27 Augenzeugenbericht des damaligen Schülers Johann Tertschek26 „Der 23. Februar 1944 (Aschermittwoch) war kein Tag wie jeder andere. Gegen Mittag heulten wieder die Sirenen. Wir suchten die Kellerräume unserer Schule auf und dachten nichts Schlimmes. Der von uns verursachte Lärmpegel war wie immer hoch. Wir hatten das Bombardement nicht mitbekommen. Als wir nach der Entwarnung aus dem Schultor traten, umfasste uns eine eigenartige Stimmung: Es roch nach Verbranntem und man hörte immer wieder kleinere Explosionen. Vor der Michaelerkirche stehend sahen wir, dass die Fensterscheiben der Häuser am Beginn der Enge-Gasse zum größten Teil kaputt waren. Beim Passieren der Steyr-Brücke bemerkten wir dunkle Rauchwolken in Richtung Steyr-Werke. Die Enge-Gasse, mein normaler Schulweg, war gesperrt. Einige Häuser durch Bombentreffer zerstört. Also runter auf den Enns-Kai. Bombentrichter am Kai, einige Kastanienbäume entwurzelt und immer wieder Detonationen aus der Richtung Steyr-Werke. Ich beschleunigte meine Schritte und sah, dass neben dem Haus, in dem wir wohnten, eine große Lücke klaffte: Das Hinterhaus Enns-Kai Nr. 19 (Vorderhaus Stadtplatz Nr.3) war durch einen Bombentreffer zerstört. Unsere Wohnung im Nebenhaus war natürlich auch in Mitleidenschaft gezogen worden, Sprünge in den Mauern und kaputte Fensterscheiben, aber noch zur Not bewohnbar und die Familie wohlauf. [……….] Aber es stand noch Schlimmeres bevor. Am 24. Februar ging ich nicht zur Schule. Wir bekamen gegen Mittag wieder Fliegeralarm und suchten mit den anderen Hausbewohnern den Keller, der sich unter dem stadtplatzseitig gelegenen Hausteil befand, auf. Der am EnnsKai gelegene Hausteil war nicht unterkellert. Nach einiger Zeit hörten wir ein Brummen und die Flak-Batterien, welche rund um Steyr stationiert waren, begannen zu feuern. Kurz darauf krachte es: Die Kellertür aus Holz flog über die Kellerstiege herunter, gefolgt von Staub, der uns zum Husten reizte, und einer Steinlawine. Obwohl noch keine Entwarnung war, verließen wir nach kurzer Zeit den Keller. Beim Betreten des Hofes konnten wir auf die Dukartstraße blicken, den 1. und 2. Stock des Hinterhauses gab es nicht mehr. Glück im Unglück trotzdem: Die im Vorderhaus (Stadtplatz Nr. 1) mit Blick auf den Stadtplatz gelegene Ordination meines Vaters blieb heil. Sie wäre zu diesem Zeitpunkt unersetzlich gewesen. Unsere Wohnung, die in das Mittelhaus reichte, hatte aber schwer gelitten. [……] Sie war völlig unbrauchbar.“ 26 Tertschek, Johann: Erinnerungen an meine Schulzeit in Steyr 1938 – 1950. Steyr 2018. Eigenverlag. S. 8 – 10. Dr. Johann Tertschek (Jg. 1931) ist pensionierter Arzt, lebt in Steyr und war 1944 dreizehn Jahre alt und besuchte die 3. Klasse der „Oberschule für Jungen“ am Michaelerplatz. Dr. Tertschek hat 2018 im Eigenverlag das Werk „Erinnerungen an meine Schulzeit in Steyr 1938 – 1950“ herausgebracht, in dem er in sehr persönlicher und informativer Weise über diese Zeit berichtet. So erfahren wir auch, dass der junge Johann Tertschek sehr an Sport interessiert war, vor allem an Leichtathletik und mit 16 Jahren österreichischer Jugendmeister über die Distanz von 1.000 Meter geworden war.
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