? Hat er dir etwas getan?" fragte sie sdtließlid!. · .Er mag mich nicht, er haßt midt •, ant– wortete Barbara, . und das hat seinen Grund.• Ihre Erregung, die aus der Angst um Gerda kam, wudts.•Wenn wir sdton auf ihn zu spred!en kommen - du mußt nicht denken, daß hier alles Gold ist, was gl_änzt._ Id! wil~ dir am ersten Tage deines H1ersems kemen Schrecken einjagen aber vielleicht ist es richtig, wenn ich dich warne.• •Warner Gerda richtete sid! im Bett auf.•warne?" . Natürlich, warne. VorChesney, meine ich. Du bist schließlidt meine Sdtwester und ganz kleine adttzehn Jahre alt." Bar– bara sdtwieg erbittert, erschöpft und besorgt. Gerda legte sid! wieder zurück und schloß die Augen. Hinter ihre gesdtlos– senen Lider trat Chesney. Alles an ihm war anziehend und berauschend und gleicherweise beängstigend, er war ein Kriegsheld und ein Frauenheld und hatte . überall seine Liebesnester. So etwas gab es. Hatte sie das jemals geahnt? Am nächsten Morgen weckte Barbara sie und zeigte ihr die zurechtgelegten Sachen : einen sdtwarzen Rock eine weiße Bluse, gute, leidtte Wäsdt~. Sei– denstrümpfe, hübsche, flotte Sportschuhe. .Probiere alles an •, sagte sie, . ich denke, es wird passen. In einer Stunde bin ich wieder da.• Gerda blickte atemlos auf die Herrlich– keiten und schlüpfte in die Sad!en, sie paßten wie für sie gefertigt, und als sie angekleidet vor den Spiegel trat, sah ihr aus der Tiefe des Glases eine fremde Frau entgegen. Es währte eine Weile, ehe sie begriff, daß dieses schöne, fremd– wirkende Mäddien mit dem glänzenden schwarzen Haar sie selbst war. Barba.ra trat unter die Tür, um sie ab– zuholen. Sie riß die Augen auf und sah Gerda an wie eine Erscheinung. .Mein Gott", murmelte sie blaß und wie ver– stört, . mein Gott, wie siehst du gut aus.• Es war der 7. November 1945, der Sdiicksalstag sowohl für Gerda als auch für Ronald Chesney. Barbara führte Gerda. Vor der Barak– kentür stand ein großer, auffälliger, sdiwarzer deutscher Wagen.•Das war Admi ral D önitz' Wagen", erklärte Bar– bara, a.ls Gerdas Augen staunend dar– über hinwanderten, .jetzt fährt ihn natürlich Chesney. • Im nächsten Augenblick trat Chesney vor die Tür, und als er Barbara sah', fragte er kurz : .Na, wollen Sie etwas von mir?" Bescheiden antwortete Barbara: .Meine Schwester ist aus der russischen Zone geflüchtet. Idi wollte fragen, ob Sie ihr hier eine Stellung besorgen können, viel– leicht in der Offiziersmesse.• ..Kommen Sie morgen!" Chesney war elegant. Er trug einen neuen, gutgeschnittenen Jagdanzug. Eine doppelläufige Flinte hing von seiner Schulter. Aus kühlen Augen sah er auf Gerda, rückte an seiner schmucken Sportkappe und streid!elte nachdenkend seinen Ba.rt.•Hmf Wie alt sind Sie?" .Achtzehn•, antwortete Gerda, fast wispernd vor Furdit. Chesneys Finger spielten mit seinem Goldring am Ohr. . So jung?" sagte er. Seine Augen glit– ten über sie hin. Gerda nahm allen Mut zusammen.•Ich wurde von den Russen gefangen, konnte aber entfliehen. Jdi möchte gern hier bei meiner Schwester bleiben. • Chesneys Finger spielten noch immer mit seinem Goldring am Ohr. . Ich will sehen, was ich für Sie tun kann •, ant– wortete er schließlich. . Kommen Sie morgen früh in mein Büro.• •Glaubst du, daß er mir etwas besor– gen wird?" fragte Gerda, atemlos vor Erregung, als Chesney davongegangen war, groß, elegant und selbstsicher. Barbara zuckte mit den Adtseln und preßte die Hände ineinander. Am Abend, als Gerda von Unruhe ge– trieben im Zimmer hin und her ging und Barbara sie eine lange Weile mit den Augen verfolgt hatte, sagte sie plötzlid!: . Ist das wahr, daß du von den Russen geschnappt wurdest?" Gerda wußte sofort, was sie meinte, und schüttelte den Kopf. •Das habe ich nur so gesagt, es sollte besser wirken. • .So", nickte-Barbara aufatmend. •Dann ist es gut. Unrl am besten, du fährst wie– der nach Hause, Gerda." Gerda blieb mit einem Ruck stehen, aus ihrem Gesicht wich alles Blut. Sie stammelte: .Ich soll wieder nach Hause? Warum? " .Es wird das beste sein, glaube mir. Idt fühle es.• .Aber warum?" Gerdas Lippen waren verzogen, wie bei einem Kind vor dem Weinen. .Es ist schwer mit einem Wort zu sa– gen, aber es wird das beste sein, Gerda.• "Was muß ich jetzt tun?" Auch Barbaras Lippen zitterten, auch sie war dicht vor dem Weinen. Sie hatten beide Angst, und bei jeder hatte die Angst einen anderen Grund. Gerda wollte nid!t zurück, sie konnte nicht, zwischen ihr und dem Zurück lag der Ersdtossene, ein unüberwindbares· Hin– dernis. Und Barbara fürchtete um Gerdas Schicksal. •Bitte, nein ", flüsterte Gerda, . laß mich hier, bitte, bitte.• Barbara zuckte hilflos mit den Achseln. Am nächsten Morgen stand Gerda vor Chesney. Ihr Herz klopfte im Halse. Sie hatte eine Stunde vor dem Spiegel ver– bradtt, um ihr Gesicht zu versdtönern und das rabenschwarze Haar zu bürsten, bis es wie Lack glänzte. Chesney saß in tadelloser Uniform hinter seinem Schreib– tisch. Er sah das schimmernde schwarze Haar, das ihr blasses Gesicht umrahmte, ihre vollen, tiefrot nachgezeichneten Lip– pen, ihre hübschen, dunklen, mandelför– mig geschnittenen Augen. er bemerkte ihre Jugend und Schönheit und blieb un– gerührt. Schweigend reichte er ihr ein kleines Stück Papier, und sie las: . Der Inhaber hat Erlaubnis, das Königliche Marine-Lager in Buxtehude täglich in den normalen Dienststunden von 9 Uhr vormittags bis 7 Uhr nad!mittags zu be– treten.• Sie sah auf und fragte atemlos : .Be- deutet das, daß ich hierbleiben kann?" .Ja.• •Was ... was muß ich jetzt tun?• . Gehen Sie auf mein Zimmer und war- ten Sie dort auf mich", sagte Chesney gleichmütig. • Im nächsten Augenblick sdtlug er eine Akte auf, Gerda war ent– lassen. Dann rief er: . Ach, hier der Schlüssel!" und warf ihr den Schlüssel zu. Das kleine Papier mit der Hand um– klammernd, ging sie. Es bedeutete, daß sie nun das hatte, wofür Abermillionen Deutsche alles hingegeben haben wür– den : sichere, gute Mahlzeiten, ein Zim– mer und sogar Lohn. Sie war wie be– rauscht vor Glück. Einen vorübergehen– den Seemann fragte sie nach Chesneys Zimmer. Mit einem wissenden Lächeln wies er ihr den Weg. Sie schloß die Tür auf, trat ein und erstarrte. Wohin war sie geraten? Vom Boden bis zur Decke stapelten sich Dosen mit Zigaretten und Nahrungsmitteln, Uhren und Kameras. Schmuck lag über– all verstreut, herrlid!ster, kostbarster Sd:lmuck, Armbänder, Halsketten, Ringe, Broschen - eine unübersehbare FüUe. In einer Ecke häuften sich wertvolle Tep– piche, die andere Ecke war ausgefüllt mit Flaschen, mit Whisky, Gin, Champagner, Branntwein und verschieden~n Weinen. Sie stand und starrte, schloß die Augeh und öffnete sie wieder. Der Spuk blieb. Die echten Steine funkelten und glitzer– ten sie an. Langsam gewann sie ihre Passung zu– rück . Das Zimmer war unordentlich, sie begann aufzuräumen und hängte die achtlos hingeworfenen Uniformstücke und Zivilkleider in den Schrank, ordnete Bücher und Zeitungen und machte das Bett. . In diesem Augenblick trat Cbesney ein. Ohne ein Grußwort warf er die • ••••• staune Gut gelaunt sieht alles gleich ganz anders aus, nicht so f schwer, nicht so tragisch. Man muß sie nur zur Hand haben, die Player's Cigaretten. eine echte Player's PI 605 rauche gute Laune 8½ 33

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