Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

39 Das Chaos der letzten Kriegstage Kurz vor dem Kriegsende herrschen in Steyr und ganz Oberösterreich chaotische Zustände: alles ist in Auflösung begriffen, Millionen Menschen sind in ganz Europa auf der Flucht: Heimatvertriebene, Kriegsverbrecher, Deserteure – aus unterschiedlichen Beweggründen suchen alle um Aufnahme. Zur gleichen Zeit rücken die alliierten Fronten näher. Vor der Roten Armee sind hunderttausende volksdeutsche Flüchtlinge aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien Richtung Westen unterwegs. Die Flüchtlingsströme werden von der Reichsführung Richtung Oberösterreich geleitet, weil man annimmt, dass in dieser Region die Ernährungssituation noch man ehesten ausreichend ist. Neben öffentlichen Gebäuden werden auch Privathäuser und Wohnungen als Unterkünfte herangezogen. Todesmärsche durch Steyr In dieser Situation – Mitte April 1945 - stellte sich für das NS-Regime die Herausforderung, was tun mit den tausenden Jüdinnen und Juden, die beim Schanzbau am Südostwall42 vor allem im Abschnitt Südburgenland und der Steiermark eingesetzt waren. Während für das Großdeutsche Reich Tag für Tag das Gebiet, das es noch beherrschte, schmäler wurde, nahm die Brutalität der um ihr Überleben kämpfenden NS-Elite immer noch zu und dafür boten die tausenden Juden vom Schanzbau ein willkommenes Ziel für ihren grenzenlosen Hass. Einem SS-Befehl zu Folge sollten keine KZ-Häftlinge in die Hände der alliierten Befreier kommen können und deshalb mussten sich die völlig ausgemergelten und abgearbeiteten Zwangsarbeiter in langen Märschen auf dem Weg machen und von Südburgenland und der Steiermark durch das Ennstal bis nach Mauthausen – und schlussendlich noch bis Gunskirchen gehen. Viele kamen auf Grund der unvorstellbaren Strapazen und der außergewöhnlichen Brutalität, mit der die Bewacher gegen sie vorgingen, gar nicht mehr am Zielort an. 42 Der Südostwall war Teil der Feldbefestigungen, die das Oberkommando der deutschen Wehrmacht gegen Ende des Zweiten Weltkrieges entlang der Südostgrenze des Deutschen Reiches errichten ließ. Mit diesen Befestigungsanlagen sollte die Rote Armee daran gehindert werden, in die sogenannten Alpen- und Donaureichsgaue vorzustoßen.

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