132 weckte naturgemäß den Neid der Einheimischen. So sah es auch die ehemalige Leiterin der Fremdenpolizei in Steyr. „Den Fremdarbeitern im Reithoffer-Lager ging es nicht so gut wie den Juden in der Artilleriekaserne, die von den Amerikanern so reichlich versorgt wurden, dass sie sehr bald einen blühenden Schwarzhandel mit den zugeteilten Lebensmitteln und Zigaretten begannen, und viele alte Männer versorgten sich in der Rooseveltstraße mit Zigaretten“.177 Das Verhalten einiger Juden schien die stereotypen Vorurteile zu bestätigen und man übertrug sie auf die ganze Gruppe. „Auch für die Steyrer war diese ‚Bevorzugung der Juden“ ein Stein des Anstoßes. Hier bekamen Menschen, die nichts arbeiteten, von amerikanischen Hilfsorganisationen um vieles hochwertigere Lebensmittel als die übrige Bevölkerung, die nur gegen eine Arbeitsbestätigung Lebenskarten erhielt. Noch dazu – so schien es durch den Schleichhandel – in solcher Hülle und Fülle, dass sie diese gar nicht aufbrauchen und deshalb prompt am Schwarzmarkt verkaufen konnten. Diese Ressentiments hinderten die Steyrer aber nicht, ins Lager einkaufen zu gehen.“178 Trotz des nicht ungetrübten Verhältnisses zwischen der Bevölkerung von Steyr und den in Steyr lebenden Juden gelang es, am 7. April 1946 eine Kultusgemeinde zu gründen und zwei Monate später die ehemalige Synagoge Ecke Bahnhofstraße/Pachergasse wieder zu eröffnen. Es war ein viel- versprechender Neubeginn jüdischen Lebens in Steyr, der aber nicht lange dauern sollte. Die jüdische Bevölkerung sah Österreich nur als Station, um weiter zu ziehen – nach USA, Kanada oder vor allem Israel. „Bis 1955 wurden nur 163 in Oberösterreich eingebürgert, in Steyr gab es 1952 keine jüdischen Einwohner mehr mit ausländischem Pass.“179 Damit ging in Steyr das Kapitel der jüdischen Geschichte endgültig zu Ende. Die wenigen hier lebenden Bürger jüdischer Abstammung waren nur einem sehr kleinen Kreis bekannt. Der einzige aus der jüdischen Emigration zurückgekehrte jüdische Bürger, Friedrich Uprimny, musste jahrzehntelang mühsam um die Restitution seines Elternhauses kämpfen. Dieses beschämende Kapitel Steyrer und österreichischer Nachkriegsgeschichte ist ausführlich vom Autorenduo Waltraud Neuhauser-Pfeiffer und Karl Ramsmaier in ihrem Buch „Vergessene 177 Vgl. Bernt-Koppensteiner, Ines: Migrationsstadt Steyr. S. 134. Interview geführt von Ines BerntKoppensteiner mit Frau Friederike David, Behamberg, am 20.07.2001. 178 Ebd. S. 134. 179 Ebd. S. 142
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