Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

80 Der Westsektor der Stadt Steyr Trotz der unvorstellbaren Lage, in der sich die Bevölkerung und die Stadt zu diesem Zeitpunkt befanden, trotz dieses Ausnahmezustandes, sind die damals Verantwortlichen mit wohlüberlegten und klaren Entscheidungen vorgegangen. Um die Bevölkerung rasch und zahlreich zu erreichen, haben die Rathausverantwortlichen auf das Kommunikationsmittel „Plakat“ gesetzt. Auf diese Weise wurden in den ersten Wochen nach Kriegsende wichtige Informationen verlautbart. Das erste Plakat wurde bereits am 7. Mai 1945 – also zwei Tage nach Beginn der Besatzung und der Installierung der neuen Rathaus-Administration in ganz Steyr affichiert. Diesmal ging es um einen allgemeinen ersten Appell, den der soeben von den Amerikanern ernannte provisorische Bürgermeister von Steyr, Franz Prokesch, unterzeichnet hatte: „An die Bevölkerung der Stadt Steyr! In der ernstesten Stunde, die jetzt diese so oft schwer geprüfte Stadt durchmacht, wende ich mich an die gesamte Bevölkerung mit der Bitte, Ruhe und Ordnung zu bewahren. Unser oberstes Ziel muss sein, zu retten, was noch zu retten ist. Plünderungen und Ausschreitungen müssten die ganze Stadt in unvorstellbares und nicht mehr gut zu machendes Elend stürzen. Das muss verhütet werden! Ich fordere daher die Bevölkerung auf, den Anordnungen der Besatzungstruppen unbedingt Folge zu leisten, allen ausländischen ehemaligen Gefangenen und Arbeitern so zu begegnen, wie es die Gesetze der Menschlichkeit verlangen. Wir müssen in gemeinsamer Arbeit allmählich zu geregelten Verhältnissen kommen. Dass die Arbeit nach diesem furchtbaren Zusammenbruch ungeheuer schwer ist, wird wohl jedermann verstehen. Es muss daher jedermann alles tun, was im Interesse dieser Arbeit liegt. An die Arbeiterschaft von Steyr, der ich kein Unbekannter bin, richte ich die persönliche Bitte, mich im Verein mit den Vertrauensmännern auf das tatkräftigste zu unterstützen. Wirkt aufklärend auf die ausländischen Arbeitskollegen, die ja mit uns durch Jahre hindurch das gleiche Schicksal getragen und noch schwerer gelitten haben wie wir, um so einen kleinen Schritt zur Versöhnung der Nationen vorzubereiten. Zum Schluss die Versicherung: Es wird, was menschenmöglich ist, geschehen. Steyr, am 7. Mai 1945 Der prov. Bürgermeister Franz Prokesch“99 99 Amtsblatt der Stadt Steyr, Steyr 5a, 48. Jahrgang, 8. Juni 2005, S. 2

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