Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

239 einer kriegswirtschaftlichen zu einer zivilen Nutzung der meisten Anlagen war ein Grundstock für den zügigen Neuaufbau bereits vorhanden. Große Bedeutung kommt selbstverständlich der Hilfe durch die Gelder des Marshallplanes und in Folge des ERP-Fonds zu. „Nur so wurde es möglich, dass das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bereits 1949 das Niveau von 1937 überstieg. Am Ende der Wiederaufbauperiode 1954 hatte das reale Bruttoinlandsprodukt 151% des Wertes von 1937 erreicht.“443 1.000 Menschen verdienen ihr Brot im Reithoffer-Lager So lautete eine Überschrift in der „Steyrer Zeitung“ vom 24.März 1949. „Kinderwagen, Liköre, Spritzpistolen, Musikinstrumente und vieles andere wird dort erzeugt“444, hieß es im Untertitel, umso gleich im ersten Absatz klarzustellen: „Reithoffer-Lager, dieser Ausdruck stimmt gar nicht mehr, denn die Reithoffer-Objekte sind schon längst kein Lager mehr. Sie haben jetzt im wesentlichen wieder zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgefunden.“445 Und dann wurde in wenigen Sätzen der Werdegang der Anlagen dargestellt: „Bis gegen Ende der 20er Jahre war Reithoffer446 eine Gummifabrik, dann wurde diese stillgelegt. In den dreißiger Jahren war noch eine Verkaufsstelle für Gummiartikel darin untergebracht, der Großteil der Gebäude stand jedoch leer. Vom Jahre 1938 bis 1941 war Flak darin untergebracht. Im Krieg wurde draußen ein Lager für ausländische Arbeiter eingerichtet, in dem halb Europa vertreten war und schließlich auch Inländer untergebracht wurden. Nach dem Krieg waren Flüchtlinge drinnen, Spanier, Norweger, Franzosen, Polen, Jugoslawen und Russen; ein Durcheinander von Völkern und Sprachen 443 Mythos „Wirtschaftswunder und Aufbaugeneration: Wir haben es aus eigener Kraft geschafft!“: [online]. URL: http://oesterreich-2005.at/txt/1099949550. [letzter Zugriff: 04.06.2019]. S. 2. 444 Steyrer Zeitung 1949: Nr. 12 vom 24.03.1949, Jg. 67. S. 2. 445 Ebd. S. 2. 446 Die „Reithoffer-Werke“ waren für Steyr von großer Bedeutung, beschäftigten sie doch lange Zeit mehr als 1.000 Mitarbeiter. Josef Reithoffer begann ursprünglich in Wien mit der Erzeugung von Gummiwaren, ehe er 1870 in Steyr eine Zweigstelle eröffnete, die dann später als Hauptwerk ausgebaut wurde und nach der Jahrhundertwende eine bedeutende Expansion erfuhr. Der wirtschaftliche Aufschwung erlebte während des Ersten Weltkrieges noch einen zusätzlichen Höhepunkt, weil für die erzeugten Produkte (Reifen, gummierte Stoffe, Isoliermatten, Kabel usw.) große Nachfrage herrschte. Wie auch die meisten anderen Steyrer Betriebe schlitterten auch die Reithoffer-Werke nach dem Ersten Weltkrieg in eine Absatzkrise für ihre Produkte. Durch die sinkende Nachfrage und die schwerwiegenden Probleme der Nachkriegszeit geschwächt, versetzte dann die Weltwirtschaftskrise dem Betrieb den entscheidenden Schlag: 1932 wurden die Produktionsstätten in die Semperit–Werke nach Traiskirchen und Wimpassing überführt; Anfang 1933 wurden die letzten verbliebenen 46 Arbeiter der ehemals so erfolgreichen und stolzen Reithoffer-Werke gekündigt und der Betrieb geschlossen.

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