Neue Revue vom 26. April 1956

24 .,,.... BEI NACHT UND NEBEL kam der Bauer Franz Ro1entrlger aas Neuruppin mit ,einem Sohn Ober die Zonengrenze, um Im Westen das grolle Glßck zu flnden. Statt dessen fand er hier den Tod. .UND DIE MUTTU Wana k.ommt sie namt• fragte der elfj~– rlge Hans Roseaträger am M.orgea aach der Sektnadlt seinen Vater. Vier Tage später war der Junge spurlos verschwunden. •Von Ihrer Frau wahrscb.einlid!.", er– klärt der junge Mann. •Winklers Ma– rinaden waren sd!.ließlid!. ein Begriff.• · .Ein Begriff", wiederholt der kleine Kommissar mit dem scb.arfgescb.nittenen Gesicht. Dann bleibt er plötzlich wie an– gewurzelt mitten im Zimmer stehen. •Winkler mit der Tracb.tenjoppe. Natür– lich ist ',las ein Begriff für mich.• Der Braunschweiger Mordspezialist zeigt auf ein Regal. .Dort steht die Akte Winkler!• Scb.ardert bewegt sid!. in die ange gebene Richtung zu einem Aktenberg, in dem die sogenannten ungeklärten Fälle schlummern. Vergilbte Protokolle, die zum größten Teil ~ocb. aus der Zeit kurz nad!. dem Krieg stammen. ~ Der Kriminalassistent blättert eine Weile in den Papieren.•Vermißt'ensacb.e Rosenträger", meldet er dann eindring– lich. .Rosenträger, Söllingenl Dieser Winkler hat dod!. aud!. in Söllingen ge– wohnt ... Moment. . . hier ist es .ja! ,Beschuldigter Winkler, freiwillig er– schienen, erklärt zur Sache . . : • Kommissar Feldmann reißt seinem Assistenten den roten Aktendeckel so . heftig aus der Hand, daß der alte Staub aufwirbelt: .Geben Sie her, Schardertl Wissen Sie, wer uns soeben begegnet ist? Der beste Kriminalist der Welt .·. . Kriminalassistent Zufall.• Schardert grinst: .Soeben auf Dienst– reise in Braunsd!.weig. Die Aufklärung des Doppelmordes an Franz Rosenträger und seinem Sohn imJahre neunzehnhun– dertneunundvierzig steht vor der Tür.• Was damals, vor sechs Jahren, zusam– mengetragen wurde, ist nfd!.t gerade viel: Ein Hamburger Elektriker namens Karl Mode kam mit dem aus Neuruppin stammenden Bauer Franz Rosenträger und dessen elfjährigem Sohn im Früh– jahr 1949 aus der Ostzone. In Söllingen kehrten sie in der Gastwirtschaft .Zur Erholung" ein. Rosenträger lernte dort den Fabrikanten Winkler kennen und war schon am · näd!.sten· Morgen ent– schlossen, in Söllingen zu bleiben. Denn Winkler hatte ihm angeboten, als Teil– haber in seine Marinadenfabrik einzu– treten - mit 10 000 Mark Einlage, davon 5000 Mark sofort zahlbar. Zwei.Monate später erklärte der Elek– triker Mode vor der Polizei, Frau Rosen– träger habe ihn beauftragt, in Söllingen nach ihrem Mann und ihrem Kind zu for– schen, weil sie seit Wochen keine Nach– richt mehr von ihnen bekommen habe. Ihr Mann habe nid!.ts von sid!. hören las– sen, seit sie fünftausend Mark an ihn überwiesen habe. .Haben Sie einen bestimmten Ver– dacht?" fragte damals der Kriminal– beamte. . Allerdings•, gab Mock zu Protokoll. .Nämlich gegen den Fabrikanten Wink– ler. Rosenträger hat nad!. Hause ge– schrieben, er könne in Winklers Ma- rinadenfabrik eintreten. Winkler stritt das zwar ab; aber vor ihm auf dem Tisd!. stand ein Reisewecker, der von Rosenträger stammte. Es war ein Talis– man, von dem sich Rosenträger nid!.t trennen wollte, weil er ihm während des Krieges einmal das Leben gerettet hatte.• Auf die Anschuldigungen des Elektri– kers hin~wurde damals Winkler sofort vernommen. .Es stimmt, daß id!. mit Rosenträger über seinen Eintritt in meinen Betrieb sprad!.•, sagte er•aus.•Aber als id!. da– hinterkam, daß er mich mit meiner Frau hinterging, zog id!. mich sofort zurück. Einige Tage später war Rosenträger aus Söllingen verschwunden. Das ist alles, was ich weiß.• Später traf ein Brief aus der Ostzone von Frau Elfriede Rosenträger bei der Polizeidienststelle Söllingen ein: •Von meinem am 28. Juni 1949 durd!. Karl Mode dort als vermißt gemeldeten Mann Franz Rosenträger und unserem Kind Franz habe ich heute Nad!.ricb.t erhal– ten. Beide wurden von einer russisd!.en Streüe beim Obersehreiten der Zonen– grenze festgenommen und in ein Lager eingeliefert. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen und bitte Sie, nun keine weiteren Nachforschungen mehr anzu– stellen.• Damit schließt die Akte Winkler. Kommissar Feldmann sieht seinen As– sistenten an. ••Fahren Sie sofort nad!. Söllingen •, sagt er bestimmt, ; und hor– d!.en Sie dort herum!• .Glauben Sie im Ernst, daß etwas dabei herauskommt?" frägt Schardert. Der Kommissar zuckt die Achseln: .ld!. habe so ein Gefühl .. . mehr aller– dings nid!.t. • Während Kommissar Feldmann am nächsten Morgen im Büro seinen Assi– stenten aus Söllingen zurückerwartet, trifft ein Fernschreiben aus Nürnberg ein: •Winkler mit falschem Paß, der auf den Namen Ostler lautet, festgenommen. Er wurde in Steyr, Oberösterreich, ins Gefängnis eingeliefert.• Kommissar Feldmann liest _noch, da klingelt das Telefon. Ein Ferngespräd!. aus Steyr. Die österreichische Kriminal– polizei fordert die Akten des Johann _Langbauer, alias Josef Ostler, alias Her– mann Winkler aus Söllingen bei Braun– sd!.weig an .. . . Langbauer?" fragt Feldmann. .Rid!.tig. Ein guter Fang!" antwortet der österreichische Kollege.•Langbauer oder Winkler, wenn Sie wollen, ist ein entsprungener Raubmörder. ,1945 ist er aus dem Zud'lthaus ausgebrochen . .. • Langbauer, der sich später Winkler nannte, ermordete zusammen mit einem Komplizen 1934 in Wien einen siebzig– jährigen Schneidermeister. Er wurde zu 14 Jahren Kerker verurteilt und saß im Zuchthaus Garsten bei Steyr. Da 1945, kurz vor dem Zusammenbrud!., großer Arbeitermangel herrsd!.te, wurden die Sträflinge zu Arbeiten außerhalb . des Zud!.thauses eingesetzt. Bei dieser Ge– legenheit lernte Langbauer die Evaku– ierte Charlotte, geschiedene Frau efnes Berliner Lehrers, kennen. Zwischen dem Sträfling und der blon– den Schönen spann sid!. ehyas an. Lang– bauer dachte nicht daran, ins Zuchthaus zurückzukehren. Später heiratete er Charlotte und nannte sid!. Winkler. .Es ist eine tolle Gesd!.ichteu, fährt der Beamte aus Steyr fort. nAls Wink– ler hier der Boden zu heiß wurde, ver– schwand er mit seiner Frau in Richtung Helmstedt. Das hat e.r bis jetzt gestan– den. Der Bursche ist schwer zu nehmen. Wissen Sie vielleicht nod!. etwas über ihn? Damit könnten wir ihn eventuell weich machen.• •Was wir gegen ihn haben, ist ein Verdacht", antwortet Feldmann. "Und zwar Mordverdad!.t.• Der Osterreich.er holt Luft: . Haben Sie wenigstens seine Frau? Diese Char- lotte?" · .Nein ...• knurrt Feldmann. .Id!. glaube, wir müssen später nochmal- tele– fonieren, Heu Kollege. Ich habe sogar so ein Gefühl, als würden w ir uns bald sehen.• Von diesem Augenblick. an gibt es keine ruhige Minute mehr {ür Feldmann. Das Jagdfieber hat ihn gepadc.t. Endlich trifft aud!. Sd!.ardert ein.•Söl– lingen ist ein hübsd!.es Nest!• berid!.tet er. •Lauter nette Leute, seit clas schwarze Schaf Winkler versd!.wunden ist. Idi habe fast keinen Mensd!.en getroffen, der ein gutes Haar an ihm läßt." .Kommen Sie zur Same, Schardert!" .Gut. Hier ist eine Anzeige wegen Totoscb.windels. Sie ist vor drei Tagen eingegangen. Hier folgen diverse Anzei– gen wegen sonstiger kleiner Betrüge– reien, Gestern eingegangen. Fünf Jahre war Winkler ein angesehener Mann. Ab\!r seit er weg ist, finden seine ein– stigen Mitbürger jeden Tag etwas Neues.• . •Und die Sache Rosenträger?u .Hier habe ich einen Brief von der Frau des Vermißten. Vor efwa acht Wo– chen an einen Flüd!.tling in Söllingen geschrieben, der aus Neuruppin stammt.• Scb.ardert liest vor: . Ich kann es nid!.t mehr glauben, daß mein Mann und mein Junge nach fünf Jahren nod!. immer in einem Lager sitzen sollen. Die Frau, die mir aamals Grüße bestellt hat , muß mich belogen haben. Ich fürchte, daß meinen· Lieben etwas Schreck .lieb.es drüben bei eud!. geschehen ist.• • ,Die Frau, die mir damals Grüße be– steUt hat .. .' • wiederholt der Kommis– sar nachde11klicb..•Denken Sie mal nach, wer das gewesen sein könnte!•

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