106 „Wer ist Figl?“, war die offizielle Frage aus Washington, nachdem das ÖVP-Präsidium den Politiker aus Niederösterreich für das Amt des Bundeskanzlers vorgeschlagen hatte. Leopold Figl124 war damals 43 Jahre alt, Agrar-Ingenieur und Bauer aus dem kleinen Ort Rust im Tullnerfeld und einer breiteren Öffentlichkeit nicht wirklich bekannt. Figl bildet Anfang Dezember seine Regierung (wobei sein bester Freund Julius Raab abgelehnt wird; Raab genießt erst später als Staatsvertrags-Kanzler das Vertrauen der Sowjets und der anderen Alliierten). Am 19. Dezember tritt im Parlamentsgebäude der neugewählte Nationalrat zu seiner ersten Sitzung zusammen und am 20. Dezember werden die rotweißroten Fahnen vor dem Parlamentsgebäude erneut gehisst: Im Parlament treten Nationalrat und Bundesrat zur ersten Bundesversammlung der neuen Republik zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Bundespräsidenten: Einziger Kandidat ist der bisherige Staatskanzler Dr. Karl Renner. (Erst Renners Nachfolger Theodor Körner wird 1951 durch die Volkswahl in das höchste Amt des Staates berufen). Am nächsten Tag, dem 21. Dezember 1945 werden die rotweißroten Fahnen vor dem Parlament ein drittes Mal gehisst: In Anwesenheit des neugewählten Bundespräsidenten Renner und eingeführt vom Nationalratspräsidenten Leopold Kunschak stellt der neue Bundeskanzler Leopold Figl die erste frei gewählte Regierung der Zweiten Republik vor. 124 Leopold Figl (1902 – 1965), Studium der Hochschule für Bodenkultur in Wien, ab 1933 Direktor des NÖ.- Bauernbundes, am 12. März 1938 von den Nationalsozialisten verhaftet und am 1. April mit dem sogenannten „Prominententransport“ in das KZ-Dachau gebracht (Nummer auf der Gestapo-Liste: 143); nach über fünf Jahren und dem Erleiden von schweren Misshandlungen, wurde Figl am 8. Mai 1943 vorläufig entlassen. Er wurde am 8. Oktober 1944 abermals verhaftet und in das KZ-Mauthausen gebracht. Am 21. Jänner 1945 wurde er mit anderen bekannten Männern in das Landesgericht nach Wien überstellt, wo er die letzten Monate des Kriegs in der Todeszelle verbringen musste: Die Anklage vor dem Volksgerichtshof lautete: Hochverrat; dreimal wurde er deshalb dem Richter vorgeführt, jedes Mal den Tod vor Augen. Der Zusammenbruch der NSHerrschaft rettete Figl vor der drohenden Exekution. Er und die anderen Todeskandidaten wurden am 6. April 1945 entlassen. Zuvor ging er noch von Zelle zu Zelle, um die aufgebrachten Häftlinge zu beruhigen und von Übergriffen auf ihre ehemaligen Bewacher abzuhalten. Vom 21. Dezember 1945 bis zum 2. April 1953 war Figl Bundeskanzler; er wurde nach interner Kritik wegen seiner zu großen Kompromissbereitschaft gegenüber der SPÖ von Julius Raab abgelöst. Am 26. November 1953 wurde Figl dann von Raab als Außenminister eingesetzt und hatte großen Anteil am Abschluss des Österreichischen Staatsvertrages, der m 15. Mai 1955 im Belvedere in Wien unterzeichnet wurde. Figl blieb 1959 Außenminister im Kabinett Raab II; von 1959 bis 1962 war Figl Nationalratspräsident, anschließend bis 1965 Landeshauptmann von Niederösterreich. Er starb am 9. Mai 1965 und liegt in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben (siehe auch Seite 85!). Quelle: [online]. URL: http://de.wikipedia.org/wili/Leopold_Figl. [letzter Zugriff: 18.06.2019]. S. 1.; [online]. URL: http://www.doev.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1938-1945/der-erste-transport-aus-wien. [letzter Zugriff: 18.06.2019]. S. 1.
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