Neue Revue vom 26. April 1956

Kriminalassistent Zufall greift ein: , Am 16. April begann in Steyr ein Sensationsprozeß um einen mysteriösen zweifachen Mord / Was geschah in der Fischmari- nad~nfabrik von Söllingen bei Braunschweig? / Der ehren~erte Herr Direktor Winkler - ein entsprungener Raubm,rder I Hat die Friseuse Charlotte die Torte vergiftet? , -Gespenstischer Lokaltermin vor zwei Skeletten I Bericht von Heinz Weibel-Altmeyer Bel dem lokallermln Im Mordfall Ro nträger glbl es eine ge 1enstlsdle Szene. Vor dem offenen Grab der Opfer wird Charlolte (links) von einem Wel rampf gesd!Ullelt, während Ihr ehemaliger Mann Hermann Wlnkler alias Johann langbaue (rechts In Trachtenjadte) un– bewegt zuschaut, In der Mitte der Kriminalkommissar, der den Fall aufklärte. Nur eine Frage ble~bt offen: wurden die Rosenträger von Langbauer erwürgt oder von Charlolle vergllteU E s muß ein Irrtum sein, Herr Inspek– tor. Sicher ist es ein Irrtum!• Josef Ostler, Produktenhändler aus Wien, wischt mit der Hand über seine ver– schlafenen Augen. .Schließlich hat mir Herr Winkler seine Brieftasche in die Jacke gesteckt, bevor er mir .meine geklaut hat•, fährt er mit übernächtiger Stimme fort. Der Nürnberger Kriminalbeamte lä– chelt.• Im Rausch ist alles möglich•, sagt er und sieht Ostler prüfend an. •Wie viele Flaschen ...?" •Wie viele Flaschen?• wiederholt der Mann vor dem Schreibtisch. .Es waren fünf, wenn ich mich recht erinnere. Sie mögen recht haben, Herr Inspektor. Jedenfalls ... plötzlich muß ich einge– schlafen sein und dann ...• Und trotzdem, denkt Ostler. 'Es kann nicht sein. Der Mann in der Trachten– joppe, mit dem er vor einigen Stunden Brüderschaft getrunken hat, kann kein Gauner sein. Er zieht den Paß des an– deren aus der Tasche, den Paß, den ihm dieser Herr Winkler zugesteckt hat, be– vor er ihm den seinen nahm.•Hier, Herr Inspektor•, erklärt Ostler eigensinnig. .Hier haben wir es schwarz auf weiß! Winkler ist ein seriöser Geschäftsmann. Lesen Sie selber! ,Direktor' steht da als Beruf. Und das ist noch recht bescheiden ausgedrückt. Er hat eine Marinaden– fabrik in Braunschweig. Er hat es mir ~ selber erzählt. Und dann: sein ganzes Benehmen . . . Ein solcher Mann klaut keinen Paß ...• .Einen Paß und - dreitausend Mark", unterbricht der Inspektor.•Das haben Sie zu Protokoll gegeben. O.p.~r?" Der Produktenhändler aus'"Wien nickt nervös: .Dabei bin ich ein mißtrauischer Mensch. Aber wenn unsereinem ein Landsmann begegnet, geht einem halt das Herz auf ... • .Die Brieftasche sollte man aber trotz– dem festhalten" , mahnt der Kriminal– beamte. .Jedenfalls werde ich nachher ein Fernschreiben nach Braunschweig aufgeben. Vielleicht wissen wir schon in einer Stunde etwas mehr. über Ihren Freund. Gehen Sie jetzt erst mal und warten Sie draußen. Ich muß noch die Kellnerin und den Geschäftsführer des Lokals vernehmen.• Ostler verläßt das Dienstzimmer in der Nürnberger Kriminalpolizei und setzt sich draußen im Korridor -auf eine Bank. Vor dem Schreibtisch des Inspektors sitzen jetzt die Kellnerin Lilli und ihr Chef. .Ich sah die beiden Herren zum ersten– mal", antwortet das Mädchen' auf die Frage de! Beamten.•Sie müssen sich zu– fällig im Lokal getroffen haben. Al's sie bemerlt:ten, daß sie Landsleute sind, stürzten sie mit Hallo aufeinander zu.• .Haben Sie gesehen, wie er ihm den Paß aus der Tasche nahm?" fragt der Inspektor ruhig. Lilli schüttelt den Kopf. .Nein. Mir fiel nur auf, daß der eine plötzlich ein– geschlafen war und der andere, ohne sich zu verabschieden, das Lokal ver– ließ. Später, als de'r Zurück.gebliebene erw.ac :hte, sah ich, daß er aufgeregt in seinen Taschen herumsuchte ...• Weder Lilli noch ihr Chef, noch der Inspektor ahnen in diesem Augenblick, daß mit dieser Vernehmun!l eine Spur entdeckt wurde, deren Verfolgung ein grauenhaftes Verbrechen enthüllen wird. Noch in der gleichen Nacht kommt in Nürnberg ein Fernschreiben folgenden Inhalts aus Braunschweig an: .Direktor Winkler vor vier Wochen unbekannt verzogen. Marinadenfabrik wegen Kon– kurses liquidiert.• Nun beginnt die Fahndung nach Winklar. In gahZ Deutschland sucht man den Mann mit der Trachtenjoppe. Die Interpol wird eingeschaltet. Denn mög– licherweise ist der Bleitedirektor in sei– ner Heimat, in Osterreich, untergetaucht. Vielleimt sogar unter dem Namen sei– nes Landsmannes, dem er den Paß aus der Tasche genommen hat. Unter dem Namen Josef Ostler . . . Einige Tage später geht in Braun– schweig der Kriminalkommissar Feld– mann mit langen Schritten in seinem Amtszimmer auf und ab. •Winkler! Winkler! Den Namen hab' ich doch schon mal gehört" , sagt er zu seinem Assi– stenten Schardert. Fortsetzung übernlichste Seite

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