Neue Revue vom 26. April 1956

,Ganz ohne Sdty,,ierigkeiten.• .Dusel gehabt.Man hört doch gerade genug anderes.• Gerda grub die Zähne in die Unterlippe, und langsam und schwerfällig wandte sie sich ab, trat ans Fenster. Sie fürchtete, nicht die Kraft zu haben, Barbaras ahnungslosen Blick länger ertragen zu können. Kaum zehn Meter vom Fenster entfernt standen zwei Männer, ein älterer Offizier und ein jüngeret, und Gerda traute ihren Augen nicht. Der jüngere Offizier war ein hübscher, flotter Bursche, so, wie für sie ein Offizier zu sein hatte. Aber der ältere - was für ein Mann! Vor Staunen legte sie die kleine Hand, zur Faust ge– ballt, gegen den Mund. Der ältere Offizier stand in einem Oberrock, der eine lange Jacke oder ein kurzer Mantel war, jedenfalls hatte sie einen solchen Uber– rod{ noch nicht gesehen; er hatte eine flotte Marine– mütze auf dem Kopf, war vo;i riesiger Statur und trug einen wüsten, wilden Bart. Seine Nase war gewaltig• . Dann entdeckte sie noch etwas an ihm, und nun pru~ stete sie hinter der kleinen Faust los. •Wer ist das denn?• Sie wandte sieb halb zum Zim– mer zurück und wies zum Fenster hinaus. Barbara kam und warf einen kurzen Blick hinaus, dann trat sie sofort wieder zurück. •Ach so, der - Chesney heißt er.• •Wie sieht der bloß aus?" . Ein bißchen merkwürdig sieht er schon aus. Laß dich nicht sehen.• .Und da am Ohr, was hat er denn im Ohr?" • 'nen Ring.• .Einen Ring! Ein Mann mit einem Ring im ·ohr! Zuin Sdließen! Was macht er denn hier?" .Er hat allerlei zu sagen. Laß dich bloß nicht sehen, Gerda.• Gerda hörte nidtt. Sie sah hinunter auf Chesney und platzte heraus: .Er sieht aus wie Rübezahl ... oder wie ein Räuber– hauptmann, weißt du?• . Da hast du recht, das stimmt•, antwortete Barbara tro&en. Gerda merkte nichts, sie beobachtete den Mann, der Chesney hieß, weiter. Er sdlien, im Gegensatz zu dem jungen Leutnant, guter Laune zu sein und sich köstlich über etwas zu amüsieren. Der junge Leutnant aber blieb ernst, und das, was er sprach, schien von eisigljlr Entschlossenheit zu sein. · Schließlich trat er mit eh,1er kurzen, knappen Grußbewegung zurück und ging da– von. Mit einem Schlage veränderte sidl Chesneys Gesicht, es verlor alle Fröhlichkeit und allen Charme, mit eingekniffenen Augen und überlegend seinen Bart streichend, sah er dem Leutnant nach. Bitte lesen Sie weiter ouf Seite 32 IN TRAUERKLEIDUNG reiste Gerda Schaller (links), eine der vielen Gell,ebten Chesneys, nach London, als die Untersuchungen von Scotland Yard nach und nach Licht In die Mord- und Raubaffären des ehemaligen Besatzungs– offiziers brachten. Gerda war im britischen Marinedepot Buxtehude bei -Hamburg zum ersten Male mit Chesney zusammengetroffen, nachdem sie aus der Sowjetzone geflüchtet war und Ihre bei Chesney arbeitende Schwester Barbara (rechts) aufgesucht hatte. Chesney, der große starke Mann mit dem wilden Bart und einem goldenen Ohr– ring, wurde von Gerda vom ersten Tage an geliebt. Wie es dazu kam, lesen Sie heute In unserem Bericht. 17

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