Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

165 Die Behörden bekamen Wind von den beiden Gruppen und ließen Rössner, Soucek und die anderen Beteiligten über Monate hinweg überwachen. Anfang November 1947 wurden sie in einer konzertierten Aktion verhaftet und im Jahr darauf wegen Wiederbetätigung vor Gericht gestellt. Insgesamt wurden 200 Personen im Zusammenhang mit diesem Fall nationalsozialistischer Wiederbetätigung verhaftet; darunter auch der Verleger Leopold Stocker253, der eine neue rechtsgerichtete politische Partei gründen wollte und der Hauptmann Otto Rösch, der spätere Innenminister und Verteidigungsminister in der Regierung Kreisky254. Gemeinsam mit Soucek und Göth wurde Rössner zum Tod durch den Strang verurteilt. Bundespräsident Dr. Karl Renner wandelte 1949 die verhängten Todesstrafen in langjährige Haftstrafen um. Im August 1952 wurden die Verurteilten begnadigt und freigelassen.255 „Das Todesurteil gegen Rössner war gemessen an der Gefährlichkeit seiner Taten weit überzogen. Die Vorbereitungen für die Errichtung eines NS-Ordens dürften sich vorwiegend in seiner Phantasie abgespielt haben, ein reales Gefährdungspotenzial für die Republik Österreich lag aber zu keinem Zeitpunkt vor. Rössner war zweifellos hoher NS-Funktionär, Schleichhändler und Schmuggler, als ‚Putschist‘ und neonazistischer Verschwörer kam er über das Stadium des – objektiv wohl untauglichen – Versuchs aber nicht hinaus.“256 Nach seiner Haftentlassung fand er daraufhin bei den Klackls im Fuxengütl Unterschlupf. Da er vorerst keinen Beruf ausüben dürfte, betrieb er am Fuxengütl eine kleine Landwirtschaft. Als er wieder arbeiten durfte, fand er eine Anstellung als Lehrer für Biologie und Turnen in der HTL Steyr. 253 Leopold Stocker gründete 1917 den „Leopold Stocker Verlag“ in Graz, der heute vor allem durch seine Publikationen im Bereich Landwirtschaft und Jagd und durch seine diversen Zeitschriften auf diesem Gebiet wirtschaftlich durchaus erfolgreich reüssiert. Was der Verlag aber vor allem auch durch seine Eigentümer bis heute nicht ablegen konnte, ist das rechtsgerichtete Gedankengut, das vor allem in den Publikationen des einschlägigen „Ares-Verlages“, einer Tochter Firma des Stocker Verlages, publiziert wird. Unter den Autoren finden sich dort so einschlägige Namen wie Martin Graf (FPÖ), Walter Brauneder (FPÖ), Bischof Alois Hudal (Nazi-Fluchthelfer im Vatikan), Rudolf von Ribbentrop (Sohn von Joachim von Ribbentrop) u.v.a. 254 Otto Rösch war bekannter österreichischer Politiker: Innenminister von 1970 bis 1977 und Verteidigungsminister von 1977 bis 1983; er war einer von vier Ministern der Regierung Kreisky, die ehemalige Mitglieder der NSDAP waren. Rösch wurde am 8. Dezember 1947 als Mitglied der Gruppe Soucek verhaftet, in seinem Besitz fanden sich gefälschte Ausweisformulare und Stempeln; 1949 wurde er an Mangel an Beweisen freigesprochen. 255 Die Verhörprotokolle, die die Bundespolizeidirektion Klagenfurt, Kriminalabteilung I, mit Dr. Hugo Rössner im November 1947 geführt hat, sind im Original in der Yad Vashem – Gedenkstätte in Jerusalem aufbewahrt und abrufbar: [online] URL: http://viewer.yadvashem.org/viewer/Show.aspx [letzter Zugriff: 01.08.2019] 256 Siehe: Grumböck, Thomas, Dr. Wichtl. S. 3.

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