Neue Revue vom 26. April 1956

Neun iunge Deuts,he flohen aus der Fremdenlegion: ·,,Lebend kriegen sie uns ni Deutscher Frachter verweigerte Asyl Neun junge Männer. bis vor wenl• gen Tagen noch Soldaten der fran– zösischen Fremdenlegion, haben das größte Abenteuer Ihres Lebens glücklich überstanden. Dieses Abenteuer begann, als sie wäh• rend eines Ubungsmarsches zum Hafen von Algier hinüberschauten und dort einen deutschen Frach– ter, das Motorschiff „Holstein", am Kai liegen sahen. In der Kaserne beschlossen sie, zu desertieren. Einer von Ihnen, Heinz Kueschk aus Einbeck (Hannover), stahl sich in der Dunkelheit an Bord des· Schiffes, das durch Maschinen– schaden an der sofortigen Weiter– fahrt gehindert wurde, und stellte .1 lolshdn"-Kapi t;in Karl A h rcns sich dem Kapitän vor. ,,Nehmen Sie mich mit nach Deutschland!" bat er ihn Inständig. Kapitän ~hrens lehnte ab und verbot dem Legionär das nochmalige Betreten des Schiffes. Kueschk und acht andere Legionäre ließen sich trotzdem nicht von ihrem Plan abbrin– g en. Nachts schlichen sie einzeln oder zu zweit an Bord der „Hol– stein" und versteckten sich mit Wissen ei niger Besatzungsmitglieder Im Wassertank. So fanden die 27 französischen Hafenpolizisten an Bord keine Spur von den Deserteuren, als sie die „Holstein" vom Mast bis zum Kiel durchsuchten - der Wassertank war fest zuge– schraubt. fünfzehn Stunden hielten die neun aus, zum Teil im Was– ser stehend. Dann ließen Matrosen die blinden Passagiere heraus. Die „Holstein" fuhr jetzt auf hoher See im Schlepptau eines hollän– dischen Dampfers. Drei Tage später wagten sich die ersten Legio– näre an De·ck, nachdem das Schiff die Meerenge von Gibraltar pas– siert und den Atlantik gewonnen hatte. Kapitän Ahrens war wütend. Er äußerte zu seiner Mannschaft, daß er per Funk die französischen Behörden benachrichtigen müsse. Als die Legionäre das erfuhren, stand ihr Entschluß fest: So schnell wie möglich aussteigen! Ein Zu– fall kam ihnen zu Hilfe: am Horizont tauchte die Silhouette eines Gerettet und frei In dem Augenblidc, in dem die sieben geflüchteten Soldaten der Fremdenlegion vom Rettungsboot der . British Advo• cate• aus dem Wasser gezogen wurden, hatten sie Leben und Freiheit gewon– nen. Die Möglichkeit, hier gefangen- genommen zu werden, erschien ihnen schlimmer als der Tod im Wasser. Der Zerstörer war beim Sprung von Bord der .Holstein • noch außer Sichtweite. gro8en Tankers ayf, der sich schnell nciherte; es war d ie 12 000 BRT große „Brltish Advocate". Hinter dem Rücken des Kapitäns versah die „Holsteln"-Mannschaft sechs Legionäre mit Rettungswesten. Zwei der FIUchtlinge hielten sich Im Laderaum weiter verborgen - als Nichtschwimmer war ihnen das Risiko zu groß. Sieben Mann sprangen Uber Bord. Der englische Tanker ließ ein Rettungsboot zu Wasser. Es dauerte über zwei Stunden, bis die „Schiffbrüchigen" aus dem Meer gefischt und an Bord der „Brltlsh Advocate" gebracht waren. Nach einem Funkgespräch mit London gewcihrte der eng• lische Kapitän den Deserteuren Asyl, während fast gleichzeitig ein französischer Zerstörer am Schau– platz des dramatischen Gesche– hens eintraf, der die Auslieferung der Legionäre forderte - ohne Erfolg. Uber England kehrten die Söldner, die die Freiheit wählten, in die Heimat zurück. Die beiden Nichtschwimmer blieben im Ver– steck, bis die „Holstein" im Ham– burg-Harburger Hafen festge~ macht hatte. Im Zwielicht bleibt vorläufig das Verhalten des Kapi– täns Ahrens. Ob er den französi– schen Behörden einen Funkspruch geschickt hat, als die blinden Pas– sagiere an Deck gekommen wa– ren, oder nicht - er hüllt sich in Schweigen. feststeht, daß er sich im Hafen Algier unter der Dro– hung, daß widrigenfalls sein Schiff Die .Holstein" im Hamburger Hafen beschlagnahmt würde, zur B'enach- richtigung der französischen Behörden . verpflichtet hatte. Die Reederei billigt seine Handlungsweise. Aber In Hamburg musterten drei Matrosen als Protest gegen den „Verrat" ab, einer von Ihnen begründete schriftlich: ,,Wegen unmenschlichen Verhaltens gegen deutsche Fremdenlegionäre.'' Für die Heimgekehrten Ist dieser Punkt nicht mehr wichtig - sie sind glücklich zu Hause und freuen sich der auf so abenteuerliche Weise wiedergewonnenen FrelhelL Wieder Gefangene In London mußten die Geflüchteten wieder ins Gefängnis, allerdings nur pro forma . Das deutsche Konsulat stellte fest, daß sechs von ihnen deutsche Staatsangehörige waren, der siebente Osterreicher. Er mußte noch einige Tage in England bleiben, die Deu1sd1en konnten nach zwei Tagen die Heimreise antreten, nachdem sie mit Hilfe des Deu tschen Sozialausschusses neue Mäntel und Jadcen erhalten hatten. Gespräche mit Reportern waren untersagt. REVUE allein konnte diese Aufnahme der Legionäre Hüls und Kueschk in Lon\!on .schießen•.

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