Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

96 Abenteuerliches Besorgen von Bargeld Ein großes Problem stellte für viele Abläufe des konkreten täglichen Lebens das Fehlen von Bargeld dar. Die Stadtkasse befand sich im Rathaus – und das Rathaus lag bekanntlich im Stadtteil Steyr-West. Die Kasse im Gemeindeteil Steyr-Ost war gähnend leer. Geld wurde aber dringend benötigt, um z.B. Mitarbeiter zu bezahlen oder dringende Einkäufe tätigen zu können. Unerschrocken übernahmen zwei Männer die gefährliche Mission, aus dem Westteil Geld zu organisieren: Franz Draber, eben der Todeszelle der Nationalsozialisten entronnen und sein Freund Hans Strauß, schwammen in der Nacht durch die Enns und stellten so die Verbindung mit den Funktionären von Steyr-West her. Sie bekamen das nötige Geld und durchschwammen wieder den Fluss, schlichen sich durch die Postenkette der Sowjets – und Steyr-Ost verfügte für eine gewisse Zeit über die nötigen Barmittel. Später, als die Arbeit des neuen Gemeinderates schon besser eingespielt war, kamen die Stadtväter auf der Ostseite auf eine rettende naheliegende Idee: In Steyr-Ost befand sich das Finanzamt samt Kassa und einem Hofrat als Amtsvorstand. Kurz entschlossen beschlagnahmte Dr. Enzelmüller in seiner Funktion als Magistratsdirektor die Kasse mit zwei Millionen Reichsmark und beförderte den heftig protestierenden Hofrat zum neuen Stadtkassier von Steyr-Ost. Danach erst erfolgte eine Vorsprache beim Finanzministerium, das diese Maßnahme im Nachhinein sanktionierte und dem Magistratsdirektor Lebensmittelkarten und einige Waggonladungen Weizen versprach. Wenige Tage später traf ein Schreiben von der Regierung in Wien ein, das die Handlung im Nachhinein legalisierte. Als abermals nach zwei Wochen alle vorhandenen Geldmittel aufgebracht waren, wurde wieder im „Schwimmverfahren“ über die Enns meist nachts Geld aus dem West-Sektor nach Ost gebracht.114 Ein Leben für den Widerstand Auf dieser Seite oben heißt es „Franz Draber und sein Freund schwammen in der Nacht durch die Enns………“. Wer war aber dieser Franz Draber? Seine Leistungen und sein persönlicher Einsatz sind es Wert, dass man sich näher damit beschäftigt: 114 Bernt-Koppensteiner, Ines: Steyr im Jahr 1945. Geschichte einer geteilten Stadt. S. 11.

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