Maturazeitung HTL Steyr NV 1982

Der Direktor und die dreißig Schülerlein Es war einmal ein junger Professor, der hatte an die dreißig junge Schüler. Er hatte sie so lieb, wie eben ein Professor seine Schüler lieb hat. Eines Tages wollte er nach Linz fahren, um. an einem Mikroprozessorlehrgang teilzunehmen. Da rief er alle dreißig herbei und sprach: "Liebe Schüler, ich fahre nach Linz. Seid inzwischen brav und sperrt die Klassenzimmertür gut zu und nehmt euch in acht vor dem listigen, schlauen Direktor. V/enn er herein kommt, prüft er euch mit Haut und Haaren nieder. Der Bösewicht verstellt sich oft; aber an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn gleich erkennen." Die Schüler sagten: "Lieber Professor, wir v/ollen uns schon in acht nehmen. Du kannst ohne Sorge nach Linz fahren." Da rechnete der Professor den Schülern noch schnell einige Integrale vor und machte sich danach getrost auf den Weg nach Linz. Der listige Direktor aber hatte auf dem Gang die Rede des Professors angehört und beschloß, durch einen Trick in das Klassenzimmer zu kommen, die Schüler allesamt niederzuprüfen und nachher den Professor zu strafen. Er klapperte alle leerstehenden Klassenzimmer ab und fraß jedes Stück Kreide, das er finden konnte. Dann wusch er seine schwarzen Füße sehr sorgfältig. Es dauerte nun nicht mehr lange und er klopfte an die Klassenzimmertür: "Macht auf, ihr lieben Schüler, euer Professor ist wieder da und hat jedem von euch etwas Schönes mitgebracht". Die Schüler hörten die feine Stimme und glaubten, es sei der Professor. Sie sagten aber: "Zeig uns erst durch das Fenster deine Füße, sonst glauben wir dir nicht". Da streckte er die sauber gewaschenen Füße vor dtis Fenster. Als die Schüler sahen, wie sauber die Füße waren, öffneten sie voll Freude die Klassenzimmertüre. Wer aber hereinkam, war ein böser Direktor. Die Schüler erschraken und wollten sich verstecken. Einige sprangen unter den Tisch, andere hinter die Tafel, v/ieder andere unter den Katheder und so weiter. So suchte sich jeder ein Versteck. Hur ein Mädchen zv/ängte sich in einen engen Kasten. Aber der Direktor fand sie alle und nalrim sie mit auf die Direktion, wo er sie brutal niederprüfte. Hur das Mädchen im Kasten fand er nicht. Hicht lange danach kam der Professor aus Linz wieder heim. Ach, was mußte er da erblicken. Die Klassenzimmertür stand sperrangel weit offen. Tische, Stühle und sogar der Katheder waren umgestürzt. Einige Schüler hatten sich in ihrer Todesangst sogar die Finger an der Tafel blutig geschunden. Er suchte seine Schüler, aber nirgends waren sie zu finden.-Als er sie bei ihren Hamen rief, antwortete plötzlich ein Stimmchen: "Lieber Professor, ich stecke hier im Kasten". Da holte der Professor das Mädchen aus seinem Versteck heraus und es erzählte ihm, was sich zugetragen hatte. Endlich gin gen sie in ihrem Jammer in die Direktion und sahen, daß der böse Direktor vor dem Hotenkatalog genüßlich eingeschlafen war. Und was mußten sie da im Katalog sehen! Es wimmelte nur so von schlechten Noten. Aber nun faßte der arme Professor eine glänzende Idee: Er tele fonierte, während der Direktor schlief, mit dem Unterrichts ministerium und intervenierte für die Schüler. So wurden die Schü ler gerettet und der böse Direktor bekam eine andere Stellung als SchulInspektor. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. 96

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