Berichte Rollstuhlprojekt •■akr Gedanken eines Rollstuhlfahrers (von Schöllhammer Florian) Ich frage mich, wer wohl diese Straße gebaut hat. Bestimmt keiner, der jemals etwas mit einem Rollstuhl zu tun gehabt hat. Bei diesen Pflastersteinen bin ich nach zehn Minuten körperlich total am Ende. Vielleicht sollte ich ein bisschen mehr trainieren, dann würde es mir vielleicht leichter fallen, meinen fahrbaren Untersatz immer Stück für Stück weiterzurollen. Aber es ist nicht mehr weit, dann komme ich aus dieser Seitengasse raus, dann bin ich zumindest auf einer Straße, die nicht so holprig ist, wie dieser Pflastersteinalbtraum. Eigentlich wollte ich ja nur einmal raus an die frische Luft, aber irgendwie hab ich jetzt so einen Hunger auf frisches Obst. Körperliche Bewegung macht eben hungrig. Das ist schön, frühzeitig am Morgen die Sonne auf der Haut zu spüren. Aber jetzt sehe ich schon die ersten Menschen, die in aller Hektik ihre Häuser verlassen, um rechtzeitig zum Arbeitplatz zu kommen. Zum Glück habe ich heute meinen freien Tag. Es ist irgendwie unangenehm, man spürt genau, dass einen alle anschauen. Ich könnte nicht behaupten, angestarrt zu werden, aber sie mustern mich doch alle, drehen sich noch einmal um, wenn ich an ihnen vorbeifahre. Aber inzwischen habe ich mich schon daran gewöhnt, es stört mich nicht mehr. Anfangs aber wollte ich genau aus diesen Grund das Haus nicht verlassen. Vor meinem Unfall bin ich gerne zu dem kleinen Bäcker am Stadtplatz gegangen ... ja, gegangen. Der hatte so leckere Butterkipferl. Aber jetzt ist das nahezu unmöglich, weil man, um in diese Bäckerei zu kommen, drei Stufen überwinden muss, und die stellen für mich und meinen Rollstuhl ein wirklich unüberwindbares Hindernis dar. Natürlich würde ich es schaffen, wenn mir jemand über die Stufen helfen würde - die Menschen sind eigentlich ziemlich hilfsbereit - aber irgendwie ist mir das unangenehm. Es ist für mich zwar kein Problem, jemand um Hilfe zu bitten, wenn es wirklich einmal nicht anders geht, aber ich will daraus keine Regelmäßigkeit machen, noch dazu, weil die Leute normalerweise sowieso im Morgenstress sind. Außerdem gibt es ja eh noch Supermärkte. Dort sind die Kipferl zwar billiger, aber leider längst nicht so gut. Nachdem ich jetzt schon eine lange Zeit an diesen Rollstuhl „gefesselt" bin, kenne ich wohl schon alle kleinen Schleichwege, auf denen man auch mit dem Rollstuhl fast alle Plätze der Stadt erreichen kann. Es war anfangs immer so deprimierend: Überall, wo ich früher immer gegangen bin, ohne mich auch nur irgendwie auf den Weg zu konzentrieren, da stand ich plötzlich mit dem Rollstuhl vor unüberwindbaren Hindernissen. Manche Straßen sind einfach zu steil, so dass ich schon nach ein paar Metern körperlich am Ende bin, anderseits verhindert so manche Stufe die Weiterfahrt. Am gemeinsten sind aber die „angeblich Rollstuhlfahrer-freundlichen" Geschäfte. Da ist zwar eine Auffahrt, bloß hat niemand bedacht, dass es nie einem Rollstuhlfahrer gelingen wird, über so eine steile Rampe zu fahren. So, ich bin jetzt endlich im Supermarkt. Eigentlich ist es ziemlich deprimierend. Für diese Strecke habe ich früher 5 Minuten gebraucht, heute schaffe ich sie in bestenfalls 30 Minuten ...
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