Festschrift zu Maturafeier 1875-1950

au die alte ^eahdade tu Steyn Von Bibliotheksrat Dr. Albert Mittringer, Direktor der Städt. Büchereien Wiens Wie ich meine Heimatstadt Steyr nicht vergessen kann, so auch kann ich die damalige Staatsober ­ realschule in Steyr nicht wegtun aus meiner Er ­ innerung, aus meinen späteren Jahren, aus meiner ganzen Lebenshaltung. Die Realschule — ein von mächtigen Mauern behüteter Bau, im Hof der rie ­ sige Baum, wie noch aus der Zeit der Riesen her, der geglaubten Riesen der Kindheit, herum die quirlende Stadt, spitzgiebelige Gotik, behäbiger Barock und das wuchtige Schloß im Altteil, der dunkel- und der hellgrüne Fluß ringsum, darüber dieser oder jener Turm eines Prachtbaues oder einer Kirche, und wieder darüber die Zeichen der Zeit, die Schlote der Fabriken, Rauch überall hin ­ wehend, die Hügel hinan, zu den Bergen, zum Fels- gebirg hinüberziehend, wie überall hin die Zeug ­ nisse der Arbeit dieser Stadt wandernd, weit in die Welt hinaus — so mitten inne ruht in meinem Er ­ innerungsbild die damalige Realschule in der Stadt Steyr. Der Unterricht an der Mittelschule hat mir mit seiner lebendigen Unterweisung in allen Bezirken des Geisteslebens eine Auffassung des Lebens ge ­ geben, für deren Spannweite ich allen meinen da ­ maligen Lehrkräften heute wieder tiefen Dank weiß wie immer, wenn ein Anlaß jene goldene Zeit her ­ aufruft. Und dies ist nicht zu viel gesagt : Denn Jugend, die Auffassungsfreudigkeit jener Jahre, die der Natur des Schülers angemessene Lenkung durch so vieles ihm damals Unbewußtes und Un ­ durchschaubares, die Vorbereitung für die Arbeits ­ ziele der reiferen und reifen Jahre, wer wollte im Rückblick dies alles nicht eine goldene Zeit nennen! Und zurück ins Rationale : Die Ausgangsstellung zu gewinnen für die Lösung der vom Leben und vom Beruf her anfallenden Probleme, indem man sich gewöhnt, jede Sache konkret anzusehen, um dergestalt eine ideale Verwirklichung zu finden — diese reale und konkrete Anschauungsweise hat mir die Realschule in Steyr für meinen Beruf, für mein Leben mitgegeben. Denn Volksbildung als Erwachsenenbildung heißt zus'ammengedrängt nichts anderes, als den Menschen in seinen natür ­ lichen Gegebenheiten aufsuchen und erkennen, ihn so nach seinen inneren Bedingnissen formen zu helfen. Das enge Zusammensein von erprobtem Alten und notwendiger Modernität, gewissenhafter Ueber- nahme geläuterter Erfahrungen und Mut zum Be ­ treten wichtigen Neulands, Erhalterin der Kultur ­ tradition und Industriestadt neuester Prägung, Musenstadt und Eisenstadt in einem, das war, ist und wird Steyr für mich bleiben — und auch dieses Zusammensehen aller Werte vermittelte mir die Staatsoberrealschule in Steyr. 27

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