155 das außerhalb seines Wohnsitzes liegt, benötige man vom Bürgermeister dieses Ortes eine Bestätigung. Wenn die Arbeitsbestätigung und die Identitätskarte in Ordnung seien und man daraus schließen könne, „daß es sich wirklich um einen Hamsterer handelt, der seine magere Verpflegung etwas aufbessern wolle, „dann werde auch nach dem Toleranz-Erlaß nicht streng mit der Briefwaage gemessen“.230 So einem werde bis zu einem erträglichen Höchstausmaß von etwa zwei bis drei Liter Milch oder 10 bis 12 Kilo Erdäpfel oder ½ bis ein Kilo Butter nichts weggenommen – und mehr könne sich ein Hamsterer ohnehin nicht leisten. „Verdächtige Elemente aber, Nichtstuer, Schleichhändler, untätige Lagerinsassen usw. bewahrt auch der Toleranz-Erlaß nicht davor, daß ihnen alles – auch ganz kleine Mengen – weggenommen wird, was irgendwie nach Schleichhandel aussieht. [……] Es sollte selbstverständlich sein, daß der Bauer Mitgefühl für den hungernden Städter und weniger für den Schleichhändler-Geldsack, und daß umgekehrt der Hamsterer das Brot achtet und den, der es mit Mühe schafft. Es kommen ja auch wieder einmal andere Zeiten,“231 so lautete der Appell in der „Steyrer Zeitung“ vom 2. November 1947. Das Thema „Schleichhandel„ hat auch die katholische Kirche beschäftigt. Der Linzer Diözesanbischof, Dr. Joseph Calasanz Fließer hat Ende Oktober 1947 einen „Hirtenbrief“ in den Pfarren seines Diözesangebietes verlesen lassen, in dem er „die Forderungen, die die Kirche zu überwachen hat, festgelegt hat“.232 Darin heißt es: „Erstens muß jedem Menschen das zum Leben Notwendige an Lebensmitteln, Kleidung und Unterkunft erreichbar sein. Zweitens muß der Austausch der Produkte so gestaltet werden, daß die wirtschaftliche Existenz der Einzelpersonen, der Familie, des Staates nicht untergaben wird und die Berufe und Stände nicht gegeneinander gehetzt werden.“233 Darum sei die Erfüllung der gesetzlichen Lieferungspflicht in dieser Notzeit zu einer religiösen Gewissenssache geworden. „In verschiedenen Ländern“, so schreibt Bischof Fließer weiter, „wo ebenfalls die Not besonders groß ist und Landwirte die vorgeschriebene Lieferung böswillig verweigerten, um Schleichhandel zu betreiben, haben die Bischöfe ihre Geistlichen angewiesen, solchen Egoisten die Lossprechung in der Beichte und den Empfang der hl. Kommunion zu verweigern, bis sie ihre Pflicht gegen die Hungernden erfüllt haben.“234 230 Ebd. S. 1. 231 Steyrer Zeitung 1947, Nr. 44 vom 02.11.1947, S. 1. 232 Steyrer Zeitung 1947, Nr. 44 vom 02.11.1947, S. 1. 233 Ebd. S. 1. 234 Ebd. S. 1.
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