305 Niemals vergessen - Erinnerungskultur „Was geschehen ist, ist geschehen, ausgeübt von einem Kulturvolk. Und dass es geschehen ist, bedeutet, dass es wieder geschehen kann. Menschen, und zwar kultivierte, kluge Menschen, sind zu Taten fähig, die wir ihnen nicht zugetraut haben. [….] Unsere gottverdammte Pflicht nach Ausschwitz ist, das niemals zu vergessen.“600 Margarete Mitscherlich601 Für das „Niemals vergessen“ gibt es in Steyr seit 1988 eine wichtige Initiative, das „Mauthausen-Komitee-Steyr“, dessen Mitglieder sich mit viel Sachverstand und unermüdlichem Einsatz dafür einsetzen, dass die Menschen verachtenden Geschehnisse der NS-Zeit und vor allem auch die Ereignisse des Kriegsendes aufgearbeitet werden und für die nachkommenden Generationen so aufbereitet werden, dass es zu keinem derartigen Wiederholungsfall kommen sollte. Das ist deshalb auch so wichtig, weil man in Österreich nach 1945 lange versucht hat, die NS-Zeit weitgehend zu verdrängen. „Nationalsozialismus“ und „Holocaust“ blieben viele Jahre ein Tabu. Die Opferthese – willkommen als „Lebenslüge“ „Das alliierte Offert von ‚Österreich als dem ersten Opfer HitlerDeutschlands‘602 wird bereitwillig übernommen und prägt das 600 Mitscherlich, Margarete: Nachwort. In Monika Held: Der Schrecken verliert sich vor Ort. Köln: Eichborn Verlag, 2012, S. 271 601 Margarete Mitscherlich (1917 – 2012) war Psychoanalytikerin, Ärztin und hoch geschätzte Intellektuelle im deutschen Sprachraum; in ihrem Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“, das sie zusammen mit ihrem Mann Alexander Mitscherlich 1967 herausbrachte, untersuchte sie am Beispiel der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands die unzulängliche Bewältigung und Auseinandersetzung des Einzelnen und der Masse gegenüber Schuld und Mitschuld an politischen Verbrechen. 602 Basis für dieses „Offert“ und die damit verbundene Einstellung war die „Moskauer Deklaration“ aus dem Jahr 1943, wo es wörtlich heißt: „Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika sind darin der Meinung, dass Österreich, das erste freie Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer fallen sollte, von deutscher Herrschaft befreit werden soll. Sie betrachten die Besetzung Österreichs durch Deutschland am 15. März 1938 als Null und Nichtig. [….] Österreich wird aber daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der sie nicht entrinnen kann [….]. Quelle: Demokratiezentrum Wien: Der Opfermythos in Österreich: Entstehung und Entwicklung. [online: 04.2015]. URL: http://www.demokratiezentrum.org/wissen/timelines/der-opfermythos-in-oesterreich-entstehung-undentwicklung. [letzter Zugriff: 15.07.2019]. S. 1.
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