Die Stadt Steyr, Nachkriegszeit – Besatzung – Wiederaufbau 1945 - 1955

128 Bewohner wandte, „allen ausländischen, ehemaligen Gefangenen und Arbeitern so zu begegnen, wie es die Gesetze der Menschlichkeit verlangen“. Trotz des Appells kam es in Münichholz und Umgebung zu Plünderungen durch Gruppen entlassener Häftlinge und ehemaliger Kriegsgefangener. So stand der Weg nach Haidershofen unter der Kontrolle bewaffneter ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Münichholz.170 In Münichholz kam es in diesen Tagen wiederholt zu Plünderungen. „Sehr oft handelte es sich dabei um politisch motovierte Racheakte an ehemaligen oder vermeintlichen ‚Parteigenossen‘; in manchen Fällen war dieses Motiv nur der Vorwand, um sich persönlich zu bereichern.“171 Das Festlegen der Demarkationslinie172 zwischen Amerikanern und Russen brachte bis zum 8. Mai 1945 noch eine zusätzliche Verschärfung der Lage – diesmal durch ruckflutende Wehrmachtssoldaten: Soldaten der Wehrmachtsgruppe Süd, die nicht bis zum 9. Mai, ein Uhr früh, die Enns überschritten hatten, wurden den Russen übergeben - und das wollten alle verhindern. Deshalb waren die Straßen zwischen Enns und Steyr total verstopft. Das 65. Und 66. Infanterieregiment der 71. US-Infanteriedivision nahm an den Ennsbrücken zwischen Ennsdorf und Losenstein rund 70.000 deutsche Wehrmachtssoldaten in Empfang und brachte sie in Sammellager.173 „Oberösterreich, das schon zur Endstation für Umsiedler, Evakuierte und Flüchtlinge aus Südosteuropa und Schlesien geworden war und Evakuierte aus den zerbombten Städten, Reichdeutsche, ehemalige Zwangs- und Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und befreite KZ-Häftlinge beherbergte, wurde auch noch zur Auffangstation für Ströme von Flüchtlingen aus Mitteleuropa und marodierender Truppenteile der unterschiedlichen Armeen aus Ost- und Südosteuropa – NS-Kollaborateure, Pfeilkreuzler, ausländischer Angehöriger der Waffen-SS! Unmengen entwurzelter Leute irrten durch die Straßen: ehemalige KZ-Häftlinge und Fremdarbeiter versuchten zum großen Teil in ihre Heimatländer zurückzukehren, vorerst vergeblich.“174 170 Retzl, Helmut: Münichholz – ein Stadtteil im Wandel der Zeit. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. Heft 37 – Juni1986. S. 79. Brief des Pfarrers von Münichholz an die prov. Stadtverwaltung, 8.Mai 1945. 171 Ebd. S. 79. 172 Die Demarkationslinie verlief im Mühlviertel entlang der Feldaist bis Pregarten und weiter entlang der Bahnlinie bis Enns; dann die Enns aufwärts bis zur steirischen Grenze. 173 Vgl. Tweraser, Kurt: US-Militärregierung Oberösterreich. Band 1: S. 62, 77, 104f. 174 Bernt-Koppensteiner, Ines: Migrationsstadt Steyr. Zuwanderung in eine oberösterreichische Kleinstadt 1944 – 2001. S. 79. Dissertation Jänner 2006. Stadtarchiv der Stadt Steyr.

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