Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

222 Großer Beliebtheit erfreute sich auch eine Glosse in der „Steyrer Zeitung“, die – in oberösterreichischer Mundart abgefasst – verschiedene Personen oder Ereignisse humorvoll, manchmal auch ein wenig zynisch, beschrieb: „Da Michl von Schnallnberg“. Diese Glosse gab es bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und wurde sofort nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verboten; ab Herbst 1945 erschien dann die Rubrik wieder regelmäßig. Der anonyme Autor bediente sich einiger „Korrespondenten“ aus den größeren Orten, die ihn mit heiteren Begebenheiten und Geschichten versorgten. Einem hartnäckigen „Gerücht“ zu Folge soll hinter dem „Michl“ der damalige Pfarrer von Kronstorf gesteckt haben.403 Das Radio – Quelle für Nachrichten und Musik „Der Lebensstandard ist auch bei jenen, die eine eigene Wohnung haben, bescheiden. Man verbringt viel Zeit vor dem Radioapparat [….], es geht recht neo-biedermeierlich zu, die wilden 1950er Jahre setzen erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ein.“404 Das war der Begleittext zu einem Raum der Ausstellung „Geteilte Stadt. Linz 1945 – 1955“, die 2015 im Nordico in Linz stattfand. An ganz prominenter Stelle des Zimmers stand das Radiogerät, das sozusagen das technische Verbindungsglied zu Außenwelt darstellte: Nachrichten, Suchmeldungen …. und immer wieder Musik, das waren in den ersten Monaten die wichtigsten Programmpunkte, die sich die Menschen anhörten. Die unerträglichen Propagandatiraden und nervigen Wehrmachtsberichte waren endgültig vorbei. Bis dahin mussten sich die Oberösterreicher wie auch alle anderen Landsleute über die legendären schwarzen „Volksempfänger“ die Nazi-Parolen anhören. Noch wenige Stunden vor dem Einmarsch der Amerikaner am 5. Mai in Steyr ging um fünf Uhr in der Früh ein letzter Aufruf 403 Eine Geschichte vom „Michl von Schnallnberg“, entnommen der „Steyrer Zeitung“ vom 28. April 1948, S. 7: „Zum Dokta Wichtl in Garsten hat neuli a Justizwachmann gsagt, daß er mit seine Nerven so fertig sei, daß er nimma schlafen kann. „Da woaß i a guats Mittel“, hat der Dokta gsagt, „da fangens, wanns ins Bett gengan mit Oans zum Zähln an und zählns weiter, bis daß‘ einschlafen!“ – Am nächsten Tag hat der Herr Dokta sein Patienten troffen und gfragt, wia gschlafen hat. „Sauschlecht, Herr Dokta“, hat der Patient gseufzt. „Na, und habns gfolgt und fleißig zählt?“ – Freili han i zählt!“ – „Wia weit sands denn mitn Zähla kemma?“ – „Bis 67.843!“ – „Na, und habms dann geschlafen!“ – „Na, leider net, weil i dann aufstehn han müaßn, weil i wieder in da Früah Dienst ghabt han!“ 404 Kreslehner, Klaudia, Georg Thiel: Das traute Heim. Forum OÖ Geschichte. [online 2015]. URL: http://www.ooegeschichte.at/epochen/1945-2005/geteilte-stadt-linz-1945-1955. [letzter Zugriff: 21.06.2019]. S. 1.

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