Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

302 Walzer getanzt, alles ist gut. Stimmt aber einfach nicht, beginnend damit, dass die nun wieder in Dauerschleife zuhörenden Worte nicht auf dem Balkon gesprochen wurden. Figl sprach den Satz als letzten seiner Rede unmittelbar nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Saal – und recht unvermittelt nach einem eigenwilligen Exkurs über die ‚große Tradition der österreichischen Handwerkskunst‘, da ‚dieselbe Firma, die bereits die Verträge des Wiener Kongresses 1815 gebunden hat, auch heute dieses neue Vertragswerk handwerklich ausgestaltet hat‘. Über diesen Exkurs wunderte sich zu diesem Zeitpunkt kaum mehr jemand, denn vom geplanten Ablauf war da ohnehin nur noch wenig übrig. Die Zeremonie war vor allem vom russischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow durcheinandergebracht worden, der 24 Minuten lang die Geduld der Anwesenden mit einer Rede strapazierte, die inhaltlich sehr wenig mit Österreich und sehr viel mit dem Kalten Krieg zu tun hatte. Seinen US-Kollegen John Foster Dulles konnte man deshalb kaum verstehen: Alle Glocken der Stadt, inklusive Pummerin, hatten vereinbarungsgemäß zum geplanten Ende der Zeremonie pünktlich um 12:00 Uhr zu läuten begonnen. Schon davor war es einigermaßen chaotisch zugegangen. Die Fahrzeugkonvois der Alliierten lieferten sich nachgerade ein Wettrennen zum Belvedere, der ‚siegreiche‘ Sowjetkonvoi ließ sich dann demonstrativ Zeit, weshalb alle Nachfolgenden bei der Anfahrt im Weg standen. Im Saal lief es währenddessen kaum besser: Ein Fotograf hatte sich bereits verletzt, als er auf den glatten Böden des Schlosses Belvedere ausrutschte. Eilig wurden Gummimatten aufgebreitet, damit nicht auch die Minister durcheinanderpurzeln. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt war dem Zeremonienmeister der Republik aufgefallen, dass die Sitzordnung nicht korrekt war: Figl wäre demnach ganz am linken Rand des Tisches sehr beengt gesessen, gleichsam in der ‚Beisitzerrolle‘. Eilig wurde umgestellt und Figl durfte in der Mitte Platz nehmen. Bei der Gelegenheit fiel außerdem auf, dass man sich bei den Sesseln verzählt hatte; der überzählige zehnte wurde daraufhin entfernt.“595 Kurioses zum Staatsvertragsgemälde Nichts Legendenhaftes, dafür durchaus Kurioses gibt es über die Entstehung des Gemäldes zu berichten, das den Akt der Unterzeichnung im Marmorsaal des Oberen Belvedere wiedergibt: Das Ministerium für Unterricht und Kunst wollte, dass der bedeutende Staatsakt „zeitgemäß von einem österreichischen Künstler für die Nachwelt im Bilde festgehalten wird“. Nachdem Oskar Kokoschka abgesagt hatte, fiel die Wahl auf Sergius Pauser, der auch sogleich mit ersten Skizzen begann. Nachdem die aber Julius Raab missfielen, schlug er seinen ‚Hausmaler‘ Robert Fuchs vor, obwohl dieser bei dem Staatsakt gar nicht dabei war. Trotz aller Proteste behielt Fuchs den lukrativen Auftrag (umgerechnet rund € 50.000.-) und begann 1956 mit den Studien und Vorarbeiten. Zuvor war ihm vom Bundeskanzleramt eine Liste gegeben worden, mit all den Personen, die er darstellen sollte. Diese Liste war nicht mit der ‚Originalbesetzung‘ ident: Fuchs musste einige Beamte auf Bild nehmen, die damals nicht im Marmorsaal anwesend gewesen waren, die aber beleidigt gewesen wären, hätte man sie nicht berücksichtigt. Dafür hat er die ebenfalls beim Festakt 595 Zimmer, Lukas: Der schön gefärbte 15. Mai 1955. Als Figl Österreich freisprach: [online: 14.05.2015]. URL: http://orf.at/v2/stories/2278432/2278433/ [letzter Zugriff: 05.07.2019]. S. 1.

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