Neue Revue vom 26. April 1956

Roman einer grotieu·versudmng von BANS KADES Für REVUE bearbeitet (Copyright by Verlag Kurt Desch, München-Wien-Basel} Marlna Meyberg, eine blld1chiine Junge Frau, von Ihrem Mann verwiihnt mit allem Luxus, Ist unglUcklich. Seit Beate, Ihre Tochter, geboren Ist, spUrt sie eine qutilende leere In Ihrem leben. Die Ehe kann Ihr nicht die ErfUllung bringen - denn Rolf Meyberg Ist Infolge einer Sterillsatlon unfHhlg, die Ehe zu vollziehen. Beate 111 ein nkUnslliche1" Kind. Durch Zufall erHihrt Marlna, daß der Psychiater Professor Dr. Hans Torsten den „Spender" vermittelt haL Sie vermutet, daß Torsten selber der Vater Beates ist. Ohne Rolfs Wissen bemUht sich Marina, den Professor kennenzulernen; sie gibt sich als Studen– tin au, und besucht seine Vorlesungen. Sie 111 von diesem Mann fasziniert. Er sieht gut aus, 111 selbstbewußt, sehr beherrscht, ein vollendeter Kavalier. Daß er es war, der einst die Sterilisation Rolfs durch ein Gutachten herbel– fUhrle, ahnt Marlna nicht. Beide finden Spats an dem anscheinend harmlosen Flirt. Eines Abends IHdt Torsten Marlna in seine Wohnung ein, wo Marlna versucht, das GesprHch auf Ihre Tochter Beate zu bringen - Ihrer Ansicht nach das Kind Torslens, Aber sie erftihrt nichts. Dieser Abend hat auf Marina einen gro&en Eindruck gemacht. Wieder zu Hause, sagt sie zu sich selber: ,Ich glaube, Ich liebe Ihn'. In dieser Nacht hat sie einen seltsamen Traum. 18 M arina träumte in dieser Nacht: Sie befand sich auf einem Fest, das in weiten, großartig ausgestattet_en Räumen stattfand. An den Wänden hm– gen hohe Spiegel, die sich das Licht kos_t– barer Lüster gegenseitig zuwarfen.. Die Tapeten waren aus Seide. Viel~ ihrer Bekannten und Personen aus den besten Familien der Stadt, darunter Politiker des In- u'nd Auslandes wandelten über blankes Parkett oder saßen im Ge– spräch. Die Damen trugen große Abe~d– kleider und viel Schmuck. Marma blickte ein wenig zweifelnd an s~ch ~1~f:• nf~fz;i~e:ebü:1<!1;!~~ei1a:as~!~ Sie ging in Gedanken ihre Gard~rob_e durch und es kam ihr vor, als sei kei– nes ihrer Kleider für diese Gelegenheit gut genug. Zu ihrer überraschten Befriedigung entdeckte sie, daß sie eine berauschend schöne Abendrobe anhatte, von der sie nicht wußte, wie sie in ihren Besitz ge- kommen war. · Während sie durch die Säle schritt, merkte sie, daß sie keinen Begleiter hatte, obgleich sie wußte, daß sie mit einem Herrn zum Fest gekommen war. Im Traum versuchte sie vergeblich, sich zu erinnern, wer es war. In einem kleineren Saal ließ sie sich an einem Tisch nieder, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Im Kamin brannte ein großes Feuer aus riesigen Holzscheiten, das den Raum in eine sanfte, tiefrot leuchtende Glut tauchte. · Es kam ihr vor, als warte sie sehnsüch– tig auf jemanden, und sie wunderte sich nicht, als Torsten die Treppe herunter– stieg und auf sie zukam. Er sah im Fradc unwahrscheinlich gut aus und trug auf dei; Brust einen großen Orden. Er setzte sich neben sie und legte den Arm auf die Lehne ihres Stuhles. Sie plauderte mit ihm, und er sagte so witzige Dinge, daß sie herzlich lachen mußte. Sie erwiderte ihm geistreich, und einige Leute, die herumsaßen und dem Gespräch zuhorch– ten, klatschten ihr Beifall. Torsten erhob sich dann und führte sie hinaus. Sie betraten einen Balkon, vor dem sich eine weite Landschaft ausbrei– tete, mit einer Wiese voller Blumen im Vorder- und Bäumen im Hintergrund. Sie standen nebeneinander und blickten auf die Landschaft. Ein beklommenes Gefühl, das sie plötzlich überkam, ließ sie zu ihrem Begleiter aufblicken, und sie merkte, daß er sie, nur noch sie ansah. In seinen Augen gewahrte sie ein dü– steres Glimmen, und die Kraft seines Begehrens ließ sie erschauern. Er beugte sich zu ihr herab und küßte sie wild auf den Mund. Noch 'nie hatte ein'Mann sie so geküßt. Er preßte sie mit beiden Ar– men an sich, obgleich mehrere Menschen mit ihnen auf dem Balkon standen und sie beobachteten. Sie konnte sich nicht wehren, und ihre flehenden Blicke beach– tete er nicht. Sie war sehr glücklich dar– über und zugleich freute sie sich über die neidischen Blicke der anderen Frauen, die sie auf sich gerichtet fühlte. Torsten führte sie fort. Eng umschlun– gen gingen sie durch lange, prächtige Korridore, an deren Wänden Porträts aus vergangenen Zeiten · hingen. Vor einer Tür machte Torsten halt, öffnete sie, nahm Marina auf seine Arme und trug sie über die Schwelle. Es war ein Boudoir, rot ausgeschlagen und von einem milden Licht erfüllt, in das er sie brachte. Er setzte sich neben sie auf eine Couch und überhäufte sie mit Zärtlich– keiten. Ein nie gekanntes Gefühl der Seligkeit blühte unter seinen Händen in ihr auf. Sie lehnte sich we it zurück und schloß die Augen. Ihre Arme schlangen sich eng um den Nacken des Geliebten und preßten sein Gesicht an das ihre . . . Als sie die Augen wieder öffnete, war der Raum in grelles Licht getaucht. Nahe, ganz nahe über ihr war das Gesicht des Mannes. Sie sah es zuerst nebelhaft ver– schwommen, dann wurde es scharf, und ein eisiges Entsetzen durchfuhr sie. Das war nicht Torsten. Ein fremder Mann lag bei ihr. Ein verzerrtes, grobes Gesicht, in dem kleine tückische Augen standen. Marlna wurde von Ekel geschüttelt. Mit aller Kraft versuchte sie, sich aus den Armen zu befreien, die sie wie stählerne Fesseln umschlungen hielten, versuchte den Körper fortzuschieben, der auf ihr lastete. Es war vergeblich. Während ihres verzweifelten Kampfes wurde ihr plötzlich klar, daß dieser Mann jener Russe war, de.r die Mutter verge– waltigt hatte. Diese furchtbare Erkenn_t• nis belebte ihre Kräfte aufs neue. Sie bäumte sich auf in einer rasenden An– strengung, aber sie konnte nur gerade den Oberkörper heben. Ihre Blicke trafen das Fenster. Dahinter sah sie ihren Mann, der Beate an der Hand hielt. Beide sahen traurig und verlassen aus. Dann v.:ar alles zu Ende. Marina glaubte zu ers~– ken, vergeblich rang sie nach Luft. Sie ließ sich fallen ... Marina erwachte von ihrem eigenen Schrei. Sie war in Schweiß gebadet, und ihr Herz klopfte wild bis zum Hals her– auf. Ihr ganzer Körper schmerzte. Es dauerte Minuten bis sie hellwach war. Die Schrecken d~s Traumes zitterten in ihr nach. Sie stand mühsam von ihrem Bett auf und ging in ihrem Schlafzimmer hin und her, um sich zu beruhigen. Die Uhr sagte ihr, daß sie kaum zwei Stunden geschla– fen hatte, als der Albtraum sje unsanft aufschreckte. _ Sie konnte sich nicht erklären, warum der Traum sie so übermäßig besdl_ii.f– tigte. Was für ein Unsinn, dachte sie ärger– lich, ich habe einfach zuviel getrunken, und das ist mir nicht bekommen. Marsch, jetzt ins Bett, befahl sie sich selbst. Sie legte sieb hin und löschte das Licht, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Die Schreckensszene des Traums kehrte zu. rüde, sobald sie die Augen schloß. Es kam ihr so vor, als wollte ihr der Traum etwas sagen, sie vor etwas warnen, wa.s sie nicht verstehen konnte. Es half ihr nichts, daß sie versuchte, an andere Dinge zu denken. Endlich gab sie die vergebliche Mühe um das Einschlafen auf. Sie holte sich ein Glas Wasser, löste das Schlafmittel im Löffel und nahm es ein. Während sie darauf wartete, daß das kräftige Medi– kament ihr die· Besinnung nehme,. faßt e sie den Entschluß, ihren Traum gleich morgen Torsten zu erzählen. Es ist sein Beruf, dachte sie hoffnungs– voll, er wird IPir sagen können, was das zu bedeuten hat. Nicht einen Moment hatte sie Bedenken, sich ihm anzuver– trauen. War er nicht W issenschaftler 1llld wußte Persönliches von Sachlichem streng zu trennen? * * * Marina sah nicht das selbstzufriedene Lächeln des Triumphs auf Torstens Ge– sicht, als sie ihm am Telefon sagte, daß sie ihn noch an diesem Abend unbedingt sprechen müsse. Sie war trotz des Schlaf– mittels früh wach und hatte Torsten an– gerufen, noch bevor er seine Wohnu ng verlassen hatte. Als die Verabredung mit ihm getroffen war, stand sie nicht auf, sondern wollte noch e ine V iertel– stunde schlummern. Aber sie schlief sofort fest ein und erwachte erst wieder gegen Mittag. Sie hatte sich mit Torsten für den Abend verabredet und ihm nicht erklärt, warum sie ihn so dringend sehen wollte. Sie selbst hatte vorgeschlagen, daß sie sich in seiner Wohnung treffen sollten. Er hatte ernsthaft zugestimmt, und seiner Stimme war nichts von seinen Gefühlen anzumerken gewesen. . Kommen Sie bi tte gegen acht•, hatte er sie aufgefordert, •und essen Sie ein Butterbrot bei mir. Früher bin ich leider nicht frei; nach dem Essen können wir uns immer noch etwas anderes aus– denken.• Wieder war Marina übe.r die höfliche Küble seines Tones ein wenig pikiert gewesen. Aber dann sagte sie sich, daß es ihm nicht gelingen sollte, sie noch ein– mal hereinzulegen. Sie mochte unerfah– ren sein, aber sie glaubte, ihn durch– schaut zu haben und zu wissen, daß seine reservierte Haltung nur ein Spiel war. Der Diener öffnete ihr die Tür, aber hinter ihm stand schon Torste.n, um ihr aus dem Mantel zu helfen. Er gab sich sehr charmant und besorgt um sie und sah betrübt drein, als sie ihm noch in Gegenwa rt des Dieners auf seine F rage, wie ihr der gestrige Abend bekommen sei, antwortete: . Schlecht, ich habe nicht d u rchschlafen können und mußte ein Schlafmittel nehmen. • Er geleitete sie ins Speisezimmer, in dem für zwei Pe rsonen sehr sorgfäl tig Bitte lesen Sie weiter auf Seite 36

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